Gernulf Olzheimer kommentiert (CXXVIII): Partnerwahl

18 11 2011
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Wer mag es besser haben, Amöbe oder Hirsch? Der Einzeller weist einen Zellkern auf, verzichtet aber auf unhandliches Zubehör wie Gehörn und Hufe, was in seiner Konfektionsgröße auch selten zu finden ist. Der Cervide hingegen genießt den Luxus der individuellen Existenz, eingedämmt durch stets im Rudel manifestierte Sozialstrukturen sowie den existenziellen Zwang, seine höher organisierte Spezies planmäßig zu reproduzieren – erheblich mehr Aufwand ist da nötig, als sich zwischen zwei Frühstückskrümelchen mal eben in sich selbst und seinen Nachwuchs zu teilen. Die Frage bleibt nun, ob eine phänotypisch derart versaubeutelte Spezies wie der Hominide es noch eine Umdrehung schwerer haben könnte beim Genroulette, oder wie es der aufrecht schreitende Depp nennt: Partnerwahl.

Ob Hirsch, ob Hohlpflock, die Mechanismen scheinen auf den ersten Blick gleich. Das Männchen pumpt sich auf, das Weibchen übt sich in Ignoranz, wählt aus und muss den Honk nach getaner Gymnastik irgendwie schnell wieder von der Pelle kriegen. Leider hat sich die Natur vor- und nachher eklige Psychospielchen einfallen lassen, die es nicht einfacher machen. Recht ansprechend ist der Anblick des balzenden Auerhahns, relativ klar ins Aus grätscht das Imponierverhalten der in Ballonseide geschwiemelten Dummbratze, wie sie aus dem bollerndem Benziner das Gablonzer Gold hängt und sich lässig durch das fettige Resthaar fegt. Seht her, verkündet sein Sonderangebot, ich bin zwar mit dem aufrechten Gang intellektuell überfordert, weil in unserer Sippe seit dem oberen Pleistozän die Geschwisterehe praktiziert wird, aber dafür ist bei mir immer Testosteron im Haus. Das dazugehörige Stöckelwild, auftoupiert und mit Silikon rundverspachtelt, bietet der Torfnase das adäquate Gegenstück, um die in harter Arbeit an der Evolution vorbeigeschmuggelte supranasale Oligosynapsie aufrecht zu erhalten, damit die Selektionskräfte auf sämtlichen Ebenen von der Prävalenz bis zum sozialen Gefälle der Population ihr Erfolgserlebnis feiern, wenn sich die Genträger zur Reproduktion rüsten.

Der Sapiens, eben dieser Trockennasenaffe, der seiner Brut das Dasein auf diesem Trümmer am Rande der Galaxie besser machen will als seine eigene verpfuschte Existenz, er ist die erste Art, die sich einbildet, ihren Partner nach Vernunft oder einem eigenen Geschmack zu wählen; in Wahrheit sind es doch bloß Steiß und Penunze. Auch hier gilt, dass das Weibchen auswählt, wo der Rüde sein ornamentales Drohgebaren aufklappt, die rote Fresse oder den wedelnden Cabrioschlüssel. Da winkt fröhlich der Urmensch herüber, der ein unterschiedliches Immunsystem beim Gegenüber präferiert – er misst es am Körpergeruch, falls der nicht so auffällig ist wie die Zumutbarkeitsschwelle reißt wie die optischen Kollateralschäden. Man sagt zudem, ähnlich gelagerte Partner besäßen auf Dauer strategische Vorteile, einander nicht ganz so rasch überdrüssig zu werden. Haben zwei Bekloppte eine Vorliebe für Opern, Dosenbier oder Dosenbier in der Oper, sind sie zickende Einzelkinder oder im Kargen gezüchtete Egoleptiker, der Liebe steht alsbald nichts mehr im Weg.

Wobei das mit der Liebe so eine Sache ist. Der Bescheuerte sucht den Hintern, solange er noch an die Besiegbarkeit der Schwerkraft glaubt, sein weibliches Pendant die soziale Absicherung, die nicht zwingend mit dem Interesse an einer Persönlichkeit verbunden ist. Es gibt im Geflecht der Unterschiede schließlich genug Fettnäpfchen, in denen sich die Suchenden feststapfen können, und schon klemmt sich der Beknackte die Finger in der Tür zwischen Stammbaum und Borke, argumentiert sich genau die Monogamie schön, für die er phylogenetisch nicht gebaut war, kann aber wegen zivilisatorischer Zinsen sich nicht das Gegenmodell leisten. Große Gefühle müssen sein, die emotionale Endstufe, die er für fünfzig Cent pro Zeile in der Zeitung sucht, sortiert nach Tierkreiszeichen, rationalisiert und kommerzialisiert dank Pheromon-Spray und Speed-Dating. Der Behämmerte hat offenbar längst auf Flachatmung umgestellt: die Art muss erhalten werden, und sei es um den Preis, die komplette Spezies durch konsequentes Ausmendeln der Großhirnsteuerung die Anpassungsfähigkeit an den Selektionsdruck zu verleihen.

Das Ergebnis ist paradox. Da sich die Auswahl scheinbar auf den Gesamtbestand des jeweiligen Zielgeschlechts ausdehnt und zugleich nur der eine, einzige Gegenpart – wahlweise Traumprinz oder Herzenskönigin – wirklich die große Liebe zu versprechen droht, erhebt der irrende Irre die Suche an sich zum Lebensinhalt und verdödelt die Restzeit bis zum Eingang in die Biomasse mit dem Anflug auf die Asymptote: sind 99,99% der Ansprüche nach Haarfarbe, Blutgruppe oder Lieblings-Teletubby erfüllt, rüstet der Trottel in den Tausendstelbereich auf. Wenn er nicht gestorben ist, sucht er heute noch. Was ihn freilich nicht davon abhält, sein Erbgut an jeder Ecke zu hinterlassen und den Hominiden als Ausfallerscheinung der Artentwicklung noch eine Generation länger in der Landschaft zu belassen. Das freilich hätte er auch billiger haben können, wie schon die Amöbe zeigt: besser wird nichts, und wozu braucht’s die nächste Generation, wenn sie einem doch alles nachmacht?