Lichter der Großstadt

12 10 2011

Ja, ich gestehe. Es ist ein traumatisches Erlebnis. Wer mehrere Jahre lang mit Blick auf eine von bunt blinkenden Birnen illuminierte Plasteklapptanne die Weihnachtszeit verbracht hat, sehnt sich nach Sonne und zuckt zusammen beim Anblick jäh aus dem Boden wachsender Lichtzeichenanlagen. Daher aus therapeutischen Gründen mein letzter, verzweifelter Versuch, Verständnis zu bekommen für diese tief verwurzelte Abneigung gegenüber jeglichem Elektroschrott, der leuchtet, fiepst und rotiert, wenn man nicht rechtzeitig den Stecker zieht. Daher der Freitagstexter. Danke, ich komme zurecht.

Nach den ausgestandenen Strapazen der Konfrontationtherapie – bei Rot stehen, bei Grün gehen – kommen wir also zum Siegerpokal. Frisch poliert. Dreht sich nicht, blinkt aber.

Platz 3 nutzt Frau Klugscheisser für eine der wichtigsten Forderungen, die man als politisch korrekte/r Mensch/in mit Straßenüberquerungshintergrund heute stellen kann.

Das Gleichstellungsgesetz fordert: jeder Minderheit hat ein Recht auf eine eigene Ampel.

Woher kommt der Mensch? Wohin geht er? Und wer hat dabei Vorfahrt? Platz 2 geht an noemix eine wichtige Detailfrage in punkto öffentlicher Erleuchtung.

Ampelkoalitionen sind nicht immer richtungsweisend.

Kurzes Intermezzo, passend zum Titel dieser Veranstaltung machen drei Charlie-Chaplin-Darsteller etwas Reklame – auch dies Blog muss ja irgendwie finanziert werden – und wir sind schon wieder zurück bei der Preisverleihung. Für den technisch perfektesten Output, den ein Automat beisteuern kann – Platz 1 geht an den Mechatroniker:

Ganz unglaublich hatte sich Andrew S. Tanenbaum mit der State-Machine für sein Lebenswerk verzettelt.

Herzlichen Glückwunsch, vielen Dank an alle Texter, der Pott glänzt still vor sich hin – und am Freitag, den 14. Oktober sehen wir uns beim Mechatroniker wieder. Und ich schalte jetzt mal auf Grün. Oder doch Gelb?





Jagd auf Goldener Oktober

12 10 2011

„Es war ein Missverständnis – bitte, Sie müssen mir glauben! Das ist uns nur versehentlich passiert! Wer konnte denn auch damit rechnen, dass hier einer zu denken anfängt? Haben Sie das jemals für möglich gehalten? Hier im Bundeskriminalamt?

Die Aktion hieß Santa – wir haben vom letzten Jahr noch so schöne Erinnerungen an die Terrorpanik, es war einfach wunderbar. So eine angenehm fröhliche, festliche Stimmung! Draußen Hundertschaften mit Maschinenpistolen, jeder Weihnachtsmarkt quasi hermetisch abgeriegelt, Sie mussten eine Unbedenklichkeitserklärung vorlegen, wenn Sie angespitzte Holzspieße für Schokofrüchte in Einsatz bringen wollten – und hier drinnen haben wir uns gemütlich auf den Winterschlaf vorbereitet. Der Innenminister war fast jeden Tag in den Nachrichten und hat gesagt, dass wir etwas wissen, ganz geheim, und dass wir das ganz genau wissen, nur eben, dass wir das nicht so genau wissen, was es ist, und das wissen wir eben ganz genau, und dann ist nichts passiert, weil wir wussten: die haben da genau aufgepasst. Obwohl die meisten nicht genau wussten, was da ist. Und die anderen wussten wohl ganz genau, da ist nichts. Und deshalb war das so schön. Letztes Jahr.

Naja, jetzt haben wir statt eines Innenministers nur noch dieses Ding aus Bayern. Und dann sollten wir dieses Krisenszenario noch einmal für dies Jahr benutzen, weil es ist ja auch Krise, und da muss man sparen, und der Innenminister meinte, jetzt müssten wir ohne die Ermittlungswerkzeuge eben zeigen, dass wir furchtbar bedroht sind, und dann hat er den Alarmplan herausgegeben, und dann hat er gesagt, dass wir alles vorbereiten müssen, und dass wir schon vorbereitet sind, und dass wir alle noch gar nicht wissen, was wir da seit letzten Jahr noch wissen sollten, und dann hat er uns das Codewort gegeben: Weihnachtsmann. Und dann geht der Hergenmöller, dieser Vollidiot, in der Mittagspause in den Drogeriemarkt.

Na, Sie können sich das ja vorstellen. Anfang Oktober, überall die Regale voller Spekulatius und Dominosteine, Schokoladenweihnachtsmänner ohne Ende, und dann fragte der Hergenmöller den Sünnewald am Telefon, ob er ihm auch so einen Weihnachtsmann mitbringen soll. Eine Stunde später war hier Budenzauber. Der Alarmplan lief an. Das konnten Sie nicht mehr stoppen, die Kräfte waren alle ausgelastet. Die waren gerade in Kabul unterwegs und im Bayerischen Landeskriminalamt, um nachzusehen, was der Friedrich jetzt schon wieder alles kaputt gemacht hat. Ja, das lief da an. Gnadenlos. Der ganze schöne Terrorplan.

Ja, Sie stellen sich das witzig vor – aber was haben Sie denn erwartet, wie so eine nationale Terrorvermutungsverdachtswarnung abgeht? Wir haben sofort die Nachrichten verschickt, und dann haben wir den Notfallplan zur Sicherung der BRD ablaufen lassen. Das volle Programm. Und damit fing das ganze Desaster erst richtig an.

Eine ganze Brigade haben wir nach Nürnberg geschickt. Den ganzen Hauptmarkt abgesperrt, die komplette rechte Pegnitzseite konnten sie ohne Ausweiskontrollen alle zehn Meter quasi nicht mehr betreten. Ein Chaos! Und jeder Polizist hat Ihnen ein Faltblatt in die Hand gedrückt, wie Sie Terroristen auf dem Christkindlesmarkt erkennen: die trinken keinen Alkohol, sprechen rudimentär Deutsch, tragen alberne Kopfbedeckungen und haben verfassungsfeindliche Ansichten über Frauen und die gleichgeschlechtliche Ehe. Am Ende wollten da zwei Bürger den Stoiber verprügeln, ich sag Ihnen, das war kein Spaß. Und das im Oktober!

Dann sind die ganzen Meldungen rausgegangen. Furchtbar, die haben auf Bayern 1 glatt gesagt, dass der Bombenanschlag vom 27. November erst in allerletzter Sekunde verhindert werden konnte. Ich meine, das war ja noch nicht so schlimm, aber dann stellen Sie sich mal vor, die haben in der Innenstadt von Rosenheim Rentner interviewt – einer wusste noch genau, was er getan hatte, als die Meldung kam, und einer hat behauptet, er sei bei der Explosion dabei gewesen.

Uns ist dann auch noch das mit dem Intranet hier verrutscht. Da gingen ein paar Meldungen durcheinander. ‚Herrmann (CSU): Wenn hier einer Terror macht, dann ich‘, das war hinnehmbar. Das war, glaube ich, noch nicht einmal jemandem aufgefallen. Aber ‚Kantinenessen II – Nur die Vorratsdatenspeicherung kann uns retten!‘, das hat uns der Pächter übel genommen.

Das größte Problem war ja die Ansprache vom Bundespräsidenten. Zwei Tage vor Weihnachten ein gemeines Attentat auf die erst am 1. Advent fertiggestellte Eissporthalle. Und dann hat Peter Hahne ein Bekennervideo von al-Qaida anmoderiert, das noch gar nicht fertig war.

Man muss aus der Situation das Beste machen. Wenn Sie mit solchen Innenministern zu tun haben, dann wissen Sie, was das bedeutet. Es ist ja echt nicht schön, wissen Sie – kein Frauenfußball. keine Killerkeime, wir müssen uns etwas ausdenken. Und wir können nicht einfach zwischendurch alles abblasen. Das geht ja gar nicht – das ist so nicht vorgesehen. Das kann man sich übrigens auch von der deutschen Politik so gar nicht vorstellen, dass man zwischendurch merkt, guck an, ist ja doch alles Mist, dann können wir’s eigentlich auch gleich lassen. Gibt’s nicht. Wir sind ja auch immer noch in Afghanistan und die Agenda 2010 ist auch noch am Leben. Das erwarten die Leute von uns. Das ist Deutschland hier. Wenn Sie Ihren Nachbarn nicht ausstehen können, und Sie kaufen sich eine Pistole, lassen Sie die im Nachtschrank liegen?“