„Sie, ich kann da gar nichts machen. Wir sind hier weisungsgebunden. Das kommt erschwerend zum Standort Bayern hinzu. Sie müssten sich dann schon mit einem konkreten Tatverdacht an die zuständige Behörde wenden, sonst sind uns leider die Hände gebunden. Mollath? Nein, da kann ich nichts für Sie tun. Wir sind hier ja nicht in Hessen.
Wir haben das ja damals nicht geprüft, weil wir da noch nicht wussten, ob da etwas rauskommen, könnte. Später? da mussten wir ja erstmal prüfen, ob wir damals nicht hätten prüfen müssen, ob es etwas zum Prüfen gibt, aber da wir vorher ja nichts geprüft – haben Sie’s? Nicht?
Das Problem mit diesen pauschal geäußerten Verdächtigungen haben wir immer wieder. Sie, ich kann doch nicht bei jedem Verdacht gleich die ganze Polizei losschicken. Wenn Sie einen Verdacht haben, könnten Sie da nicht gleich selbst ein paar Erkundigungen einziehen? Nein, Das war jetzt nicht konkret auf den Fall bezogen. Deutsche Banken irren sich nicht, höchstens um ein paar Milliarden. Und wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihre Bank Schwarzgeld verschiebt, dann wechseln Sie halt zu einer anderen. Wir leben schließlich in einer freien Marktwirtschaft. Bestellen Sie das mal Ihrem Herrn Mollath, ja?
Wir haben hier seit Jahren solche Fälle, wissen Sie. Das nimmt überhand. Neulich hatten wir einen, der behauptet steif und fest, die Bundesrepublik Deutschland sei ein Rechtsstaat. Glücklicherweise konnten wir den noch rechtzeitig aus dem Verkehr ziehen, sonst wäre der damit noch an die Presse gegangen. Unvorstellbar. Das muss am Standort liegen. Die Forensische Psychiatrie Bayreuth kennt sich scheint’s mit Promotionsverfahren besser aus.
Steuerhinterziehung? Kommt meines Wissens in diesen Gesellschaftsschichten nicht vor. Ab einem bestimmten Jahreseinkommen zahlt man in Deutschland keine Steuern mehr, da gibt’s auch nichts zu hinterziehen. Die Bank? Hören Sie mir mal zu, das ist eine deutsche Bank, da werden keine Steuern hinterzogen. Wenn Sie nach kriminellen Elementen suchen, dann fahren Sie gefälligst in die Schweiz.
Ich weiß gar nicht, warum Sie sich hier so künstlich aufregen – das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland ist doch ganz einfach. Wenn Sie schuldig werden, stehen Sie vor Gericht. Und wenn Sie nichts getan haben oder wir es Ihnen nicht nachweisen wollen, dann kommen Sie nicht vor Gericht. Warum soll das bitte falsch sein? Was haben denn Sie daran jetzt nicht verstanden? Wenn Sie vor Gericht stehen, sind Sie schuldig. Wenn Sie unschuldig wären, würde man Sie ja nicht einfach so vor Gericht stellen. Wir sind derart überlastet, wir könnten ja gar nicht jeden Unschuldigen hier einfach so vor Gericht… –
Warum sollen wir denn da jetzt noch ermitteln? Die Bank hat doch die Frau schon rausgeschmissen, oder irre ich mich da? Eben, also ist doch alles in Ordnung? Nein, da kann ich als Staatsanwalt schon gar nichts unternehmen. Warum, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hatten doch nichts ergeben, weil wir da gar nicht ermittelt haben. Aber wir wussten doch vorher noch gar nicht, ob wir überhaupt etwas finden würden, warum sollten wir dann mit den Ermittlungen überhaupt anfangen? Das heißt gar nichts. Das bedeutet nur, dass die Frau unschuldig ist, weil sie bis jetzt nicht vor Gericht… hören Sie mir überhaupt zu? Wir sind hier doch nicht bei der leichten Kavallerie!
Der Gutachter kennt sich damit aus. Wir haben extra einen bestellt, der auch einen – Dachschaden? Nein, das war komplizierter in der Akte. Der Staatsanwalt hat es nicht ganz verstanden, also muss es wichtig gewesen sein. Und wenn sich so ein Angeklagter einbildet, er sei gar nicht verrückt, dann muss er ja auch erst recht in die Anstalt. Weil, wenn er da drinnen ist, dann hat das schon seinen Grund, sonst säße er ja nicht drin, verstehen Sie? Das ist wie mit dem Recht. Ich bin zwar nur ein ganz normaler Staatsanwalt, aber so viel weiß ich doch: die, die sich selbst nicht für verrückt halten, und die deshalb in die Klapsmühle kommen, das sind die Gefährlichen. Und wenn dann einer immer noch so tut, er sei völlig normal, und wenn die Zeugen meinen, der Gutachter hätte vielleicht den Abgeklagten doch besser selbst… –
Ach, hier wird jetzt schon ermittelt? Weiß das Ihr Herr Mollath? Wir wissen davon nämlich nichts. Wir sollten sehr vorsichtig damit sein, irgendwelche Untersuchungen anzustellen, was da in der Bank abgelaufen ist. Das mit dem Rechtsstaat – wir als Staatsanwälte sind, wie gesagt, weisungsgebunden. Erst dann, wenn die Justizministerin der Meinung ist, dass hier alles mit rechten Dingen zugegangen ist, ermitteln wir noch einmal. Weil das dann ja nur gut ausgehen kann, weil wir dann nicht eigentlich gar mehr zu prüfen bräuchten, ob wir da nicht noch einmal ermitteln müssten, weil wir dann nämlich schon wissen, dass das nicht nötig wäre, aber dann kann man ja noch einmal ermitteln, oder? Richtig, das können Sie Ihrem Herrn Mollath gerne sagen. Wir sind hier zwar in Bayern, aber deshalb ist das trotzdem immer noch ein Rechtsstaat.
Ich? warum denn ich? Aber ich doch schließlich weisungsgebunden. Eine Wiederaufnahme? Ich bin doch nicht bescheuert!“
Satzspiegel