Inflationsausgleich

8 11 2011

„Einfach, niedrig und – hier, na! jetzt sag schon! Gerecht, genau! gerecht! Gerecht soll das sein, war mir nur nicht gleich eingefallen. Das kommt daher, dass wir in letzter Zeit eben nichts Gerechtes mehr auf der Liste hatten. Darum muss man sich ja auch nicht mehr kümmern. Deshalb würde ich jetzt auch nicht die Steuersenkungen so betonen, das wäre möglicherweise übertrieben. Nennen wir es eine Art vorsichtige Anerkennung des Zustandes unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Realität.

Weil eine Steuersenkung durchaus geht – wenn die Steuereinnahmeprognose tatsächlich so stimmt, hieße das, dass wir viel zu viel Steuern einnehmen, und dann könnten wir die Einnahmen auch wieder ausgeben. Die könnten wir dann verteilen, richtig? Als Ausgleich für die Einnahmen. Weil die ja in den vergangenen Jahren während der Krise erheblich gefallen sind und weniger als die Inflation eingebracht haben, deshalb müssen wir jetzt, wo wir weniger einnehmen, auch mehr ausgeben – das ist der Inflationsausgleich, verstehen Sie?

Für die unteren Einkommen ergeben sich jetzt natürlich ganz neue Spielräume. Ist ja klar, dass wir unsere eigenen Erfolge in der Wirtschafts- und Finanzpolitik mit den Bürgern teilen wollen. Das verstehen wir unter Steuergerechtigkeit: wenn der Staat sich gegen die Wand steuert, dann soll es den Bürgern im Land nicht besser gehen müssen. Also nicht besser als nötig. Dafür arbeiten wir ja. Und dafür arbeitet dann auch der Bürger. Wenn er denn Arbeit haben sollte. Und mit den Spielräumen, die wir ihm lassen, können die Bürger sich jetzt auch ganz neue Sachen nicht leisten.

Das ist eine Art Drauffeile. Wenn’s nicht passt, wird unten noch ein bisschen angesetzt. Beispiel Einstiegssatz, wenn Sie bisher keine Steuern gezahlt haben, haben wir die Steuersätze so an, dass Sie auch in Zukunft keine Steuern zahlen werden. Das nenne ich einfach, niedrig und gerecht. Ja, das nenne ich gerecht – gerade unsere liberalen Partner sind ja der Meinung, aus Gründen der Gerechtigkeit niemanden zu besteuern, der vorher keine Steuern gezahlt hat. Vorwiegend handelt es sich da um den Bereich der Leistungsträger, denn die haben ja Steuersätze, bei denen sich das Nichtzahlen überhaupt erst lohnt. Finden Sie das denn nicht auch großartig, dass wir unsere Spitzenverdiener mit einfachen Mitteln dazu bringen können, durch Nichtstun für finanzielle Gerechtigkeit zu sorgen? Für Lastenausgleich, der gerecht verteilt wird unter den Bürgern? Doch, das ist gerecht. Die einen kriegen die Lasten, die anderen den Ausgleich.

Oder nehmen Sie die Vergünstigungen bei den Freibeträgen. Die waren auch vorher nicht da, und da hat sich nicht viel geändert. Das ist das Einfache in der einfachen, niedrigen und gerechten Reform, verstehen Sie? Wenn sich so wenig wie möglich ändert, dann hat der Bürger auch die Sicherheit. Und wir haben die Sicherheit. Vor den Bürgern. Und von diesen zwei Milliarden Euro, die die Änderungen im Tarif ergeben werden, kann man ja eine gewisse Veränderung bezahlen, oder? Also nicht unsere, das dürfen Sie jetzt nicht erwarten.

Gut, den Grundfreibetrag hätten wir sowieso irgendwann erhöhen müssen, weil das so eine verfassungsrechtliche Vorgabe ist. Und es ist doch ganz schön, wenn das jetzt wir machen und nicht die nächste, ganz bestimmt auch bürgerlich-liberale Bundesregierung. Nein, wir wollten in dieser Legislaturperiode mal etwas Verfassungskonformes machen. Denn dass wir nachhaltig wirtschaften, das muss uns jetzt vor allen Dingen leiten. Die Opposition fordert ja, dass wir die Mehreinnahmen zum Schuldenabbau einsetzen, und da haben die auch ganz Recht. Wir werden mit der Entlastung von zehn Euro pro Monat ganz klar für eine weitere Steigerung des Aufschwungs sorgen, wie wir ja auch bisher den Aufschwung nur gehabt haben, weil sich alle auf die Entlastung gefreut hatten. Und dann haben wir sicherlich einen so großen Aufschwung, dass wir nachhaltig sind – das heißt, wie Sie an unseren jetzigen Plänen zur Entlastung sehen, wird es in Zukunft genug Schulden geben, die man abbauen kann, und deshalb nennen wir das auch eine besonders nachhaltige Finanzierung.

Weil wir ja an den Sozialleistungen jetzt nicht viel machen können. Das wäre entschieden zu teuer. Die Steuereinnahmeprognosen sind ja eher nicht so günstig, also werden wir da an den Sozialleistungen doch einiges machen müssen. Denn Sie wissen ja, wenn die Steuereinnahmen steigen, haben wir nicht mehr Geld zur Verfügung. Uns fehlt nur weniger.

Wenn Sie sich das einmal durchrechnen, welche Spielräume eröffnet werden fürs Betreuungsgeld, das macht natürlich noch einmal eine besondere Sparmaßnahme aus. Sie sehen, die Steuern, die die unteren Einkommen nicht bezahlen, die sparen sie auch nicht und müssen davon auch keine Kinder kriegen, und deshalb müssen wir denen kein Betreuungsgeld zahlen und kein Kindergeld und kein Elterngeld, und was das die Regierung bei den kleinen Gehältern alles spart – das ist unsere Form der Solidarität, dass gerade die Geringverdiener damit zur Entlastung der Leistungsträger in dieser Gesellschaft beitragen dürfen. Die Mittelschicht, die kann diese Steuerentlastungen ja auch brauchen. Das Geld geht drauf für die Demenzkrankenpflege, und dass Sie sich die jetzt leisten dürfen, ist doch ein toller Service von Ihrer FDP. Also nicht direkt von der FDP, aber die Versicherungen, die die private Pflege, für die Sie Renditen, Sie verstehen das schon, und deshalb muss das auch. Weil das einfach niedrig ist. Und gerecht. Und deshalb ist dies Konjunkturprogramm für die Versicherungen auch mittelbar eine Entlastung der Bürger, zumindest der Spitzenmanager, die sich immer noch nicht davon abhalten lassen, ihre Gehälter in Deutschland zu versteuern oder wenigstens da, wo Steuerhinterzieher ausgeliefert werden.

Wir mussten da jetzt einfach mal ein paar neue Akzente setzen, damit die Bundesregierung mit anderen Projekten in die Schlagzeilen gerät. Weil das mit den Steuersenkungen ja zwei Jahre lang inflationär gebraucht wurde. Betrachten Sie die jetzige Regelung also als Inflationsausgleich.“