Nullnummer

30 11 2011

„Ja spinnen Sie denn!? Sie können die Leute doch nicht einfach Laub kehren lassen!“ „Wieso denn nicht? Es ist Herbst, und bevor ich die einfach so in der Gegend…“ „Sie haben anscheinend überhaupt nichts dazugelernt! Mit dieser Einstellung muss unser Vaterland ja vor die Hunde gehen!“ „Jetzt regen Sie sich hier mal nicht künstlich auf. Wenn ich die Arbeitslosen in meinem Betrieb einsetze, dann sollen sie schließlich auch lebensechte…“ „Sie haben wohl nicht alle Tassen im Schrank? Das sind Arbeitslose! Die haben nicht zu arbeiten wie normale Menschen, weil das Arbeitslose sind! Sind Sie immer so schwer von Begriff!?“

„Und meine Ausbesserungsabteilung? Warum haben Sie die noch nicht moniert?“ „Weil das ein komplett sinnloser Schmarrn ist.“ „Ich habe mir das nicht einfallen lassen. Das war das Amt.“ „Dann sollte es Sie auch nicht wundern, dass es völlig sinnlos ist.“ „Also bitte – für einen Euro in der Stunde dürfen die mit Klebefilm Schneeschaufeln reparieren und Geschenkpapier glattbügeln, bevor sie es in den Container schmeißen.“ „Ordnung muss sein. Dabei lernen die Arbeitslosen wenigstens ein paar Grundbegriffe.“ „Dass man Geschenkpapier vor dem Entsorgen bügelt?“ „Dass sich jede bezahlte Erwerbstätigkeit lohnt. Auch dann, wenn sie sich nicht lohnt.“ „Ich dachte, wenn es sich nicht um eine richtig bezahlte Tätigkeit handelt?“ „Nein, weil es ja nicht um den Erwerb geht. Die Leute sollen einfach nur ganz normal arbeiten.“ „Ich dachte, das sollen sie eben nicht?“ „Sollen sie ja auch nicht – wenigstens nicht für einen normalen Lohn.“ „Warum nicht?“ „Weil sie sonst den anderen Leuten ihre Arbeit wegnehmen würden, und dann wären die arbeitslos anstelle der Arbeitslosen, die dann von denen, die jetzt noch nicht arbeitslos sind, die Arbeit – ach, das ist mir alles zu komplex.“

„Diese Ein-Euro-Jobs sind also gedacht, den Arbeitslosen den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern?“ „Nein, sie sollen nur wieder mit Arbeit konfrontiert werden.“ „Sie sollen also Arbeit als Druckmittel erfahren, damit sie freiwillig tun, wozu man sie vorher gezwungen hat?“ „Jetzt kapieren Sie es doch endlich: es geht hier nicht um Arbeit, ja? Es geht hier ums Arbeiten! Die Leute sollen endlich wieder begreifen, was Arbeit ist!“ „Also geht es doch um Arbeit?“ „Verdammt noch eins, jetzt bringen Sie mich doch nicht ständig aus dem Konzept mit Ihrer Wortklauberei!“

„Gut, dann andersherum. Sie sagen demnach, dass die Arbeitslosen sich durch das Arbeiten an das Arbeiten gewöhnen sollen.“ „Richtig.“ „Und wozu?“ „Was, wozu?“ „Warum können sie sich denn ans Arbeiten gewöhnen, wenn sie weder Arbeit verrichten sollen noch auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden sollen?“ „Hören Sie, das Problem ist doch nicht der Arbeitsmarkt, sondern die Wettbewerbsneutralität.“ „Was heißt das denn nun wieder?“ „Dass man mit der Arbeit…“ „Sie meinen, mit dem Arbeiten?“ „Mit dem Arbeiten, genau. Ich komme selbst schon ganz durcheinander. Also dass sie mit ihrem Gearbeite den Wettbewerb nicht stören.“ „Wie Grundwasserneutralität für das Grundwasser?“ „Sie haben es kapiert.“ „Und das wirkt sich wie aus?“ „Na zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt.“ „Aber das bedeutet ja letztlich, dass dieses Arbeiten einen volkswirtschaftlichen Nutzen auch gar nicht haben – darf?“ „Exakt.“ „Dann erzählen Sie mir doch mal, wie jemand mit der Arbeitserfahrung überhaupt wieder Anreize spüren soll, die Volkswirtschaft willentlich zu befördern?“ „Muss er gar nicht. Es reicht ja aus, wenn er mit dieser Erfahrung beispielsweise freiwillig aus dem Transferleistungsbezug ausscheidet und so die Volkswirtschaft nicht noch weiter schädigt.“

„Und Sie haben auch von den vielen Fällen gehört, wo Ein-Euro-Jobber normale Pflegekräfte ersetzt haben?“ „Ja, ein arbeitsmarktpolitisches Instrument muss an seinen Wirkungen gemessen werden.“ „Das hieße ja, dass dies eine lohnende, nur leider nicht bezahlte Erwerbstätigkeit wäre.“ „Aber wo denken Sie hin? Man muss mit solchen Maßnahmen klar machen, dass Pflege keinerlei Stellenwert besitzt und dass man dafür die letzten Idioten einsetzen kann.“ „Das macht man den Arbeitslosen klar?“ „Nein. Den Pflegekräften.“

„Damit basteln Sie doch letztlich nichts anderes als einen Käfig für Arbeitslose. Sie dürfen nicht einmal niedrig qualifizierte Arbeit ausüben, sondern werden auch geradezu gezwungen, Steuergelder zu verballern.“ „Ich bin ja nicht schuld daran.“ „Und wozu brauchen Sie dann diese wirtschaftsfernen Maßnahmen?“ „Naja, für den Wahlkampf. Man muss dann immer ein paar Beispiele haben, mit denen man die Arbeitslosen als sozialen Ballast bezeichnen kann, die mit ihrem Arbeiten nicht einmal Arbeit verrichten.“ „Verstehe. Und was versprechen Sie sich davon?“ „Dass es möglichst wenige gibt, die arbeitslos werden wollen, weil sie sonst gefördert werden.“ „Ist das denn nicht gut?“ „Aber auf keinen Fall, aus der Arbeitslosigkeit kommen Sie nämlich nur raus, wenn Sie gar keine Maßnahmen bekommen.“ „Und wann bekommt man die nicht?“ „Wenn man nicht arbeitslos ist.“

„Gibt es denn wirklich einen richtigen Ein-Euro-Job, wie er sein soll?“ „Lassen Sie mich mal überlegen. Jemand, der nicht arbeitet, sich nicht mit Arbeit beschäftigt, keinen volkswirtschaftlichen Nutzen erbringt, im allerbesten Fall bloß keinen Schaden anrichtet, eine Entlohnung erhält, die in keinem Verhältnis zu der Tätigkeit besteht, und damit Erwerbsarbeit entwertet? Doch, das geht.“ „An wen haben Sie da gerade gedacht?“ „An Ursula von der Leyen natürlich.“





Kriegswirtschaft

29 11 2011

„Vorsicht mit dem Kopf!“ Doch da hatte ich mich schon gestoßen. Leutnant Michaeli betastete meine Stirn. „Gibt eine schöne Beule“, sagte er mit halb tröstendem, halb vorwurfsvollem Unterton, als hätte ich das Rohr an der Decke bei dieser miesen Beleuchtung sehen können, „aber sonst ist ja alles noch dran.“ Wieder einmal verfluchte ich mich dafür, in den Untergrund gegangen zu sein. Aber wo sonst sollte man diese Leute jagen, die unserem Land den Untergang zu bereiten versuchen. Tief unter dem Herzen der Stadt, wohin kein Lichtstrahl dringt, hier saß das Sondereinsatzkommando der Finanzaufsicht.

„Wirtschaft ist Krieg.“ Der Leutnant reckte sein Kinn hart in die düstere, halbdunkle Kellergruft; bunt flackerten die Börsenmonitore im Hintergrund und gaben eine schwache Ahnung davon, wie die Entscheidungsschlachten dort oben um den DAX tobten. Spekulanten attackierten die Eurozone, das Parlament ließ sich in höchster Not Sonderrechte zum Verscherbeln der Leitwährung geben. „Wir sind als Eingreiftruppe aufgebaut worden, um die Entscheidungen des Bundesfinanzministeriums und der Bundeskanzlerin zu flankieren.“ Ich zog eine Augenbraue hoch; es war Michaeli nicht entgangen. „Ja, flankieren. Wir können ja schließlich nicht einfach selbst etwas unternehmen. Schließlich herrscht noch immer das Primat der Politik, wir als Behörde wollen uns da keinesfalls einmischen.“ „Ach“, merkte ich lakonisch an, „deshalb fragt die Kanzlerin ja sicher auch immer nach, was sie den Finanzjongleuren gerade noch androhen darf.“

Der Leutnant hatte sich unvermittelt umgedreht. „Sie sind mir nicht gerade als linientreu beschrieben worden“, knurrte er. „Ich werte das mal als Kompliment“, gab ich knapp zurück. „Gut“, nickte er. „Sehr gut. Dann werde ich Ihnen zeigen, was wir wirklich tun. Auf eigene Faust übrigens. Sie haben das alles hier jetzt nicht gesehen, ja?“

Hinter der eisernen Tür befand sich ein geheimer Kommandostand. Der Raum war karg eingerichtet. Eine nackte Glühbirne an der Decke warf grelles Licht auf den rissigen Betonboden und die splitterigen Wände. Ein paar Kisten standen an den Wänden, eine Wandtafel, ein Schemel, ein Papierkorb. Das also war das Herz des Widerstands.

Michaeli setzte sich auf den Schemel. „Es ist Terrorismus – Wirtschaft ist Terrorismus.“ „Nicht die Wirtschaft an sich“, korrigierte ich, „sondern die Spekulation durch diese – “ „Wirtschaft ist Terrorismus“, wiederholte er, hart und unbeirrt. „Dies Wirtschaftssystem ist nichts anderes als ein permanenter Krieg mit anderen Mitteln. Sie sind es aus der Geschichte gewohnt, dass man andere Völker aus Gründen der territorialen Expansion angreift und die Bürger dazu bringt, sich für die Interessen einiger Multimilliardäre gegenseitig Kugeln in den Schädel zu schießen?“ „Das ließe immer noch darauf schließen, dass Wirtschaft die Vorstufe des Kriegs mit anderen Mitteln ist.“ Michaeli schüttelte den Kopf. „Zu kurz gegriffen. Es ist Terror.“ Dumpf und verzweifelt sah er auf die Karten an der Tafel, mit Bleistiftmarken und Fähnchen übersäte Karten von Europa und der Welt, Deutschland ein blutroter Fleck in der Mitte. „Es ist Terrorismus. Wie definieren Sie das?“ „Ein Eingriff in die Sicherheit eines Staates“, antwortete ich irritiert, „um dann die verunsicherte Sicherheit in die – was wollen Sie eigentlich!?“ Leutnant Michaeli nickte. „Ich sehe, Sie haben das bekannte Problem. Die Angreifer versuchen, ein System auszuhebeln, indem sie immerzu neue Sicherheitslücken aufzeigen und damit nach und nach die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft lähmen, bis sie sich ergeben muss.“ „Das gilt für den politischen Terror“, wandte ich ein, „aber sind Sie sich sicher, dass es auch für die Wirtschaft gilt?“ Michaeli nickte. „Selbstverständlich. Nehmen Sie doch das aktuelle Beispiel. Italien muss mehr als sieben Prozent Zinsen bieten. Sieben Prozent!“ „Das bedeutet, sie müssen in einem Modell, das auf unnützes Wachstum durch Börsenblasen setzt, noch einmal trotz ihrer enormen Verschuldung Wachstum produzieren. Nur für die Zinsen.“ Wieder nickt er. „Aber je höher dieser Zinssatz ausfällt, desto eher führt er direkt in eine Rezession, die nochmals die Schulden erhöhen und die Zinsen.“ „Sie meinen“, fragte ich, „man hat die Länder in eine Falle gelockt, aus der sie nicht mehr ohne fremde Hilfe hinauskommen?“ Diesmal schüttelte er entschieden den Kopf. „Sie kommen gar nicht heraus. Nicht einmal mit fremder Hilfe. Es ist wie Treibsand. Wenn Sie einmal drinstecken, haben Sie es gehabt.“

Er fuhr sich nervös durchs Haar. „Die Märkte sind nicht das Opfer, das geschützt werden muss, das redet uns diese Regierung nur ein. Sie sind die Täter.“ „Die Regierung?“ Ein bohrender Blick strafte meine vorwitzige Bemerkung. „Die Märkte – was auch immer diesen unsinnigen Plural noch rechtfertigen mag.“ Ich konnte nicht anders; ich lächelte. „Das hieße dann ja, dass Sie derselben Meinung sind wie die Presse, die die bösen Spekulanten zu Bösewichten erklärt und ein hartes Durchgreifen der unfähigen Marionetten in den Regierungen verlangt.“ „Nicht ganz“, antwortete er mit belegter Stimme. Er zog einen Aktendeckel aus der Schublade, warf ihn auf den Tisch und klappte ihn auf. „Wir wollen an die Hintermänner.“ Da blickten sie mich an, Kanzlerin, Finanzminister und der ganze Rest. „Wir verteidigen die Demokratie gegen die Märkte. Gegen alles, was sich in ihren Dienst stellt. Es ist Terror. Und mit Terroristen wird nicht verhandelt.“





Generation Nix

28 11 2011

„Gehören Sie eigentlich zum Establishment? Ich frage nur, ob ich Sie rausschmeißen muss oder ob es reicht, Ihnen unser Wahlprogramm zu erklären. Oder sind Sie vielleicht schon Mitglied? Man sieht das ja keinem mehr an, wissen Sie. Als ich damals zu den Grünen gegangen bin, da hatte die Partei ja noch so etwas wie Inhalte. Aber heute ist das ganz anders. Heute sind wir nämlich voll der Punk.

Man muss das mit dem Dagegensein ja auch mal unkritisch sehen. Nicht immer nur alles schlecht machen, sondern die Umbrüche auch mal zulassen. Also nicht die gesellschaftlichen, die könnten uns ja am Ende noch Jobs kosten. Sondern eine positive Sicht auf die Dinge entwickeln. Man kann doch dem eigenen Wählerpotenzial einfach mal so richtig auf die Zehen steigen? Die obere Mittelschicht mit Steuererhöhungen an sich, die untere damit, dass sie ein Rohrkrepierer sind?

Finanzkompetenz ist doch das Stichwort! Die Banken müssen endlich in die Pflicht genommen werden! Dieser Raubtierkapitalismus kann doch auf Dauer gar nicht gut gehen, da braucht es starke Symbole – Signale, wollte ich sagen, Signale! Wir brauchen eine Steuererhöhung im oberen Bereich, aber wir werden uns da nicht irgendwelchen Kräften beugen, die nur populistische Rezepte für den Wahlkampf aufkochen. Das wird es mit den Grünen nicht geben. Wer da populistisch wird? Diese ganzen Milliardäre, die angeblich höhere Steuern zahlen wollen, das nenne ich mal Populismus! Sie können doch einem Bürger aus der gehobenen Mittelschicht nicht einfach so zwanzig Euro im Monat aus der Tasche ziehen, das ist ja Raub – dreißig Euro für seine Krankenversicherung und noch mal zehn Euro für Pflege und fünfzig Euro für Sprint und knapp hundert wegen Inflation, das ist okay, das ist trifft nicht nur benachteilige Millionäre, daran beteiligen sich auch Arbeitslose für die nationale Sache. Das ist gut so. Über neue Energieabgaben müssten wir mal nachdenken. Die wären auch sozial unspezifisch umzusetzen. Und wir könnten uns eine Vermögensabgabe vorstellen. Natürlich befristet. Wie der Soli.

Drehen Sie uns bitte nicht das Wort im Mund um. Es geht hier um einen soliden Haushalt. Nicht um einen solidarischen. Wir sind doch nicht verrückt!

Mitregieren, sicher. Wir stellen uns den harten finanzpolitischen Realitäten. Beispielsweise werden wir einen ganz klaren Sparkurs einführen. Alles ganz unbequem und völlig illusionslos, nicht wahr, und damit werden wir und auch komplett von – mit Merkels CDU? Das kann ich Ihnen nicht sagen, das entscheiden wir erst nach der ersten Hochrechnung.

Als kleinere Partei sind wir wie geschaffen, um die Wirtschaftskompetenz in diesem unserem Lande zu repräsentieren. Das haben die Liberalen schon immer so gemacht, und wir Grüne machen da sicher keinen Unterschied. Das ist eine Generationenfrage, keine Frage des politischen Lagers. Und was verlangen Sie von der Generation Nix?

Betrachten Sie uns als eine Art Pinkeltaste. Die Grünen beruhigen Ihr Gewissen. Wenn Sie zu den Besserverdienenden gehören – natürlich zur den Besserverdienenden, wenn Sie immer noch FDP wählen, dann haben Sie einfach nichts Besseres verdient – dann können Sie sich ein gutes Gewissen einfach leisten. Moral ist teuer, deshalb verzichten so viele darauf. Um Bioobst zu kaufen, müssen Sie eben ein bisschen tiefer in die Tasche greifen. Deshalb greifen wir jetzt auch ein bisschen tiefer in Ihre Taschen, schließlich müssen wir als Grüne ja mit gutem Beispiel vorangehen. Porsche fahren reicht einfach nicht mehr als Beleg für Bürgernähe, da müssen schon andere Kaliber her. Sie wollen doch auch eher Bioobst kaufen, eine Solaranlage auf dem Dach und Ihre Kinder auf eine vernünftige Schule schicken? zweimal im Jahr in den Urlaub fliegen? und überdurchschnittliche viel Geld in Schnickschnack aus bester asiatischer Kinderarbeit anlegen? Das können Sie nur mit tätiger Reue ausgleichen. Dazu brauchen Sie eine Pinkeltaste, die lokal Wasser spart und so global die Umwelt rettet. So viel Gutmenschentum kriegen Sie mit der SPD gar nicht hin. Dazu brauchen Sie die Grünen.

Weil Grün wirkt, das wissen Sie doch. Und wie das wirkt! Hat ja schon mal ganz ausgezeichnet gewirkt. Schauen Sie sich die heutigen Verhältnisse doch mal an. Ein völlig deregulierter Finanzsektor, der Arbeitsmarkt ist von Zeit- und Leiharbeit in ein Trümmer gelegt worden, im Niedriglohnsektor herrscht hemmungslose Ausbeutung, die Kernkraft hätte man längst abstellen müssen. Das haben die Regierungen der Vergangenheit total verschwitzt – Sie, der Schröder hat da mehr kaputt gemacht als alle anderen zusammen! Das kriegen Sie nur mit Grün wieder weg!

Wir sind eine Traditionspartei, das dürften Sie wissen. Doch, wir sind fest verankert in den politischen Traditionen der Bundesrepublik – schauen Sie sich mal die Freidemokraten an, die haben diesen Irrweg des watteliberalen Mehrheits- und Kanzlerkürvereins beschritten, der aus blinder Wirtschaftsgläubigkeit jedes Ideal über Bord schmeißt, sobald einer mit Parteispenden wedelt. Schrecklich, oder? Ja, schrecklich ist gar kein Ausdruck, da haben Sie Recht. Das ist wirklich zum Kotzen. In dieser Tradition befinden wir uns. Und so haben wir auch alle Zuversicht, in zwei Jahren wieder in die Regierungsverantwortung gewählt zu werden.

Das ist die Zukunft. Gewöhnen Sie sich daran, Liberalismus ist nicht mehr auf Lager, daran werden Sie sich gewöhnen müssen. Sie können aber gerne eine Tür weiter bei den Piraten nachfragen. Die haben noch keine Angst vor der Zukunft. Aber das lernen die noch. Noch sind wir ja nicht weg vom Fenster.“





Schwachstromelektriker

27 11 2011

Das nennt man Energieeffizienz: die Industrie verschwendet Strom, dessen Mehrkosten von den Kleinverbrauchern bezahlt werden sollen. Gemäß Bundeswirtschaftsminister dient dies zur Entlastung der Privathaushalte und des Mittelstandes. Womit klar sein dürfte, wer von der Drei-Prozent-Partei mangels höherer beruflicher Qualifikation einen Posten bei den Schwachstromelektrikern annehmen wird. Alle anderen Kurzschlüsse wie immer in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • klöpperhaus der morgen stirbt nie: Dass Sie Agent sind, haben Sie aber auch ganz schön geheim gehalten.
  • warum verheddern kabel entropie: Weil sie es können.
  • jun hao hung ich seh schwarz ddl: Das haben die Russen schon erledigt.
  • blutdruckfördernde lebensmittel: Versalzenes Spiegelei.
  • büttenrede leiden eines schwiegersohnes: Wenn Sie wirklich schmerzfrei sind, leihe ich Ihnen meine Ex-Schwiegermutter.
  • teigquirl bohrmaschine: Nageln Sie die Plätzchen doch lieber gleich an die Wand.
  • türstopper katze selber nähen: Basteln Sie aus der Katze doch lieber ein Kopfkissen.
  • knochenleim schwund medizin: In der Pathologie wird schon nachgekocht.
  • was lernt man in staatsbürgerkunde: Alles, nur keine Staatsbürgerkunde.
  • katia saalfrank hat haare kurz: Dafür habe ich die Haare schön.
  • aszendent warzenschwein: Steigen Sie um aufs peruanische Kekshoroskop.
  • suche stecker für elektro samowar: Schauen Sie mal genau nach am Ende der Schnur.
  • frauen gesprächsthema krankheit klagen: Wenn Sie über Ihren Männerschnupfen reden, wird man Sie lieben.
  • geköpfte schalung: Rübe ab.
  • weihnachtsgestecke selber basteln: Damit fängt das Elend an.
  • blumenkohl nase anatomie: Damit hört das Elend auf.
  • wie hoch ist strafe ladendiebstahl, wenn ich die sicherung mit schere kleidung: Gegenüber einer Kettensäge nur minimal.
  • aktfoto couch: Nehmen Sie lieber den Ausziehtisch.
  • lesehilfe selbermachen: Basteln Sie doch eine aus alten Brillen.
  • tochter 16 karneval alkoholvergiftung wie reagieren: Geben Sie ihr jetzt bloß keine festen Speisen, das kommt alles wieder raus.
  • reagenzgläser blumenvase ratenzahlung: Dafür können Sie die Blumen auch ratenweise reinstecken.
  • aufforstungsprämie steuerfrei: Sorgt das für Wachstum?
  • wandapflanze: Wächst vorwiegend auf Wandadünen.
  • alkoholfreies brie und urinscreaning: Alkoholfreier Brie lässt sich auch im Wein nicht mehr nachweisen.
  • bastelvorlagen wärmespirale: Dazu brauchen Sie einen glühenden Schürhaken und einen Eisenbieger.
  • vera eine nette ente darf immer gähnen: Dafür hält sie ansonsten den Schnabel.
  • bnd or bundesnachrichtendienst: Wenn Sie noch nicht wissen, wonach Sie suchen, probieren Sie es mal beim Verfassungsschutz.
  • hobbybastler: Ich kaufe meine Hobbys ja fertig, aber bitte…
  • rezeptvorlage arzt: Heute zu empfehlen: Arzt im Reisrand.
  • krokodil gesichter färbung: Einfach zu merken: sobald Sie eins sehen, werden Sie bleich.
  • efeublatt goldener schnitt: Nicht einmal ein goldener Winkel.
  • drehsymmetrische marken: Momentan sieht Nokia von allen Seiten gleich beschissen aus.
  • p39 umweltgesetzbuch: Wurde im Umweltminister verklappt.
  • dialektische lösung: Mit hohem Schwefelsäureanteil.
  • ddr weinbrand: Es gab genug zum Heulen.




In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (LXIX)

26 11 2011

Rashidi besorgt in Dodoma
oft Zwiebeln und Lauch für die Oma.
Die lässt sie dann liegen
im Warmen, die Fliegen
verscheucht sie mit diesem Aroma.

Lucrezia frisierte in Benna
bald Frauen, bald Kinder, bald Männer.
Sie selber gewöhnt sich
daran, denn sie tönt sich
das Haar immer selber mit Henna.

Alexej, der Kutscher in Uren,
fuhr dort lang, wo andere fuhren.
Doch Schneesturm war heute,
es schneite und schneite,
der Wind überdeckte die Spuren

Frau Kaeckenbeeck suchte in Essen
den Zollstock. Sie wollte ja messen.
Am Ende, schon matt, sie
fand diesen – da hat sie,
was sie messen wollte, vergessen.

Renato (sein Nachbar in Lins
im Lotto gewann) des Gewinns
gar neidisch den Boten
ins Haus lockt, mit roten,
ja glühenden Ohr’n lügt: „Ich bin’s!“

Herr Magstrøm, er tanzte in Nibe
mit klopfendem Herzen voll Liebe.
Gar schön er empfand es;
die Dame, sie fand es
ein abstoßend fades Geschiebe.

Raštikis erschien in Pabradė
ganz pünktlich zur Heldenparade –
den Wetterbericht er
las ausdrücklich nicht. Er
stand einsam im Regen. Wie schade.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CXXIX): Tchiboisierung

25 11 2011
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Mit dem Werkzeuggebrauch beginnt, was der Art Intelligenz im engeren Sinne verleiht, der plan- und sinnvolle Einsatz der Materie. Man kann mit der Bratpfanne zwar Nägel in den Putz dengeln, aber mit dem Hammer keine toten Tiere rösten, und je nach Größe und Geschwindigkeit des Tiers im Lebendzustand gibt es auch Objekte, die man bei der Fühlungnahme mitführen sollte, um nicht die Nahrungskette unerwartet restrukturieren zu müssen. So entstand die arbeitsteilige Gesellschaft als logische Folge des Spezialistentums, und spätestens mit der Trennung von Produktion und Handel merkte der gesellschaftlich eingebundene Mensch, dass die Vielfalt der Erzeugnisse gleichermaßen die Wissensvielfalt des Handwerkers wie des Verkäufers hervorbringt. Wer eine gute Pfanne zu schmieden weiß, muss nicht unbedingt bratfertige Tiere aus der Steppe mitbringen, und wer sein Angebot auf eisernes Geschirr ausrichtet, braucht kein Experte für Stiefel und Brennholz zu sein. Der Vertrieb fand seine Daseinsberechtigung und feilte eifrig daran, sich unverzichtbar zu machen in einer Nische, die noch von keinem anderen mit fettigem Selbstverständnis ausgefüllt worden war. Es hätte so bleiben können, es hätte ein gutes Einvernehmen fortbestanden zwischen Krämer und Kunde, und hätte man die Krankheiten des Spezialistentums im Zaum gehalten, jene Arroganz des Fachidioten, alles wäre gut geworden. Aber die Mehlmützen aus der Chefetage konnten wieder den Hals nicht voll kriegen und läuteten die Tchiboisierung des Einzelhandels ein.

Hemmungslos schwallt der Kompetenzfasching aus dem Management, neue Marketing-Ideen wollen ausprobiert sein. Hygieneartikel neben dem Kühlregal, Taiwanplaste schräg gegenüber vom Spirituosengang, nichts ist den Grützbirnen zu doof für einen merkantilen Vollrausch. Hier und da sind noch Überreste intakter Ladenstrukturen zu erkennen – wo Tiernahrung ausgeschildert ist, jodelte keine Reformkost von der Palette – und die kleineren Dorfsupermärkte lehnen den Konsumkirmes flächendeckend ab. Wo es aber urbaner wird, wo sich Marke an Marke blutige Verteilungskriege um Prozentpunkte auf dem Analogkäse-Segment abspielen, da wird der Käufer mit vorgehaltener Knarre zum Ablaschen gezwungen, ob er denn will oder nicht. Kreuz- und Querverkauf ist die Devise, ohne Heizstrahler und Digitalkurzzeitmesser kriegt das Mütterchen heute keine Tüte Mehl mehr an die Kasse gehievt. Wer einmal seinen Fuß in die Kaufhalle gesetzt hat, ungeschoren kommt er nicht mehr heraus.

Längst fräst sich das wuchernde Elend durchs ganze Geschäft. Mit knirschenden Zähnen hat man sich daran gewöhnt, dass keine Tankstelle ohne einen begehbaren Zigarettenautomaten auskam – Reisende soll man nicht aufhalten – und das Angebot sich im Laufe der Jahre subtil um Alkoholika und Schmuddelhefte erweitert hat, kurz: alles, was man auf einer unerträglichen Reise zwischen den Staurändern von Bad Salzuflen bis Pirmasens braucht, um nicht wahnsinnig zu werden. Keinen stört’s, dass der Bäcker, der einst die Morgenzeitung verkaufte, mörderische Konkurrenz bekam vom Printheini, der jetzt auch die Brötchen unters Volk jubelt. Die Angelegenheit hätte man aufhalten können. Aber wir schalten auf Durchzug.

Nicht nur der Niedergang des Fachhandels an sich ist Ergebnis dieser komplementär angeordneten Hirnkasperade, wie sie ein paar verstrahlte BWL-Popeletten aus den Synapsen geschwiemelt haben, insbesondere ist es der Abstieg der Sortimenter. Was als Shop-in-Shop zur nachhaltigen Steigerung der Kundenzufriedenheit angepriesen wird, ist in Wahrheit tonnenweise Zeugs neben der Wursttheke, Kruscht und minderwertige Ware, wie sie der billige Jakob auch nicht besser durch die Endkontrolle hätte schmuggeln können. Die Überschwemmung der unspezifischen Magazine mit Schrott im Doppelpack, mit überflüssigem Gewurbel und Geschlonz, Damenstrumpf und Klapptisch, Melonenspaltgerät und Staubsauger, nagt dem Konsumopfer an Netzhaut und Verstand, fordert zum ästhetischen Deathmatch heraus und bringt den Käufer, der einfach nur ein Stück Brot gekauft hätte für sein Geld, zur Emotionsbulimie. Wuchernde Flächen, die nach und nach das Kerngeschäft – normale Waren zum akzeptablen Preis-Leistungs-Verhältnis – an die Wand pappen. Die ganze Bude degeneriert zur dreidimensionalen Werbebande für Schutt en gros. Nicht mehr der Handel mit hereingekübelten Prekärprodukten steht hier im Vordergrund, der ist längst passé. Der Resthirnuser weiß, dass man funktionsfähige Türstopper besser nicht im Fischgeschäft kauft, der Manager weiß, dass der es weiß, und also kleistert er seinen Basar mit Lockrufzeichen voll: die Überflüssigkeit des zur Dekoration geronnenen Angebots, das der Bescheuerte getrost ignorieren kann, da es nur symbolische Form ist, kannibalisiert den Geschäftszweck.

Die Entartung des Erwerblichen grinst schon diabolisch durch die Kategorien. Man bucht seine Reise heute bei der Bank, während den passenden Kredit zur Finanzierung das Autohaus liefert. Rasenmäher und Bettgestell finden sich einträchtig neben Kinderspielzeug und Adventsdekoration im Heimwerkermarkt. Es dürfte eine Frage der Zeit sein, bis man beim Internisten gleich seine Bestattung buchen kann. Für drei Koloskopien gibt es wahrscheinlich einen Gutschein. Und Röstkaffee.





Mauthelden

24 11 2011

„… die Einführung einer Autobahnmaut unter der unionsgeführten Regierung ausgeschlossen. Merkel empfahl nur, die Anreize zum Klimaschutz als…“

„… lehnte auch Seehofer die Maut, wenigstens für Pkw, vorerst entschieden ab – was keinesfalls bedeuten dürfe, dass man eine Gebühr für Lkw…“

„… wollte Ramsauer ein vorzeitiges Ende der schwarz-gelben Koalition zwar nicht ausschließen, gab jedoch zu bedenken, dass mit einer schnell und unbürokratisch eingeführten Maut die…“

„…würde nach Aussage von FDP-Chef Rösler die Autobahnmaut nur dann gerecht sein, wenn sie automatisch zu Steuersenkungen führt, die dann durch die Maut wieder…“

„… eine Vignettenlösung als die beste Ersatzmaßnahme. Sie werde ebenso wie die Kfz-Steuer ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Verbrauch bezahlt, sei sinnlos, bürokratisch und ein damit sich harmonisch ins deutsche Gesetzesumfeld einbettendes…“

„… würde nach Plänen von Kretschmann als satellitengesteuerte Technologie zum Abbau der Druckkosten für Aufkleber aus biologisch nicht abbaubarer Kunststofffolie…“

„… brachte Seehofer die Idee einer EU-weiten Pkw-Maut ins Spiel. Die in Bayern hergestellten technischen Güter würden beim Export in den ganzen Euro-Raum einen Wirtschaftsaufschwung nach sich ziehen, der zwar die Sparmaßnahmen in den übrigen Ländern nicht…“

„… für den ADAC nicht diskutabel. Der Verband beharrte darauf, man würde einer neuen Dieselbesteuerung und strengeren Lärmgrenzwerten ohnehin nicht zustimmen, könne aber bei der Aufhebung aller Geschwindigkeitsbegrenzungen in Deutschland eine Lkw-Maut auch in die…“

„… nur dann einverstanden, wenn die mit der Überwachung der Lastkraftwagen aufgezeichneten Daten auch einer Mindestspeicherfrist unterlägen. Bundesinnenminister Friedrich betonte, es bedürfe der Daten unbedingt auch bei Personenkraftwagen, da nur so eine wirksame Bekämpfung des Terrors auf den deutschen Autobahnen…“

„… nannte Seehofer den Anteil ausländischer Fahrzeuge auf deutschen Straßen alarmierend, da ohne belastbare Statistiken keine Aussage darüber getroffen werden könne, ob etwa niederländische Autos mehr Asphaltschäden verursachten als…“

„… würde für den Bundeswirtschaftsminister eine Maut nur dann sinnvoll sein, wenn sie auf Kleinwagenfahrer beschränkt bliebe, da sich Besitzer leistungsstarker Autos bereits durch die Absenkung der Kraftfahrzeugsteuer an den…“

„… schlug Schäuble vor, die bei der Entlastung eingesparte Summe wie gewöhnlich durch eine erhöhte Tabakbesteuerung, ansteigende Krankenkassenbeiträge und den doppelten Soli…“

„… sich nicht ausschließen – Bosbach schlug vor, die eigentlich zur Überwachung der Ruhezeiten von Lkw-Fahrern aufgezeichneten Daten auch zur Überwachung von Pkw zu verwenden und im Gegenzug auf die Datenerhebung in Lastern zu verzichten, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Speditionsunternehmen nicht…“

„„… ein Aufkommen von bis zu fünf Prozent ausländischem Verkehr auf deutschen Straßen vermutet. Spekulationen, der Anteil deutscher Fahrzeuge in den Niederlanden sei proportional höher, wies Ramsauer als irrelevant…“

„… dürfe, so Rösler, nur dann von der Koalition beschlossen werden, wenn im Gegenzug eine Senkung der Mineralölsteuer um 0,3 Prozentpunkte durchgeführt und von der Kanzlerin ein epochales Ereignis und gehaltenes Wahlversprechen genannt würde, am besten im Rahmen eines ökumenischen Dankgottesdienstes während der von den Liberalen veranstalteten…“

„… drohte Ramsauer der CDU damit, den Güterverkehr langfristig ganz auf die Schiene zu verlagern. Die Deutsche Bahn AG lehnte diese Überlegung entschieden ab; man könne erst bei einer Auslastung des Zugverkehrs nahe der Null-Prozent-Marke auf einen baldigen Börsengang…“

„… entwarf Uhl ein satellitengestütztes Sicherungssystem für die deutschen Autobahnen. Der Vorteil, so der CSU-Innenexperte, sei der integrierte Trojaner, um bei Reisebus-Entführungen durch Fernsteuerung des Navigationssystems die Täter in die Falle zu…“

„… werde nach Aussage Ramsauers auch dann möglich sein, wenn die Lkw-Maut ausschließlich auf Personenkraftwagen erhoben würde – im Gegenzug bliebe die Pkw-Maut wie vorgesehen den Personenkraftwagen vorbehalten. Ein Mehraufkommen sei so lediglich bei der Kfz-Steuer zu…“

„… mit der Lösung für das Speditionsgewerbe, dass eine Maut nicht mehr erhoben würde, eine Speicherung der Verkehrsdaten jedoch als Ausgleich bei Telefon- und Internetanschlüssen vorgenommen werden solle, da dies eine wirksame Aufklärung von Auffahrunfällen noch…“

„… doch wiegelte René Obermann alle Sicherheitsbedenken bereits im Vorfeld ab: die Deutsche Telekom AG werde wie vereinbart zum Preis von 15 Milliarden Euro, zahlbar in mehreren Raten zu je 20 Milliarden sowie einem Abschlag von 33 Milliarden Euro, mit höchstens fünf Jahren Verspätung ein komplett funktionsunfähiges System liefern, mit dem eine Datenübermittlung so gut wie ausgeschlossen…“





Null, Null, Sieben

23 11 2011

„Eigentlich wollten Sie nicht arbeiten und können auch gar nichts? und Ihr Bewährungshelfer geht Ihnen auch langsam auf die Nerven? Großartig! Sie haben alles richtig gemacht.

Von den Ein-Euro-Jobs sind wir ja größtenteils runter. Bringt nur Unfrieden. Seitdem wir diesen Linksruck in der CDU haben – Sie wissen schon, die von der Leyen zitiert bald das Kommunistische Manifest, und die Schröder kommt dann mit der Weihwasserpistole angeweint – seitdem die Merkel alles auf Sozialismus trimmt, geht das nicht mehr. Ausbeutung der Arbeiterklasse, nicht wahr, das ging nur unter der konservativen SPD, jetzt nicht mehr. Aber die sind ja auch nicht doof, die wissen ja auch, wenn sie in zwei Jahren weg sind, dann muss einer ihre Rente bezahlen. Und dafür haben sie ein paar Jahre zu lang die falsche Karte gespielt.

Nein, keine Billigjobs mehr. Wir brauchen viel mehr Arbeitsplätze nach heutigem Vorbild. Solche, bei denen Arbeit und Entlohnung in keinem Verhältnis mehr zueinander stehen. Was war das bei Ihnen, Körperverletzung und Waffenbesitz? Reicht nicht, um Sie zum Investmentbanker umzuschulen. Und für einen Politiker sind Sie dann doch eher zu normal. Eine gewisse kriminelle Energie mag vorhanden sein, das will ich nicht ausschließen, aber die Weiterbildungsmaßnahmen dauern dann doch zu lange. Nein, das wird nichts. Machen Sie es besser so wie die anderen aus dieser Abteilung. Gehen Sie in den Staatsdienst. Arbeiten Sie für unser Land. Werden Sie Faschist und tun Sie etwas für die Freiheitlich demokratische Grundordnung.

Der Verfassungsschutz braucht jederzeit neue V-Leute. Natürlich, Sie sollten schon ein bisschen überzeugt sein. Wenn Sie schon mal einen gewissen Fundus mitbringen, wäre das nicht schlecht. Diffuse Fremdenfeindlichkeit. Latenter Antisemitismus. Islamophobie, das ist natürlich das Beste. Absolut zukunftskompatibel, da sind Sie auch in den Kameradschaften und den autonomen Gruppen up to date. Und dann natürlich globalisierungskritisch – aber nicht so wie Geißler oder die anderen Linken, das fällt am Ende doch auf, lieber so wie die CSU. Aber geben Sie sich bloß nicht zu erkennen. Die Bundesregierung mag das nicht.

Unsere Abteilung heißt so. Können Sie sich leicht merken, wenn Sie mal Kontakt aufnehmen wollen. Wir sieben. Ganz zum Schluss kommen die Nullen unter den Nullen raus, die Doppelnullen sozusagen. So einer wie Sie. Genau das, was wir brauchen. Dumm genug, um den brauen Laffen hinterherzustapfen, und gerade noch so intelligent, dass Sie einen Barscheck einlösen können.

Machen Sie sich da keine Sorgen, es geht ja nicht um Straftaten. Sie bereiten größtenteils nur vor. Und da wir Sie großzügig mit Waffen und falschen Papieren ausstatten, dürften Sie auch keine Probleme innerhalb Ihrer Gruppe haben.

Sind Sie Arier? Nein, nicht böse sein, aber wir fragen das routinemäßig. Soll ja nicht heißen, dass die Ausländer uns irgendwann auch im Untergrund die Arbeitsplätze wegnehmen.

Führungsoffiziere? Sie sind wohl vor der Mauer falsch abgebogen? Lustig ist das Informantenleben! Sie sind in allererster Linie ihrem Gewissen verantwortlich, genau wie Abgeordnete – also wissen Sie ungefähr Bescheid? Und dann sind Sie natürlich den Landtagsabgeordneten Rechenschaft schuldig. Und den Mitgliedern des Deutschen Bundestages. Sobald die sich bei Ihnen melden, obwohl keiner wissen darf, dass Sie V-Mann sind, müssen Sie alles sagen. Bis auf die Sachen, die Ihnen zu geheim sind. Das ist demokratisch, oder? Jedenfalls erwarten wir von Ihnen keine Arbeit. Sie dürfen das Geld auch so einstecken. Das ist jetzt ein Unterschied – wenn Sie noch daran gewöhnt waren, im Ein-Euro-Job Arbeit ohne Bezahlung zu leisten, hier ist das andersherum. Im Grunde brauchen wir Sie bloß, damit wir sagen können, dass Sie da sind. In der NPD. Als V-Mann.

Die Extremismusklausel gilt ja nicht für Sie, sondern nur für Ihre Bekannten. Oder für die Leute, denen Sie zuarbeiten. Und wenn darunter gerade keine Linken sind, haben Sie nichts zu befürchten.

Praktika haben wir auch. Falls Sie sich die Sache noch mal überlegen wollen, können Sie dann beispielweise den Kompaktkurs Straßenkampf für eine Bundeswehr-Grundausbildung anrechnen lassen, und sobald die Verschmelzung von Armee und Polizei durch ist, können Sie sich aussuchen, auf welcher Seite der Demonstration Sie stehen. Und wenn Sie die NPD durchgespielt haben, können Sie an der Sonderverlosung teilnehmen. Am Ende winkt Ihnen ein Hauptschulabschluss und Sie werden bei der Arge bevorzugt behandelt. Ist das nicht verlockend?

Sie sind wichtig für den Arbeitsmarkt, verstehen Sie? Das ist wie mit den Ingenieuren, die jeweils eine Menge Fabrikarbeiter brauchen. Sie als V-Mann generieren eine bestimmte Menge an NPD-Mitgliedern. Können Sie mir folgen? Jedes NPD-Mitglied erzeugt eine gewisse Menge an anderen Neonazis – oder es geht direkt, wenn die NPD verboten wird, wie auch immer. Und jeder Neonazi braucht eine Menge Verfassungsschützer. Jeder Verfassungsschützer braucht eine Unmenge an Politikern, die sich über ihn aufregen. Und jeder Politiker vergibt dann eine Menge Aufträge an die Sicherheitsindustrie. Sie sind kriegsentscheidend. Und wenn Sie mal untertauchen müssen, schulen Sie einfach auf autonome Linke um, wissen Sie – früher oder später ist ja immer Wahlkampf.“





V – Der Versucher

22 11 2011

05:45 – Die elektronische Weckuhr in Form einer Handgranate aus dem Industriekombinat Sieg des Großen Führers über die dem Tode geweihten Imperialisten (Demokratische Volksrepublik Korea) fiept die protokollarisch korrekte dritte Strophe der deutschen Nationalhymne. Noch im Halbschlaf summt Hans-Peter Friedrich mit. Niemandem fällt auf, dass es die erste Strophe ist. Wieder ein Tag, an dem der Verfassungsschutz nicht weiß, was vor sich geht.

06:11 – Kritisch mustert der Bundesinnenminister sein Spiegelbild. Das hatte bis vor ein paar Jahren noch ganz anders ausgesehen. Er nimmt sich vor, eine Sicherheitsüberprüfung zu beantragen, um einen terroristischen Hintergrund ausschließen zu können – sofort nach dem Ende der Legislatur.

06:32 – Auf dem Weg ins Ministerium fällt dem Behördenleiter ein, dass sein neues Smartphone, das bereits alle nötigen Rufnummern enthält, noch auf dem Küchentisch liegt, während sich in seiner Jackentasche sein altes Mobiltelefon befindet. Alle Nummern darauf sind bereits gelöscht, da der CSU-Hardliner niemals eine Raubkopie digitaler Daten vornehmen würde.

06:46 – Ankunft im Ministerium. Der Arbeitstag beginnt mit einer ärgerlichen Panne: obwohl Ministerialsekretärin Julia T. noch am Vorabend das Fehlen von Kondensmilch moniert hatte, hielt der Staatsschutz den Einkauf in letzter Sekunde zurück. Der Kaffee muss warten. Friedrich mag’s nur braun.

07:14 – Helle Aufregung im Chefbüro. Auch das neue Smartphone ist nicht mehr da. Friedrich greift zu einem Trick, den er sich beim Geheimdienst abgeschaut hat: er ruft sich selbst an. Niemand nimmt ab. So ein Ärger!

07:38 – Büroleiterin Carla M. findet Milchreste im Kühlschrank der Teeküche. Die Portionspäckchen waren bei der Suche durch Ministerialmitarbeiter zuvor nicht entdeckt worden, da sie sich ganz am rechten Rand befanden.

08:01 – Endlich Kaffee. Friedrich nimmt seinen Tagesplan in Angriff und verteilt die Aufgaben bis zur Mittagspause: Evaluation der Terrorfahndung in der Europäischen Union zu Kenntnis nehmen, Bericht der Landeskriminalämter zum abgelaufenen Quartal lesen, Vorratsdatenspeicherung fordern.

08:17 – In einer ersten Presseerklärung des Tages stellt der Bundesminister des Innern klar, dass es keine historischen Anzeichen dafür gebe, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Im Einzelgespräch mit Journalisten betont er hinterher, der Islam gehöre zu den Weltreligionen, Deutschland leider noch nicht. Den Unterschied gelte es zu bedenken.

08:28 – Etatplanungen im Bundeskriminalamt erfordern eine schnelle Entscheidung. Die Preise für Vierfarbkugelschreiber ziehen empfindlich an, doch für Friedrich ist nichts zu teuer. Mutig fordert er, BKA und Bundeswehr zusammenzulegen, um gemeinsam Internetausdrucke für mehr Synergie zu nutzen.

08:52 – Fahnder aus Zwickau informieren das Ministerium, in der ausgebrannten Hausruine habe man mehrere Telefonkabel sichergestellt. Hastig ruft Friedrich die bereits abrückenden Journalisten zurück und teilt ihnen mit, diese Explosion sei in Wahrheit im Internet geboren worden.

09:05 – Die Pressemappe des Tages enthält mehrere Zeitungsartikel zur Situation in den arabischen Staaten. Friedrich diktiert ein Schreiben an Baschar al-Assad, um die Sicherheit innerhalb der EU zu gewährleisten. Als erste Maßnahme empfiehlt er dem syrischen Präsidenten, alle gewaltbereiten Muslime abzuschieben.

09:27 – Neue Planung, um das verschwundene Telefon zu finden: Hausdurchsuchung bei sämtlichen verdächtig erscheinenden Personen. Ein Spezialeinsatzkommando der Berliner Polizei macht sich bereit, um den Brennpunkt des Terrors zu erstürmen.

09:46 – Telefonkonferenz mit der Deutschen Lufthansa AG. Die Marketingabteilung beklagt die sinkenden Passagierzahlen. Der Sicherheitsminister verspricht dem Transportunternehmen, bei der neuen Kundenbindungskampagne behilflich zu sein; die Ausdrucke der Fluggastdatenspeicherung blockieren sowieso schon seit Monaten das halbe Untergeschoss.

10:09 – Unter Einsatz von Blendgranaten erstürmt das SEK Hans-Peter Friedrichs Privatwohnung. Innerhalb von nur vierzig Sekunden gelingt es der 30-köpfigen Mannschaft, das komplette Mobiliar in Schutt und Asche zu zerlegen. Einsatzleiter Frank I. funkt ins Ministerium: negativ. Zielperson nicht angetroffen.

10:52 – Ein deutsches Nachrichtenmagazin lässt sich durchstellen; es geht um das Justizministerium. Bevor der Redakteur die Frage stellen kann, fordert Friedrich die sofortige Absetzung von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die nur das Ziel verfolge, Tariflöhne, Erdbeben und Demokratie zu verbreiten. Über eine mögliche Terminkollision der Weihnachtsfeiern beider Bundesbehörden äußert sich der CSU-Politiker nicht.

11:03 – Das LKA Baden-Württemberg gibt bekannt, es habe sich bei dem Mord an der Polizeibeamtin 2007 um eine Beziehungstat aus dem rechtsextremistischen Milieu gehandelt. Friedrich gibt an, er habe seinerzeit sofort aus der Bezeichnung Heil Bronn auf einen nationalsozialistischen Hintergrund geschlossen.

11:26 – Beim Gang zum Aufzug rutscht der Innenminister auf dem frisch gebohnerten Parkett aus. Als Mann der Tat fordert er unverzüglich ein NPD-Verbot, damit seien alle Probleme gelöst.

11:40 – Friedrich bekräftigt sein Angebot, einen Nichtangriffspakt im Internet schließen zu wollen. Solange Piraten, Bundesverfassungsgericht und der Chaos Computer Club seinen Vorstellungen entsprächen, wolle er sie nicht durch im Internet geborene Straftaten schädigen. Höchstens durch eine routinemäßige Quellen-TKÜ.

11:57 – Dicke Aktenberge hindern den Minister daran, die Kantine aufzusuchen. Stattdessen lässt er sich die Speisekarte aus dem Intranet ausdrucken. Dennoch sagen ihm Würstel mit Kraut, Leberkäs und Schweinshaxe nicht zu. Er ignoriert aus Gewohnheit die bayerischen Landgerichte.

12:09 – Die vom Catering gelieferte Tomatensuppe kleckert an der dünnen Papierserviette vorbei auf die Hosenbeine. Friedrich wittert eine Schutzlücke und beschließt sofort, die Vorratsdatenspeicherung zu fordern.

12:32 – Auf Anfrage des Ma’ariv, wie die bundesrepublikanischen Sicherheitsbehörden mit nationalsozialistischen Gruppen umzugehen gedenke, antwortet der Minister, er werde sich des Themas demnächst annehmen. Bis dahin gehöre das aber historisch nicht zu Deutschland.

12:43 – Der Evaluationsbericht zur Anti-Terror-Gesetzgebung liegt vor. Sämtliche Maßnahmen werden als überflüssig, kostenintensiv und in hohem Maße grundrechtsschädigend beschrieben. Hans-Peter Friedrich findet die Zusammenhänge nicht und fordert zur Aufklärung eine sofortige Online-Durchsuchung.

13:00 – Gemeinsam mit den Innenministern der unionsgeführten Länder beschließt der Kabinetts-Lautsprecher, ein Qualitätsmanagement für V-Leute durchzusetzen: Glatzen nur noch aus natürlichem Haarausfall, ergonomische Hilfestellung beim Schießtraining, Einüben des Hitlergrußes unter Betreuung durch staatlich geprüfte Eurhythmiker.

13:22 – In einer Pressemitteilung teilt der Minister der Presse mit, die Ermittlungsakten von Neonazis länger als bisher aufzubewahren. Die aktuelle fünfjährige Speicherfrist habe sich nicht bewährt, dies zeige der Vergleich von Daten aus den Jahren 2010, 1992 und 1979.

13:39 – Während eines kurzen Telefonats mit der Bundeskanzlerin kommt Friedrich eine brillante Idee, mit der die Sicherheit auch ohne ein intaktes Diensthandy gewährleistet sein wird: ein Zentralregister für Fernrufnummern. Der Minister delegiert an seinen Mitarbeiterstab, sofort eine Konferenz mit sämtlichen Telefonprovidern der Welt zu organisieren.

14:04 – Der pünktlich zur vollen Stunde bestellte Journalistentross, vor dem Friedrich ein Verbot der NPD fordern wollte, ist nicht eingetroffen. Wie sich später herausstellt, erholen sich die Pressevertreter noch von einer Veranstaltung mit Westerwelle. Der Innenminister meistert die Situation, indem er eine Presseerklärung herausgibt, in der er die anlasslose Vorratsdatenspeicherung fordert.

14:19 – Friedrich widerspricht Pressemitteilungen, nach denen er die sofortige Zusammenlegung von Bundeswehr und Polizei gefordert haben solle. Er betont, dass die Zusammenlegung ohne MAD, BND und Verfassungsschutz nicht sinnvoll sei und aus buchungstechnischen Gründen auch erst im Januar des kommenden Jahres erfolgen könne.

14:28 – Der Innenminister schlägt den Muslimen eine Sicherheitspartnerschaft vor. Zur Verhinderung von Straftaten mit Beteiligung von Ausländern setze er vermehrt auf freiwillige Auswanderung von Nichtdeutschen und wolle im Gegenzug nicht durch Ermittlungen in Ausländerwohnbezirken stören.

14:36 – Das Netz darf kein rechtsfreier Raum sein. Zur Durchsetzung strafrechtlicher Maßnahmen fordert der Innenminister, dass lautes Hupen nach 22:00 Uhr auch im deutschen Internet künftig streng verboten sein müsse. Man dürfe nicht online akzeptieren, was außerhalb der Computer den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden geeignet sei.

14:49 – Friedrich erfährt die unangenehme Botschaft als erster: die Opposition wünscht einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, um die Mordserie der Zwickauer Terrorzelle aufzuklären. Er zieht eilig ein kleines Notizheft aus der Schreibtischschublade hervor, um einen passenden V-Mann für den Ausschuss auszuwählen. Beim Weglegen des Büchleins fällt ihm ein Umschlag in der Schublade auf, in dem sich 100.000 Mark in Bar befinden.

15:05 – Nach Aussage des Ministers solle die Bundesregierung demnächst ein Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus einrichten. Die abgewehrten Fälle würden dann gar nicht erst ins Ministerium gemeldet, sondern gleich auf den Polizeidienststellen versehentlich in den Reißwolf gesteckt.

15:23 – Die für Ende der Woche geplante Fusion von Bundeswehr und BKA entfällt nun doch. Dem Ministerium war es nicht gelungen, Fremdenlegion und Bilfinger Berger in den neuen Konzern zu integrieren.

15:50 – Auf der Fahrt ins Bundeskanzleramt trifft Friedrich eine kurzfristige Verabredung mit dem neuseeländischen Botschafter. Das Telefon hatte er auf dem Rücksitz seines Dienstwagens gefunden. Der Minister vermutet eine Verschwörung verfassungsfeindlicher Kräfte. Außerdem hatte man ihn ständig aus seinem Büro anzurufen versucht. Das können nur Stasispitzel gewesen sein.

16:04 – Der Bundesinnenminister gibt den anwesenden Journalisten zu verstehen, Neuseeland sei historisch kein Teil von Deutschland. Das rechtfertige keine sofortige Einführung der Vorratsdatenspeicherung, es erfordere vielmehr die sofortige Einführung von Vorratsdatenspeicherung, Online-Untersuchung und Körperscannern.

16:33 – Der Innenausschuss ruft an und fordert das Ministerium auf, Widersprüche aufzuklären über das in Zwickau explodierte Wohnhaus, aus dessen Trümmern nach einem zehnstündigen Brand USB-Sticks und DVD-Hüllen unversehrt sichergestellt worden waren. Friedrich erkennt Zusammenhänge mit den Personalausweisen der Terroristen des 11. September, die ebenfalls intakt im Schutt des World Trade Center gefunden wurden. Es könne sich daher beim Nationalsozialistischen Untergrund nur um eine islamistische Terrorzelle handeln.

16:56 – Freude im Haus Friedrich! Der Chef sortiert begeistert einen Stapel Internetausdrucke. Axel E. Fischer, Unionsexperte für dieses Internet und Sachen, von denen er auch nicht viel mehr versteht, hat eine Menge Forderungen geschickt. Der Bayer plant ein freies Wochenende.

17:04 – Der Integrationsfolgenminister präzisiert seine Vorstellungen von Sicherheitspartnerschaft gegenüber den Muslimen. Wer den regierenden Sicherheitsbehörden Namen und Anschrift einer möglicherweise nicht unverdächtiger Personen muslimischer Rassezugehörigkeit nennen könne, die verdächtigt würden, verdächtigt zu werden, dem würde die deutsche Staatsbürgerschaft nachträglich nicht mehr aberkannt. Zur Qualifikation schlug er vor, die Personen nach intensiver Schulung mit Aufnähern in Form eines grünen Halbmondes zu kennzeichnen. Dies sorge für Akzeptanz bei den Sicherheitsdiensten.

17:20 – Der Verfassungsminister fordert mehr Anstrengungen in der schulischen Integration. Auch bildungsferne Schichten müssten zur Assimilation in die deutsche Leitkultur frühzeitig die wichtigsten Ausdrücke der Umgangssprache beherrschen wie „Bitte“, „Danke“ und „Jawohl, mein Führer“.

17:47 – Fast ist der Tag geschafft; Friedrich fordert noch eben schnell ein NPD-Verbot.

18:10 – Kein Feierabend für den Minister, er muss einer Presseanfrage widersprechen, dass im Falle der beiden erschossenen Zwickauer Neonazis kein Fremdverschulden vorgelegen habe. Friedrich gibt die Erklärung ab, es handle sich möglicherweise um zwei V-Leute, die nach dem üblichen Prozedere abgeschaltet worden seien.

18:35 – Der Innenausschuss lässt durch seinen Vorsitzenden Wolfgang Bosbach ausrichten, der Verfassungsschutz müsse wieder federführend sein im Bereich Rechtsextremismus. Angesichts der Erfolge des NSU beharrt Friedrich darauf, dies sei bereits der Fall.

19:12 – Auf der Fahrt zur Talkshow erhält der Bundesinnenminister das Angebot, die Moderation von Wetten, dass…? zu übernehmen; er sei derzeit das am besten geeignete TV-Gesicht, um dem Publikum ein absurdes, unlogisches und komplett überflüssiges Programm anzukündigen. Friedrich ist verärgert. Noch mehr verärgert ist er allerdings darüber, dass Pleiten, Pech und Pannen bereits an Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm vergeben ist.

19:48 – Interview für die Tagesschau. Als Ressortchef für die deutsche Kultur, die in diesem Jahr mit Tanzveranstaltungen, Skulpturen- und Lyrikwettbewerben aus Kasachstan, Peru und dem Senegal vertreten ist, fordert der bayerische Weltbürger ein anlassloses NPD-Verbot zum Schutz vor den regierenden Sicherheitsbehörden.

20:06 – Immer noch keine Ruhe, jetzt entdeckt die Presse nach dem Suizid von Böhnhardt und Mundlos Spuren, die dem Bundesnachrichtendienst zugeordnet werden können. Friedrich betont, es habe sich mit Sicherheit lediglich um Amtshilfe gehandelt.

20:23 – Die Talkrunde nimmt an Fahrt auf. Experten, Betroffene und Hans-Peter Friedrich sprechen zum Thema Krebsfrüherkennung. Der Minister fordert die Vorratsdatenspeicherung.

22:40 – Friedrich widerspricht entschieden der Frage eines Journalisten, ob ein im Bundesnachrichtendienst beschäftigter V-Mann in Thüringen das Bernsteinzimmer gefunden habe. Der Bundesminister weist darauf hin, dass beim BND überhaupt keine V-Leute eingesetzt würden.

22:59 – Auf der Rückfahrt nach Hause wird Friedrich mitgeteilt, dass sich mehrere Exemplare der Paulchen-Panther-DVD aus der Zwickauer Neonazigruppe bereits in Umlauf befinden. Er erkennt sofort Handlungsbedarf, da hier eine böswillige Verletzung von Urheber- und Leistungsschutzrechten vorliegt, die sofort den Einsatz von Stoppschildern im Internet zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Sportwetten erfordern.

23:23 – Der Bundesminister des Innern kommt in seiner Wohnung an. Die lose in den Angeln hängende Eingangstür ist mit Flatterband gesichert, davor stehen Sicherheitsbeamte, die sich ganz unauffällig als Cowboys, Fleischereifachverkäufer und Friedrich der Große verkleidet haben. Der Politiker zieht sich zurück, um unter den wuchtigen Klängen des Bayerischen Defiliermarsches ein kurzes Nachtgebet zu sprechen.

23:54 – Terror! Friedrich findet seine Filzpantoffeln nicht. Gleich am nächsten Tag wird er seinen V-Mann anrufen, um eine Online-Durchsuchung seiner Wohnung durchführen zu lassen. Erschöpft sinkt er in die Kissen, drückt den Weckknopf seiner Handgranatenuhr und entschlummert sanft.





Auf die linke Tour

21 11 2011

„Wir würden Ihnen ja liebend gerne helfen, aber uns sind da leider die Hände gebunden. Die Frau Ministerin hat angewiesen, dass wir nur reuige Opfer verfassungsfeindlicher Organisationen mit Sachmitteln und therapeutischer Hilfe unterstützen dürfen. Sie sitzen zwar ziemlich in der Tinte, das nehmen wir Ihnen sofort ab – aber es tut uns sehr Leid, als CDU-Mitglied dürfen wir Ihnen wirklich nicht helfen. Keine Chance.

Klar, die Demokratie stärken wollen wir doch alle. Wir haben uns da auf unsere aktuellen Phrasen geeinigt, die auch die Frau Bundeskanzlerin gerade so ausgiebig benutzt. Das mit dem Kompass und das mit der Nachhaltigkeit. Also mit dem Kompass immer stur nach rechts, und Nachhaltigkeit – naja, Sie wissen schon. Wir haben inzwischen kapiert, dass Multikulti absolut gescheitert ist, deshalb sind wir ein weltoffenes Land, das mehr Zuwanderung braucht, um die Arbeitslosenquote aufzufüllen. Das ist jetzt offizielle Parteilinie in der CDU. Das klingt zwar, als hätten wir das mit den Drogen auch gleich geklärt, aber so ist das eben. Wir haben halt eine Schwäche für Extreme.

Als CDU-Anhänger können wir Ihnen da nicht mehr viel abnehmen. Sie kommen zu spät, die Geschichte straft bereits. Früher? ja, früher – wenn Sie vor zwei, drei Jahren die Wehrpflicht hätten abschaffen wollen oder die Atomkraft, wenn Sie pleite gegangene Banken hätten aufkaufen und verstaatlichen wollen, oder wenn Sie auch nur ein Wort von Mindestlohn in den Mund genommen hätten, da wären Sie aber sofort als Kommunist durchgegangen. Da hätten wir Sie beobachtet und Ihren Arbeitgeber informiert und Ihre Nachbarschaft und hätten Ihre Briefe abgehört und das Telefon geöffnet – Sie kommen zu spät, die Frau Bundeskanzlerin hat inzwischen auch erkannt, dass in der Deutschen Demokratischen Republik nicht alles schlecht gewesen ist. Das Verständnis von Demokratie beispielsweise erscheint ihr stärkungswürdig. Und die Extremismusklausel, die ist natürlich auch gelebte Verantwortung. Für die Störer. Oder wie Sie es vielleicht nennen würden: Sippenhaft.

Politisches Asyl? Sie sind der Meinung, wenn die Frau Ministerin sagt, jeder, der es nicht gerecht findet, dass ein Zehntel der Bevölkerung über 50 Prozent des Steueraufkommens leistet – nein, der es gerecht findet, dass – also wenn Sie der Meinung sind, das sei nicht gerecht, aber aus anderen Gründen, als es die Frau Ministerin nicht gerecht findet? Dann sind Sie linksradikal. Oder wenn Sie gegen Formen der Überwachung sind, die das Bundesverfassungsgericht als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar bezeichnet hat, dann sind Sie auch linksradikal. Da ließe sich etwas drehen. Als Linksradikaler könnten wir Sie observieren und abservieren, und dann könnten Sie austreten. Aber politisches Asyl, weil Sie das Gefühl haben, mit Geistesgestörten in einer Partei zu sein? Das reicht nicht. Auch nicht, wenn es die CDU ist.

Sie müssen das mal zu unterscheiden lernen. Wir observieren ja generell nur diese Linken, die wollen nämlich Banken verstaatlichen, so wie die Frau Bundeskanzlerin. Sie übertreiben, wenn Sie bei jeder Äußerung von unseren Innenexperten annehmen, dass die irgendwelche Schwierigkeiten mit der Verfassung hätten. Die treffen sogar recht genau. Die können nämlich zielen. Und das nennt man in diesem Land ja wohl ein unverkrampftes Verhältnis zur jüngeren Geschichte, oder?

Das ist doch auch schon ein ganz hübsches Zeichen gegen Extremismus, wenn die Junge Union Köln in Berlin aus Bundesmitteln Komasaufen üben darf. Erstens ist das sowieso für die meisten Jugendlichen der Grund, in die Junge Union zu gehen – seien Sie mal ehrlich, würden Sie sich mit diesen unterbelichteten Knalltüten in die Kneipe setzen? – und zweitens ist das eine Maßnahme, um den Jugendlichen mal deutsche Leitkultur beizubringen. Diese ganzen Islamisten, die trinken ja nicht mal Bier, wie sollen wir die integrieren? Da müssen wir halt bereit sein, mit gutem Beispiel voranzugehen. Auch wenn’s mal wirklich wehtut.

Also Sie meinen, wir müssten Sie aufnehmen, weil diese präventive Ignoranz gegenüber den Neonazis eventuell nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes stehen könnte? Ist Ihnen klar, was Sie da sagen? Es geht doch gerade um Prävention! Diese Jugendlichen brauchen feste Werte, die kann man nicht einfach sechzig Jahre lang in Ruhe lassen und dann plötzlich so tun, als sei hier plötzlich die Demokratie ausgebrochen. Man muss doch auch rechtsstaatlich bleiben, Sie können doch nicht von uns verlangen, dass wir diese Jugendlichen für Mölln, Solingen und Hoyerswerda verurteilen – das waren doch möglicherweise ganz andere? Hallo!?

Was heißt hier, wir würden die Neonazis dafür bezahlen, dass sie unser Land kaputt machen? Das halte ich doch für etwas kurzsichtig. Schauen Sie mal, das läuft bei uns wie bei den Amerikanern, die ja gar nichts falsch machen können: die haben auch die Taliban unterstützt, und sie sind ihnen bis heute dafür dankbar. Die Sicherheitsindustrie hat viele börsennotierte Unternehmen. Irgendeiner muss halt auch für die Rendite sorgen.

Dann versuchen wir es auf die linke Tour. Hat es in Ihrer Familie vielleicht schon einmal Fälle von Sympathie gegenüber Kommunisten gegeben? Ihr Großvater hat Willy Brandt gewählt? Das könnte man eventuell gelten lassen. Wir speichern da zur Vorsicht mal Ihren Namen. Aber wie gesagt lassen Sie die CDU aus dem Spiel. Die hat es ja derzeit schwer genug – mit dem Grundgesetz.“