Auf die linke Tour

21 11 2011

„Wir würden Ihnen ja liebend gerne helfen, aber uns sind da leider die Hände gebunden. Die Frau Ministerin hat angewiesen, dass wir nur reuige Opfer verfassungsfeindlicher Organisationen mit Sachmitteln und therapeutischer Hilfe unterstützen dürfen. Sie sitzen zwar ziemlich in der Tinte, das nehmen wir Ihnen sofort ab – aber es tut uns sehr Leid, als CDU-Mitglied dürfen wir Ihnen wirklich nicht helfen. Keine Chance.

Klar, die Demokratie stärken wollen wir doch alle. Wir haben uns da auf unsere aktuellen Phrasen geeinigt, die auch die Frau Bundeskanzlerin gerade so ausgiebig benutzt. Das mit dem Kompass und das mit der Nachhaltigkeit. Also mit dem Kompass immer stur nach rechts, und Nachhaltigkeit – naja, Sie wissen schon. Wir haben inzwischen kapiert, dass Multikulti absolut gescheitert ist, deshalb sind wir ein weltoffenes Land, das mehr Zuwanderung braucht, um die Arbeitslosenquote aufzufüllen. Das ist jetzt offizielle Parteilinie in der CDU. Das klingt zwar, als hätten wir das mit den Drogen auch gleich geklärt, aber so ist das eben. Wir haben halt eine Schwäche für Extreme.

Als CDU-Anhänger können wir Ihnen da nicht mehr viel abnehmen. Sie kommen zu spät, die Geschichte straft bereits. Früher? ja, früher – wenn Sie vor zwei, drei Jahren die Wehrpflicht hätten abschaffen wollen oder die Atomkraft, wenn Sie pleite gegangene Banken hätten aufkaufen und verstaatlichen wollen, oder wenn Sie auch nur ein Wort von Mindestlohn in den Mund genommen hätten, da wären Sie aber sofort als Kommunist durchgegangen. Da hätten wir Sie beobachtet und Ihren Arbeitgeber informiert und Ihre Nachbarschaft und hätten Ihre Briefe abgehört und das Telefon geöffnet – Sie kommen zu spät, die Frau Bundeskanzlerin hat inzwischen auch erkannt, dass in der Deutschen Demokratischen Republik nicht alles schlecht gewesen ist. Das Verständnis von Demokratie beispielsweise erscheint ihr stärkungswürdig. Und die Extremismusklausel, die ist natürlich auch gelebte Verantwortung. Für die Störer. Oder wie Sie es vielleicht nennen würden: Sippenhaft.

Politisches Asyl? Sie sind der Meinung, wenn die Frau Ministerin sagt, jeder, der es nicht gerecht findet, dass ein Zehntel der Bevölkerung über 50 Prozent des Steueraufkommens leistet – nein, der es gerecht findet, dass – also wenn Sie der Meinung sind, das sei nicht gerecht, aber aus anderen Gründen, als es die Frau Ministerin nicht gerecht findet? Dann sind Sie linksradikal. Oder wenn Sie gegen Formen der Überwachung sind, die das Bundesverfassungsgericht als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar bezeichnet hat, dann sind Sie auch linksradikal. Da ließe sich etwas drehen. Als Linksradikaler könnten wir Sie observieren und abservieren, und dann könnten Sie austreten. Aber politisches Asyl, weil Sie das Gefühl haben, mit Geistesgestörten in einer Partei zu sein? Das reicht nicht. Auch nicht, wenn es die CDU ist.

Sie müssen das mal zu unterscheiden lernen. Wir observieren ja generell nur diese Linken, die wollen nämlich Banken verstaatlichen, so wie die Frau Bundeskanzlerin. Sie übertreiben, wenn Sie bei jeder Äußerung von unseren Innenexperten annehmen, dass die irgendwelche Schwierigkeiten mit der Verfassung hätten. Die treffen sogar recht genau. Die können nämlich zielen. Und das nennt man in diesem Land ja wohl ein unverkrampftes Verhältnis zur jüngeren Geschichte, oder?

Das ist doch auch schon ein ganz hübsches Zeichen gegen Extremismus, wenn die Junge Union Köln in Berlin aus Bundesmitteln Komasaufen üben darf. Erstens ist das sowieso für die meisten Jugendlichen der Grund, in die Junge Union zu gehen – seien Sie mal ehrlich, würden Sie sich mit diesen unterbelichteten Knalltüten in die Kneipe setzen? – und zweitens ist das eine Maßnahme, um den Jugendlichen mal deutsche Leitkultur beizubringen. Diese ganzen Islamisten, die trinken ja nicht mal Bier, wie sollen wir die integrieren? Da müssen wir halt bereit sein, mit gutem Beispiel voranzugehen. Auch wenn’s mal wirklich wehtut.

Also Sie meinen, wir müssten Sie aufnehmen, weil diese präventive Ignoranz gegenüber den Neonazis eventuell nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes stehen könnte? Ist Ihnen klar, was Sie da sagen? Es geht doch gerade um Prävention! Diese Jugendlichen brauchen feste Werte, die kann man nicht einfach sechzig Jahre lang in Ruhe lassen und dann plötzlich so tun, als sei hier plötzlich die Demokratie ausgebrochen. Man muss doch auch rechtsstaatlich bleiben, Sie können doch nicht von uns verlangen, dass wir diese Jugendlichen für Mölln, Solingen und Hoyerswerda verurteilen – das waren doch möglicherweise ganz andere? Hallo!?

Was heißt hier, wir würden die Neonazis dafür bezahlen, dass sie unser Land kaputt machen? Das halte ich doch für etwas kurzsichtig. Schauen Sie mal, das läuft bei uns wie bei den Amerikanern, die ja gar nichts falsch machen können: die haben auch die Taliban unterstützt, und sie sind ihnen bis heute dafür dankbar. Die Sicherheitsindustrie hat viele börsennotierte Unternehmen. Irgendeiner muss halt auch für die Rendite sorgen.

Dann versuchen wir es auf die linke Tour. Hat es in Ihrer Familie vielleicht schon einmal Fälle von Sympathie gegenüber Kommunisten gegeben? Ihr Großvater hat Willy Brandt gewählt? Das könnte man eventuell gelten lassen. Wir speichern da zur Vorsicht mal Ihren Namen. Aber wie gesagt lassen Sie die CDU aus dem Spiel. Die hat es ja derzeit schwer genug – mit dem Grundgesetz.“