„Wie soll’s denn werden, Herr Rösler? Wie immer? Flachdachschnitt? Das Primanermodell? Gerne. Mache ich Ihnen so zurecht, dass man denkt, Sie seien gar nicht beim Frisör gewesen. Ein Schnitt, so langweilig wie Ihr Gesicht.
Das Geheimnis ist es, das Beste aus seinem Typ zu machen, Herr Rösler. Und bei Ihnen ist das nicht ganz einfach – Sie sind kein Typ. Sie sind die personifizierte Ersatzflüssigkeit. Sie könnten sich ein Brikett in die Schädeldecke dübeln, es würde keinem auffallen. Deshalb macht es ja auch so viel Spaß, Ihnen die Haare zu schneiden. Es ist doch eigentlich egal, was dabei rauskommt.
Vorne etwas fransig? Was wollen Sie damit sagen, Denkverbote? Wer macht denn alle paar Wochen, wenn wieder mal eine Wahl für Ihren komischen Verein in die Hose gegangen ist, einen Riesenaufstand und verkündet, dass jetzt alles anders wird? Also alles wie immer, und dann haben Sie verstanden, und dann wird es sofort anders, weil alles bleibt, wie es war? Stufig schneiden oder gerade herunter? Ja, entscheiden müssen Sie sich schon, Herr Rösler. Peppiger? Dann sollten wir hier am Pony eine kleine… also jetzt doch klare Kante? und vorher noch mal die Mitglieder befragen, damit Sie wissen, was Ihre Meinung ist?
Na, das sieht ja hübsch aus hier. Haben Sie da in Ihrer Freizeit selbst mal herumgeschnippelt? Ach, und warum ist das hier schief? Sie meinen also, wenn das schief aussieht, dann sind die anderen schuld. Klar, das sieht man sofort ein. Und wenn Sie jetzt auch noch behaupten, die anderen seien alle viel zu dumm, um Sie zu wählen –
Die Tolle ist natürlich auch sehr hübsch. Hier vorne nicht so viel von der Pomade reinkleistern, Herr Rösler. Das ist für echte politische Hoffnungen und solche, die es noch werden wollen. Also lassen Sie besser die Finger davon. Hier könnten wir den Ansatz noch etwas kräftiger auftoupieren, das verleiht dem Schopf mehr Stand. Brauchen Sie nicht? Na, Sie müssen es ja wissen. Bitte, lasse ich das Spray halt weg. Dann kippt es halt, Sie sind es ja gewohnt.
Seien Sie vorsichtig mit den Seiten, Herr Rösler. Das wächst schnell, wenn Sie nicht aufpassen. Vor allem hier unten. Das gibt unangenehme Ränder. Der Möllemann, der hätte Ihnen da was erzählen können – der wurde da regelrecht braun. Und dann hat man da auch immer so viel Last mit dem Ungeziefer, was sich da ansiedelt. Also doch? Gut, dann würde ich Ihnen zu einer ordentlichen Lösung raten. Haider-Schnitt. Kurz, aber wirkungsvoll.
Achten Sie bitte auf das richtige Shampoo, Herr Rösler. Wenn das Zeug teuer ist, in einer hübschen Verpackung steckt oder penetrant riecht, muss es noch nicht gut sein. Trennen Sie sich davon. Sonst liegt bei Ihnen alles voller Flaschen. Schmierig ist es in Ihrem Laden schon genug. Und beim Styling bitte darauf achten, dass Sie auch genug von Ihrer eigenen Heißluft abkriegen, Herr Rösler. Wäre doch wirklich schade, wenn Sie versehentlich die halbe FDP umpusten.
Eine Windstoßfrisur könnte ich Ihnen machen. Wird auch gerne genommen. Durchgestufter Schnitt mit etwas längerer Frontpartie. Asymmetrisch, tendiert vor allem im sichtbaren Bereich nach rechts. Hält was aus. Zumal Sie in nächster Zeit vorwiegend Wind von vorne bekommen dürften, Herr Rösler. Und ich wäre an Ihrer Stelle nicht einmal sicher, dass es sich nur um Luft handelt. Da braucht’s dann etwas, das sich pflegeleicht wieder auswaschen lässt.
Sie werden hier schon etwas grau, Herr Rösler. Das ließe sich jetzt auf mehrere Arten behandeln. Sie könnten einfach dazu stehen, aber das würde von Ihnen Ehrlichkeit verlangen. Oder einfach weniger Realitätsverleugnung. Wir könnten das auch einfach kurz rasieren. Dann fällt es nicht so auf, aber wir müssen das Problem selbst nicht angehen – oberflächliche Symptombekämpfung, damit sollten Sie doch in zwei Ministerien und in Ihrer Partei genügend Erfahrung gesammelt haben, Herr Rösler. Alt? Ach wo, Sie sehen doch nicht alt aus. Eher altersgerecht. Sie haben Ihre Biografie vorgestellt, jetzt können Sie den Löffel abgeben.
Nein, hier nur Tönen. Nicht Färben. Mit Herumgetöne kennen Sie sich doch aus, Herr Rösler? Dann also Tönen. Passt auch viel besser zu Ihnen. Etwas schnell aufgetragener Effekt, an der Substanz ändert sich nichts, und wenn man’s nicht mehr braucht, wird es einfach abgewaschen. Sie haben ja noch die eine oder andere Landtagswahl vor sich, richtig?
Na klar, wir machen hier ein paar Westerwellen rein. Überhaupt nichts für Ihren Typ, wenn Sie mich fragen. Steht Ihnen nicht. Nicht besonders haltbar. Aber dieses leicht ins Vulgäre hinüberspielende populistische Styling – das müsste man integrieren können in Ihren Schnitt. Sie brauchen einen echten Hingucker. Strähnchen, Extensions bis an die Fünf-Prozent-Hürde und vielleicht einen neuen Basis-Schnitt, den Sie dann nach Lust und Laune verändern können. Mal liberal, mal demütig, mal rechtspopulistisch. Was Sie so an Facetten brauchen, Herr Rösler. Bürgerlich. Und seriös, wenn man nicht zu genau hinschaut. Ein Geert-Wilders-Gedächtnisfeudel. Ordentlich Festiger drauf, am besten Drei-Prozent-Taft, den können Sie auch für Ihre Koalition verwenden, und dann lassen Sie sich ordentlich abbürsten. So – wenn Sie da hinten mal schauen wollen? Sie haben da nämlich immer noch jemanden im Nacken sitzen, und das, Herr Rösler, ist nicht mein Problem.“
Satzspiegel