Made in Germany

25 01 2012

„Skandalös! Das werde ich nicht hinnehmen!“ „Was genau hatten Sie im Auge?“ „Diese EU macht uns die ganze deutsche Wirtschaft kaputt!“ „Wie gesagt, was genau hatten Sie im Auge?“ „Dass wir nicht mehr ‚Made in Germany‘ schreiben dürfen.“ „Dürfen wir doch.“ „Aber nur noch da, wo es auch zu 100% stimmt – das ist doch Schikane!“

„Hoppala, jetzt feiern Sie mal den Geburtstag vom Alten Fritz mit etwas mehr preußischer Detailversessenheit. Sind Sie am Ende kein echter Deutscher?“ „Sicher, aber muss man denn das so eng sehen?“ „Sie wollen diese Bezeichnungen also eher auflockern?“ „Man muss doch in einem globalisierten Europa auch mal Spielräume haben.“ „Das heißt?“ „Wir sollten bei der aktuellen Regelung bleiben.“ „Mit allen Konsequenzen?“ „Was sollte daran falsch sein?“ „Demnach wären ja auch Würstchen aus bulgarischen Schweinen, die in Äthiopien geschlachtet werden, ein deutsches Fabrikat.“ „Es geht ja um die deutsche Rezeptur, das geistige Eigentum, verstehen Sie?“ „Wenn nur ein Fischlieferant aus dem Atlantik seine Filets nach Düsseldorf schickte, um Sushi daraus zu fabrizieren, was wäre das?“ „Deutsche Ware – schließlich haben wir erst die produktspezifischen Eigenschaften in die Rohstoffe gebracht.“ „Und der Tiefkühlfisch wäre sonst undeutsch geblieben?“ „Das Sushihafte des Tiefkühlfisches wohnt doch dem ins Deutsche geworfene Produkt inne – haben Sie nie Heidegger gelesen?“

„Übrigens müssen Sie sich immer vor Augen halten, was zu dieser Bezeichnung geführt hat. Sie ist immerhin eine britische Erfindung.“ „Richtig, die Inselaffen werden schon gewusst haben, dass sich nur Qualität durchsetzt.“ „Und genau deshalb haben sie ab 1887 in jeden Krempel ‚Made in Germany‘ gestanzt.“ „Weil sie verstanden hatten, was Importware bringt.“ „Nämlich gar nichts. Das Siegel war nur eine Warnung vor minderwertigem Zeug, das sein Geld nicht wert ist. Deutsche Erzeugnisse waren der Koreaschrott ihrer Epoche.“ „Typisch europäisches Konkurrenzdenken. Man kann diesen Engländern eben nicht über den Weg trauen.“ „Dann war es sicher auch nur Zufall, dass bei der Weltausstellung 1878 in Philadelphia die anderen Ingenieure derselben Ansicht waren.“

„Sie meinen also, dass das nicht nur ein Qualitätssiegel sei, sondern ein Industriestandard?“ „Vor allem ein Sozialstandard.“ „Was hat das denn für uns zu bedeuten?“ „Sehen Sie es als ein Bekenntnis zum Produktionsstandort mit all seinen Arbeitnehmern.“ „Aber dann wird sich der Aufschwung nie gegen Europa verteidigen lassen.“ „Kunststück – erstens, dass Sie ihn unbedingt verteidigen wollen, wogegen auch immer, und zweitens, dass Sie den Kampf der deutschen Wirtschaft gegen die europäischen Partner damit so leichthin eingestehen.“ „Aber wir brauchen doch die deutschen Exporte.“ „Das stimmt wie 1887. So kriegen wir Europa mit minderwertiger Wirtschaft kaputt.“ „Aber wir müssen doch Arbeitskräfte exportieren, sonst können wir uns nicht als größte Exportnation bewähren.“ „Weil sonst die Leute alle nach Taiwan auswandern, um sich da die Haare schneiden zu lassen?“

„Es geht doch letztlich im deutsches Know-how. Um die geistigen Leistungen.“ „Dann sollten wir hier vielleicht nur noch Kuckucksuhren und Gummiknüppel herstellen.“ „Unsinn, es geht um die Leistung des Arbeiters, der für die deutsche Volkswirtschaft…“ „Also die polnische Erntehelfer, die den Spargel auch nicht mehr stechen wollen, weil sie in ihrer Heimat für Handlangerjobs inzwischen besser bezahlt werden und sich von deutschen Vorarbeitern nicht mehr beleidigen lassen müssen?“ „Ich rede hier von richtigen Deutschen, ja?“ „Also von Zeitarbeitern, die mit ihren Waren auch de erodierenden Sozialstandards verkörpern? Die sollten doch auf jeden Fall ‚Made in Germany‘ wert sein, oder?“ „Es geht doch hier um die Entwicklungsleistung, verstehen Sie das nicht?“ „Doch, durchaus. Wenn die Baumwolle aus Pakistan stammt, die Textilverarbeitung aus Bangladesch und der Reißverschluss aus China, dann dürfen Sie einen deutschen Schimpansen dafür werben lassen.“ „Sie denken viel zu global. Man muss die europäischen Interessen wahren.“

„Was sollte uns eigentlich davon abhalten, ein Siegel ‚Made in Europe‘ einzuführen?“ „Davon halte ich nichts. Die anderen Nationen wären dafür sicher noch nicht so weit.“ „Warum nicht?“ „Weil das sicher einer dieser undemokratischen Versuche wäre, Deutschland zu schwächen.“ „Warum denn undemokratisch?“ „Da steckt doch sicher wieder die EU dahinter.“ „Aber die ist doch jetzt auch nicht demokratisch gewählt.“ „Trotzdem, die wollen doch bloß provozieren, dass wir auf deren Verhalten mit chauvinistischer Propaganda antworten – und diese reaktionäre Haltung lehnen wir einfach ab!“

„Und was hat Deutschland sonst zu melden?“ „Immerhin haben wir eine stabile Wirtschaft.“ „Und Sie erwarten bei den Vorkommen an Kupfer, Bauxit und Erdöl auf deutschem Boden, dass der Export ohne alles andere auskommt?“ „Immerhin sind wir Deutschland.“ „Und das war schon immer so?“ „Immerhin haben wir ein stabiles politisches System.“ „Worauf beruht das?“ „Wachstum.“ „Für die Wirtschaft?“ „Wenigstens für die richtigen Leute in diesem Staat.“ „Also etwas Thatcher, etwas Bush, etwas KGB. Und Merkel klebt zum Schluss den Stempel drauf. Made in Germany.“