Ausklang mit Tanne

22 12 2011

Woher soll ich wissen, welches Du anziehen sollst? Bin ich Dein – natürlich bin ich es nicht, aber warum fragst Du mich jedes Mal? Sage ich: zieh das Rote an, dann – Ich weiß, Du hast es die letzten beiden Male schon getragen, aber das tut doch jetzt nichts zur… –

Wenn Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser, es erkannt haben sollten, Hildegard ist noch in Begriff, die Koffer zu packen. Wie jedes Jahr um diese Zeit. Ausnahmsweise hatte sie es diesmal sogar extra – ja, Du hast es angekündigt, Anne und Breschkes saßen hier an diesem Tisch und… – Also sie fährt wie immer zu ihren Eltern, weshalb ich ja auch die Entenbrust für Weihnachten und den Wolfsbarsch… – Hör mal, was soll ich mit so viel Wolfsbarsch? Du isst kaum Fisch, außerdem wolltest Du ja – Gut, bin ich eben Schuld, dass Du zu Deiner Familie… –

Die Tür ist jedenfalls zu. Wo war ich? Richtig, beim Weihnachtsmenü. Hildegard hat sich wieder einmal furchtbar aufgeregt, dass ich sie nicht mit eingeplant hatte, und jetzt wird sie trotzdem über die Feiertage wegfahren. Vermutlich zur Strafe, weil ich sie nicht auf dem Küchenstuhl festbinde und vor den – ja also, der Weihnachtsbaum. Herr Breschke hatte da so eine Quelle. Eigentlich war’s ja wieder seine Tochter, die von ihren Urlaubsreisen lebensgefährlichen Elektroschrott mitbringt oder vollkommen ungenießbare Fischkonserven mit Haltbarkeitsdatum aus dem letzten Jahrtausend auftreibt. Regelmäßig schenkt der pensionierte Finanzbeamte mir ein Fläschchen hoch explosiven Fusel. Das Zeug ist nur zum Abbeizen oder als Pinselreiniger zu verwenden, aber er war wohl so angetan, dass ich ihm über Jahre schon immer zu Weihnachten eine von den Buddeln abnehme, dass er mir jetzt eine handgesägte Nordmanntanne, nadelfest, zum Vorzugspreis mitbringen wollte. Frei Haus. Seine Tochter kennt wohl den Oberförster. Das Gute ist, man kann gegen den Baum nichts sagen. Die obersten drei Meter sind auch gut in Schuss. Um die Mitte wird er etwas dünn. Aber davon werden wir einfach den Garten dekorieren. Und den Balkon. Und Annes Balkon. Und den Rest vom Stadtpark. Bei sechs Metern Tanne am Stück ist sicher genug Material vorhanden.

Ich glaube, die Geschichte mit Bismarck und den Weihnachtskugeln hatte ich noch gar nicht erzählt? Das hatte etwas mit sehr viel Getöse zu tun, als Herr Breschke nachts im Dunklen die Treppe herunterschlich und in einen Haufen Glaskugeln trat. Seine Frau hätte fast der Schlag getroffen.

Anne ist überraschenderweise in diesem Jahr nicht mit ihrem Max in den Schwarzwald gereist. Es ist nicht mehr ihr Max. Sie wird wahrscheinlich den Jahreswechsel bei ihm verbringen, schließlich ist sie eingeladen und wird ihre komplette Kanzlei bei dieser Gelegenheit sehen, aber es ist nicht mehr ihr Max. Gegen halb elf wird es am Heiligen Abend klingeln, diesmal wird der Champagner durch Krimsekt ersetzt, nur die belgische Schokolade ist in Krankenhausmengen vorrätig.

Wozu brauchst Du jetzt Moonboots? In den Dingern kannst Du nicht fahren, außerdem schneit es im Moment gar nicht. Sicher, es kann jeden Augenblick wieder anfangen, aber das wäre nun wirklich eine – Zufälle gibt es schon, das ist… – Neiu, ich würde keine Moonboots anziehen. Ich würde auch sonst nicht mit Deinem Auto fahren, aber in Moonboots schon gleich gar nicht. Ja, zieh die braunen Schnürstiefeletten an. Oder die schwarzen. Oder die braunen.

Staatsanwalt Husenkirchen und Gattin haben zugesagt, Sogar Doktor Klengel gibt sich die Ehre. Es wird in Bücklers Landgasthof eine durchaus illustre Gesellschaft sein. Bruno Bückler, den sie respektvoll als Fürst Bückler anreden, wird sich diesmal auf Reh und Perlhuhnbrüstchen stürzen und sein Bruder Hansi dazu einen 1994-er Bummelberger Klotzkopf kredenzen. Mein Großneffe Kester, der angehende Nobelpreisträger für Physik, wird auch ohne Bosonen hicksen, und Tante Elsbeth wird mit ihrem spröden Charme die Kellner verschrecken. Egal, es gibt Kaiserschoten.

Wozu brauchst Du jetzt eine Pinzette? Wo ist das reingefallen!? Meine Güte, Du zerlegst hier noch die ganze Wohnung! Jetzt warte, ich hole erstmal den Werkzeugkasten, und dann werden wir sehen, ob sich… – Nein, ich gehe auch davon aus, dass es kaputt ist, aber deshalb muss es ja trotzdem nicht im Innenleben meiner Küchengeräte… –

Freundliche Grüße von Siebels – der TV-Produzent ist seit wenigen Tagen auf Kreuzfahrt und spannt aus. Natürlich hatte er nicht widerstehen können und dreht nun halbtags 13 Folgen der Erfolgs-Seifenoper Schaumschiff. Aber man muss sich um ihn keine Sorgen machen. Solange er immer einen Becher Automatenkaffee hat und auf dem Oberdeck rauchen darf, treibt er höchstens den Kameramann, die Maskenbildnerin und seine Regieassistenz in den Wahnsinn.

Staubsaugen? Ich will doch um diese Tageszeit nicht staubsaugen. Ja, dann sag das doch gleich. Die ganze Schale? Wir haben’s ja. Gut gemacht, meine Liebe, das hätte ich nicht… – Die ganze Schale? Das heißt, auch das Glas ist… – Hast Du eigentlich eine Ahnung, was Murano kostet!? Jetzt rede Dich nicht raus, Du hast wieder alles im Regal umgestellt, und dabei – Stutzflügel? Wie kann einem der Flügeldeckel auf eine Schale fallen? Und wo, bitte, sind jetzt die Scherben von der… –

Gerade ruft Jonas an, er würde mir notfalls einen halben Festmeter Tanne abnehmen. Bei seiner künstlerischen Ader wird er das ganze Zeug vermutlich mit Sekundenkleber und einem Tacker in der Wohnung befestigen.

Ach, hier liegen noch die Papierschnipsel von gestern. Mein alter Freund Gernulf Olzheimer, der jeden Freitag einmal mit der kulturkritischen Axt die Kolumnen gerade richtet, war ausnehmend schlechter Laune. Was war der Mann in Brass! Jetzt haben sie ihm im Sauerländischen Samstagsblatt einen Schreibfehler nachzuweisen versucht, der noch nicht einmal einer war. Donnerwetter, der war in Fahrt! Ich konnte Olzheimer gerade noch beruhigen. Dieses Blättchen hat nämlich nur halb so viele Leser wie dies Blog. Ergo wird er sich im kommenden Jahr ganz auf die Bekloppten und Bescheuerten konzentrieren. Wir dürfen gespannt sein.

Wir andernorts schon geschrieben steht, es wird auch wieder neue Limericks geben. Und ansonsten habe ich schon eine kleine lyrische Sache in der Schreibtischschublade, aber das wird vorerst nicht verraten.

Woher soll ich wissen, ob Du alle Geschenke verpackt hast? Habe ich die etwa besorgt? Nein, aber Du hast mir gar nicht – Was in dieser Frau vorgeht, möchte ich gerne mal – Das Gelbe hast Du vorhin aus der kleinen Tasche in die große Tasche gepackt und dann wieder aus der großen Tasche in die… – Dabei fällt mir ein, ich wollte noch eben schnell Mandy Schwidarski von Trends & Friends anrufen, sie ist überraschend an einen Großauftrag gekommen. Im nächsten Jahr werden wir uns viel häufiger sehen. Hoffentlich behält Minnichkeit, ihre rechte Hand, einen kühlen Kopf. Der Travel-Experte Maxim checkt gerade die Locations in Padang Bai aus, you know, und sie alle werden vermutlich am 27. Dezember in der improvisierten Mittagspause bemerken, dass sie die Festtage versehentlich mit einem Dauermeeting verballert haben.

Das ist meins! Ja, steht doch drauf. Lies es doch bitte: Für meinen treuen Freund Miehlke. Doch, den kennst Du. Das ist dieser Schlanke mit ohne Haare. Agentur Partner Partner Friends & Partner. Was kann ich dafür, dass Dein Vater eins in genau demselben Geschenkpapier… – Eben nicht! Du hast nämlich das Geschenkpapier aus meinem Schreibtisch… – Gut, meinetwegen kann sie die Dinger auch vertauschen. Was ihr Herr Vater zu diesem abgrundtief hässlichen Polyester-Schlips aus der Tombola des Karnevalsvereins sagen wird, höre ich ja nicht. Vermutlich wäre er sogar angenehm überrascht, dass seine Tochter ihm mal ein nützliches… – Dann mach es halt auf, wenn Du nicht weißt, was drin ist. Meine Güte, ist es leicht oder schwer? rasselt es? ist es weich? Wenn es hart ist und rasselt und nur so groß wie eine Zigarettenschachtel, dann wird es sich ja wohl kaum um ein Paar Socken… –

Meinetwegen, dann können Männer eben nicht logisch denken. Ich kann’s ja auch nicht ändern. Annes Putzfrau, Tamara Asgatowna, ist der Ansicht, in diesen Haushalt gehörte sofort eine Frau. Sie kennt eben Hildegard nicht.

Die traditionelle Schachpartie am zweiten Festtag wird wieder hier sein. Eine Kanne Tee, dazu der eine oder andere Brandy, und ich werde mich mit Reinmar kräftig anschweigen. Er bevorzugt ja die halboffenen Spiele, ich habe ein Jahr lang Skandinavische Verteidigung geübt. Der Läufer wird entwickelt, und dann schneide ich ihm auf e6 den Rückzug ab. Falls ich es mir nicht doch noch anders überlege.

Und damit sind wir nun so weit: wie in den vergangenen Jahren ziehe ich mich heute in die Weihnachtspause zurück, lasse den Blogjahrgang Revue passieren – und am Mittwoch, den 4. Januar 2012, öffnen die Türen dieses kleinen satirischen Salons sich wieder allen Leserinnen und Lesern, den zufälligen, den täglichen, regelmäßigen und unregelmäßigen, die mit und ohne Kommentar kommen und gehen, wie es ihnen gefällt, weil es ihnen gefällt. Ihnen wünsche ich, je nach Gusto, ein fröhliches, turbulentes, besinnliches, heiteres, genüssliches, entspanntes, friedvolles und ansonsten schönes Weihnachtsfest, einen guten Rutsch und ein gesundes, glückliches Neues Jahr.

Beste Grüße und Aufwiederlesen

bee