„Einheitsbrei. Ist doch eh immer dasselbe.“ „Das haben Sie falsch verstanden, hier geht es um die Vereinigung, besser gesagt: Wiedervereinigung.“ „Zu spät, haben wir schon letzte Woche gefeiert.“ „Ich sage doch, Sie verstehen das nicht. Es geht nicht um Deutschland, es geht um die CDU und…“ „Dass es der CDU nicht um Deutschland geht, hat sich bis zu mir auch schon herumgesprochen.“ „Jetzt hören Sie doch zu! Die große Versöhnung, die historische Chance, der alles entscheidende Schritt – das wollen Sie doch auch, oder?“ „Und das erreicht man am besten, wenn sich SPD und Union vereinigen? Na dann, Prost Mahlzeit.“
„Von der Union als solcher hat gar keiner gesprochen.“ „Das bedeutet, die CSU macht nicht mit?“ „Nein, die bleibt eigenständig. Es muss ja auch eine vielschichtige Opposition geben.“ „Dann ändert sich gar nichts. Merkel erzählt ihren Summs zum Euro, Seehofer kündigt erbitterten Widerstand an, und zum Schluss macht er doch, was sie will.“ „Eben. Ein weiterer enormer Vorteil der deutschen Politik. sie wird endlich vollkommen berechenbar.“ „Weil die Christsozialen jetzt zu den Umfallern gehören wie die FDP?“ „Auch. Vor allem aber, weil die Kanzlerin endlich richtig durchregieren kann. Es gibt keine lähmenden Hindernisse mehr, es gibt nur noch ein politisches Programm. Naja, es gibt etwas, was wir als politisches Programm verkaufen können. Also vor der Wahl. Teilweise.“ „Das klingt mir doch alles etwas sehr auf die Bundeskanzlerin zugeschnitten – meinen Sie nicht, dass künftige Generationen damit möglicherweise Probleme haben werden?“ „Entschuldigung, was erwarten Sie denn? Nachhaltigkeit? Die Kanzlerin hat das eben gemacht wie beim Wahlrecht. Was kümmert denn sie, wer nach ihr drankommt?“
„Und inhaltlich klappt das ansonsten?“ „Na, wer heute nicht genau wie die CDU denkt, der fliegt ja sofort aus der SPD.“ „Auch wieder wahr. Dann kann man sich im Grunde die ganzen Flügelkämpfe und Personaldiskussionen auch sparen.“ „Wo denken Sie hin? Das geht doch jetzt erst richtig los! Wenn Sie die Deutsche Einheit…“ „Die was bitte?“ „Deutsche Einheit, so soll das Ding heißen.“ „Warum nicht Einheitspartei?“ „Weil da eventuell auch nicht so positive Assoziationen aufkommen könnten.“ „Bei Einheit nicht?“ „Doch, aber nur im Osten, und auf die Wähler pfeift die Kanzlerin eh.“ „Aber Sie wollten mir etwas über den Aufbau der Partei sagen.“ „Richtig. Die ist natürlich jetzt erst recht eine komplex aufgebaute, sehr differenzierte, insgesamt…“ „Also im Klartext, ein chaotischer Sauhaufen?“ „Richtig. Aber eine Volkspartei, eine echte! mit Flügeln! mit Gremien, Arbeitskreisen und einem ganz und gar ausgewogen besetzten Bundesvorstand.“ „Ausgewogen?“ „Ein rechter Flügel, strukturkonservativ, wirtschaftsfreundlich und…“ „Also die alte CDU?“ „Wo denken Sie hin? Das macht natürlich die Ex-SPD. Die CDU ist ja jetzt die Partei der sozialen Mitte. Oder so.“
„Und personalmäßig?“ „Wenn jetzt wegen dieses Internet-Dings Schäuble, de Maizière und Friedrich zurücktreten müssen, kann man sie wenigstens mit ein paar Statisten aus dem eigenen Stall ersetzen, ohne dass es auffällt.“ „Weil die alle unfähig sind?“ „Das ist die Kirsche auf der Sahne. In erster Linie gibt es weniger Konkurrenz für die Kanzlerin, wenn ein paar von denen weg sind.“ „Wozu dann eigentlich Opposition? Kann man nicht gleich eine Einheitspartei…“ „Sie sollen doch das Wort nicht in den Mund nehmen!“ „Also gut: Einheitsliste, meinetwegen. Warum nicht?“ „Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie. Das Auge isst mit, abgesehen von den internationalen Gepflogenheiten.“ „Sie meinen, wir spielen Theater fürs Ausland?“ „Warum nicht? Macht Berlusconi doch auch.“ „Und dafür brauchen wie Opposition?“ „Auch. Dann ist man nicht mehr von Zicken wie Künast und Roth oder der liberalen Muttersöhnchenaufzuchtstation abhängig.“
„Jetzt aber mal konkret, was soll so eine neue Volkspartei denn bringen?“ „Einfach eine bessere Politik. Mehr Möglichkeiten.“ „Dass Politik die Kunst des Möglichen ist, haben wir in Deutschland vorwiegend in den Systemen der Vergangenheit kennen gelernt, und daher wissen wir auch, wie die Politik der Zukunft aussehen wird: was geht, wird gemacht.“ „Richtig, und das werden wir konkret umsetzen. Wir brauchen beispielsweise eine ganz neue, schwungvolle Sozialpolitik.“ „Sie meinen, mehr Förderung für arme Kinder?“ „Mehr Druck auf Arbeitslose, wir wollen schließlich auch in Zukunft einen stabilen Export haben.“ „Und dafür braucht man eine solche Staatspartei?“ „Natürlich. Ansonsten müssen wir die Sozialgesetzgebung alle paar Jahre nachbessern, weil der, der sie in der letzten Regierung ausgehöhlt hat, jetzt in der Opposition sitzt und uns asoziales Verhalten vorwirft. Das machen wir doch lieber selbst, oder?“
„Und das Grundgesetz macht da mit?“ „Sie meinen, weil wir jetzt gerade Ärger mit der Online-Kontrolle haben? Solche Sicherheitsmaßnahmen sind jetzt viel besser beherrschbar.“ „Wie das denn?“ „Wir können das jetzt durchziehen, ohne ständig auf terroristische Gruppierungen wie diese Bundesverfassungsrichter achten zu müssen.“ „Sie wollen das jetzt wirklich…“ „Es ist eine historische Chance!“ „Auf die absolute Mehrheit? Auf eine funktionsfähige Regierung?“ „Nein. Dass wir es noch schaffen. Vor dem großen Knall.“
Satzspiegel