Home, sweet home

14 11 2011

„Können Sie noch mal genau unter dem Gästebett nachschauen, ob da eventuell jugendgefährdende Medien sich befinden? oder etwaige Kennzeichen von verfassungswidrigen Organisationen? Und angereichertes Plutonium haben Sie auch keins im Haus? Dann entschuldigen Sie bitte die Störung, gnädige Frau – auf Wiederhören!

Das ist jetzt hier ja alles viel einfacher, seitdem wir den Bürgerbefragungsdienst haben. Sie müssen in der Polizeiarbeit heutzutage viel mehr mit den Bürgern zusammenarbeiten. Eine serviceorientierte Ermittlungstechnik, das ist die Zukunft unserer polizei- und nachrichtendienstlichen Arbeit. Wir sind nah bei den staatsbürgerlichen Subjekten, ganz nah dran. Ob die das nun wollen oder nicht. Wir bleiben da dran.

Teilweise sind es alte Beamten, teilweise haben wir aber auch ganz neue Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft geschaffen. Ja, das geht sehr gut. Wegen der Gehälter, die sind ungefähr da, wo jetzt diese Mindestlohnuntergrenze verlaufen sollte, oder sogar noch etwas – ach, verfassungsrechtlich? Sicher, wir sind doch nicht der Staat. Wir sind ja eine private Behörde, so wie GEZ und GEMA. Deshalb gibt es bei uns auch gar keinen Anlass, sich zu sorgen. Wir können gar nicht mit der Verfassung in Konflikt kommen, und das freut Sie doch sicher, oder haben Sie etwas zu befürchten?

Jetzt beschreiben Sie das bitte noch mal ganz genau. Der drückte sich im Hinterhof herum und hatte kleine, weiße Päckchen dabei? Und einen Bolzenschneider? Haben Sie auch genau gesehen, dass es Ihre Mülltonnen waren? Wegen der Beleuchtung, weil wir ja vorher schon – nicht Ihr Nachbar? Woher wussten Sie das denn? Eine Polizeiuniform? Und Sie haben ihn nicht gefragt, ob er echt ist?

Aber auf jeden Fall ist das hier viel besser als bisher. Und sehr viel genauer! Ja, das kann man sagen – schauen Sie bloß mal diese Erfolgsserie an, die die Ermittlungsbehörden da hingelegt haben, Polizei und Verfassungsschutz! Auf einen Streich so viele Döner-Morde aufgeklärt, ist das nicht einfach großartig? Also ich finde das großartig. Das macht uns so leicht niemand nach. Da ist uns gleichzeitig auch noch gelungen, eine ganze Serie von Polizistenmorden aufzuklären! Und das war ein vernichtender Schlag gegen die Nazi-Szene! Und wir haben den Terrorismus gestoppt! Mensch, jetzt seien Sie mal stolz, dass Ihre Sicherheitsbehörden neben dem vielen Regieren noch so toll ermitteln können! Vielleicht war’s ja wirklich vorbei, das ist richtig. Aber wenn wir den Bürgerbefragungsdienst damals schon gehabt hätten, dann wären wir noch viel dichter daran vorbeigekommen!

Und Sie haben keine Ahnung, ob Ihr Nachbar möglicherweise Verbindungen zum Drogenmilieu unterhält? Können Sie uns vielleicht sagen, wie er sich normalerweise kleidet? Pelzmantel? und fährt einen italienischen Sportwagen? Dann könnte er möglicherweise Staatssekretär sein oder in der Pharmaindustrie. Sollen wir Ihnen ein paar Kollegen vorbeischicken oder werden Sie mit der Situation selbst fertig? Ich frage nur, falls Sie bereits Beweismaterial gesammelt haben sollten. Man lässt ja nichts umkommen.

Sie sehen es ja selbst. Wenn es Terroristen gelingt, das ganze Land jahrelang in Angst und Schrecken zu versetzen, ohne dass es einer merkt, und wenn sie es sogar schaffen, dass sich die Polizeibehörden abfällig über eine Ausländerbande äußert, die es nicht einmal gibt, dann ist das doch ein Alarmzeichen! Dann muss man da doch etwas machen! Wir brauchen ganz neue Befugnisse, und vor allem: mehr davon!

Auf keinen Fall, wir schreiben nichts auf. Das geht nicht, eine Vorratsdatenspeicherung ist ja leider immer noch verboten. Deshalb sagen wir auch öffentlich, dass wir keine Daten auf Vorrat speichern – wir halten sie für eine Mindestfrist vorrätig, aber speichern tun wir nichts. Sagen wir. Und wir machen das hier ganz transparent. Wir stehen öffentlich dazu, dass wir aufgrund der politischen Lage in einer verfassungsrechtlichen Grauzone stehen. Damit wir uns auch weiterhin in einer verfassungsrechtlichen Grauzone aufhalten können. Das ist dem Bürger gegenüber nur fair. Wenn wir dem Bürger das Gefühl geben, dass diese Hausdurchsuchung nur eine Maßnahme der Kriminalprävention ist, dann können wir die Hausdurchsuchung auch leichter als kriminalpräventive Maßnahme durchsetzen, verstehen Sie? Das macht es für die Ermittlung nämlich viel leichter. Also wenn wir präventiv kriminell werden können.

Bei den schweren Fällen haben wir natürlich auch Servicepersonal, das sich zu Ihnen begibt – die sind Ihnen dann behilflich beim Durchsuchen Ihrer Wohnung. Und ganz ohne Polizei, Sie werden also garantiert nie Ärger mit Ermittlungsbeamten haben!

Vor allem arbeiten wir weiterhin trojanerfrei, vollständig. Da achten wir genau drauf, dass sich zu uns keinerlei Fachleute verirren. Und wir verhalten uns da weiterhin rechtskonform. Wenn wir mit unseren Ermittlungsmethoden gegen das Strafrecht verstoßen, dann geben wir dem Justizministerium sofort Bescheid, wo es sich an unsere Methoden anzupassen hat.

Im Halteverbot? Schon über eine Minute? Und das Auto sieht so aus, als ob ein Straftäter damit fahren könnte? Letzten Montag?`Bleiben Sie ganz ruhig! Wir sind sofort da!“