Abfallmanagement

16 01 2012

„Hammer! Ganz ehrlich, das müssen Sie gesehen haben – echt der Hammer! Das holt Quoten, sage ich Ihnen, das holt die Kohle rein. Davon können die vom Dschungelcamp sich mal eine Scheibe abschneiden. Ein Geniestreich! Die ganze Blase eingesperrt auf Schloss Bellevue. Kein Entrinnen!

Offiziell läuft das natürlich als Klausurtagung. Die Regierungsparteien haben gerade ganz erstaunt festgestellt, dass sie die Regierung sind, und jetzt entdecken sie bestimmt demnächst auch noch, dass sie eigentlich auch mal regieren könnten, statt immer nur zu reagieren. Ein paar Journalisten im Garten, ein paar Demonstranten zeigen die neue Schuhkollektion, also alles so wie immer. Total unauffällig. Aber warten Sie mal ein paar Tage ab. Zu wenig Schlaf, die CSU-Fraktion kriegt keinen Alkohol und die FDP kein Kokain, die Kanzlerin muss sich jeden verdammten Tag die Visage von Westerwelle angucken, da ist es nur eine Frage der Zeit, bis der erste die Nerven verliert und am Rad dreht. Was meinen Sie, wenn Seehofer durchknallt. Dann ist aber die Hölle los. Dann gibt der Sachen von sich, die sind selbst für seine Maßstäbe total beknackt. Friedrich ist schon fast am Ende. Der ist schon so weit unten, der hat sich aus Seife und leeren Klorollen ein Mikrofon gebastelt und interviewt sich selbst vor dem Spiegel. Warten Sie mal die nächsten Tage ab, dann erklärt er Russland den Krieg, um in die Nachrichten zu kommen.

Die größte Gemeinsamkeit dürfte das Setting sein. Der Zuschauer kennt das Konzept und will es einfach immer wieder sehen. Küblböck, Kot und Kakerlaken, das macht ihn glücklich. Die Leute wollen immer ganz kurz vor dem Brechreiz stehen. Die wollen den Ekel. Und mal ehrlich, wenn Sie Bouffier und Gröhe sehen, wie sie gemeinsam dem Präsidenten hinterherrutschen, dann wird Ihnen von selbst übel. Mit den Maden von RTL kriegen Sie das jedenfalls nicht hin.

Moderatoren? Kai Diekmann hatte offenbar Besseres zu tun. Hätte aber auch so nicht gepasst, von den Moderatoren erwartet man schließlich, dass sie das Restniveau der Sendung erzeugen. Und was soll da von Diekmann groß kommen.

Das Personal ist doch immer dasselbe. Bis auf Frauke Ludowig, die Präsidialblondine hat diesmal den Zuschlag gekriegt. Die nervt professioneller. Ob wir nun Ausschussware aus den Castingshows nehmen oder den Politabfall, das ist doch keine Frage der Moral. Hauptsache, von denen kommt keiner auf die Idee, Würde oder Anstand für sich zu reklamieren. Und ob Sie jemanden in eine Kiste voller Schlangen oder in den Bundesvorstand der CDU stopfen, das ist letztlich nur eine Frage des Abfallmanagements.

Es ist ja auch alles vorhanden, um einen zünftigen Zickenkrieg zu inszenieren. Aufgeblasene Schwätzer, einer so erfolglos wie der andere, Döring oder Dobrindt, und für beide ist natürlich das Schloss zu klein. Irgendeine Petitesse, wer rechts neben der Kanzlerin sitzen darf und die rote Schippe kriegt, und schon keifen die beiden sich an wie hysterische Waschweiber im Adrenalinschub. Dann ziehen sie sich an den Haaren, kratzen sich, und zum Schluss weint einer. Und dann ist alles wieder gut, weil ihnen sowieso keiner zuhört. Wer könnte das besser als Merkels Gurkentruppe?

Das mit dem Aufzug des Grauens hatten wir uns allerdings auch sehr viel einfacher vorgestellt. Gebe ich ja zu. Ursprünglich sollte der Bundespräsident zur Strafe die Treppe hoch laufen – wollte er nicht. Dann den Aufzug – wollte er nicht! Ist nicht zu machen mit dem Bundespräsidenten. Der macht das nicht selbst, der erwartet, dass man ihn automatisch höherstuft. Dafür war das mit dem Sarg aber ein voller Erfolg. Schönes Modell, sehr geräumig. Die komplette FDP passt da rein. Weil, ob Sie die jetzt schon verbuddeln oder später, wen interessiert das.

Dennoch haben wir ein Alleinstellungsmerkmal. Im Original fliegt die größte Heulsuse gleich zu Beginn raus, bei uns lässt er sich am Sitz festlöten und bleibt bis zum bitteren Ende. Und vergessen Sie nicht den Faktor Transparenz – hier sehen Sie jede Schweinerei in bester Beleuchtung. Keine Fragen offen. Die Kanzlerin kann zufrieden sein, sie hatte ja eigentlich ein ganzes Geschäftsjahr dafür eingeplant.

Richtig, Abfallmanagement hat ja auch immer etwas mit Recycling zu tun. Ob Sie da nun Schäuble oder irgendeinen anderen ausrangierten Schauspieler reinstecken, ist doch wurst. Die Leute wollen Dreck sehen, also kriegen sie Dreck zu sehen. Wo ist das Problem?

Warum das alles so erfolgreich ist? Es findet außerhalb der Zivilisation statt, in Australien wie in Bellevue. Es sind – sagen wir mal – Prominente, die sich wie Ungeziefer benehmen, weil die Äußerlichkeiten der bürgerlichen Gesellschaft hier nicht mehr gefragt sind. Hier können sie sich so benehmen, wie es ihrem eigentlichen Charakter entspricht. Als das asoziales Pack, das noch nicht kapiert hat, dass es vor dem Publikum kriechen müsste, das es trägt. Draußen am Fernseher oder als Souverän. Das sie jederzeit am Boden zertreten könnte. Wie Mehlwürmer.

Aber eins stimmt doch, ob Original oder Kopie: wer immer sich diesen aufwendig produzierten Unterschichtendreck anschaut, hat keinen Grund, sich zu beschweren. Jeder weiß, dass es niveaulos ist. Und jeder weiß, wofür man sich so weit erniedrigt. Alles eine Frage des Preises.“