Quid pro quo

31 01 2012

„Haben Sie denn überhaupt eine abgeschlossene Berufsausbildung?“ „Soziologie und Politik.“ „Das hilft uns auch nicht weiter.“ „Aber immerhin mit Promotion – wenn auch leider echt.“ „Egal, da bräuchten wir schon ein paar Praxiskenntnisse.“ „Ich war mal kurzfristig inhaftiert wegen…“ „Schon besser. Da wissen wir wenigstens, woran wir sind.“

„Ich wollte Ihnen gerne eine Zusammenarbeit vorschlagen.“ „Als Hilfswilliger? Wären Sie da nicht besser an Ihrer Universität geblieben?“ „Das dürfte schwer zu bewerkstelligen sein. Sie machen ja eher die Universitäten kaputt als die Parteien – obwohl in den Parteien jemand wie Sie gar nicht weiter auffallen würde.“ „Und worauf beziehen sich Ihre Qualifikationen?“ „Ich bin Terrorist.“ „Sie sind was!?“ „Zweiter Bildungsweg.“ „Waren Sie etwa in einer Untergrundorganisation?“ „Zehn Jahre im Bundesamt für Verfassungsschutz. Dann wurde das zu stressig.“ „Sie haben die Seiten gewechselt?“ „Man muss sich beruflich verändern. Der Markt, Sie verstehen.“ „Der Markt?“ „Naja, heute sagt man ja: die Märkte.“ „Ach so, ja. Und Sie haben gleich Anschluss gefunden?“ „Nicht sofort. Ich musste erst einmal eine politische Orientierung nachholen. Bei Ihnen lernt man das ja nicht.“ „Und Sie haben sich jetzt orientiert?“ „Ja, durchaus. Sie haben mir da im Verfassungsschutz wichtige Anregungen mitgegeben, die ich umsetzen kann. Ich bin gegen diese freiheitlich demokratische Grundordnung.“

„Lassen Sie uns mal sehen, was wir für Sie tun können. Sie sind flexibel?“ „Absolut. Ich könnte bei einem mobilen Einsatz beispielweise Autos in verschiedenen Bezirken…“ „So weit sind wir noch nicht. Vorerst müssen wir Ihre Zuverlässigkeit in Augenschein nehmen.“ „Wozu denn?“ „Um zu sehen, ob Sie auch für die Zusammenarbeit mit einem Inlandsgeheimdienst geeignet sind. Was würden Sie denn machen, wenn Sie beispielsweise sehen würden, dass Ihr Kollege als Doppelagent arbeitet?“ „Kommt darauf an.“ „Wie darf ich das verstehen?“ „Wenn er jetzt beispielsweise für die Linke tätig ist, müsste man schon Maßnahmen ergreifen.“ „Hm, ja. Und sonst?“ „Für andere Teile der antikapitalistischen Kräfte muss man dann schon eigene Lösungen finden. Wäre ja peinlich, wenn wir einem katholischen Bischof einfach mal die Fresse polieren würden.“ „Schon richtig. Aber wenn Sie beispielsweise – jetzt nur mal theoretisch, das heißt ja nicht, dass das auch wirklich…“ „Die gehören doch aber zu uns, haben Sie da kein Personalverzeichnis?“

„Diese Kooperation zwischen unseren, wie soll ich sagen – “ „Sie haben Nazis innerhalb der Belegschaft und außerhalb, richtig?“ „Ja, aber das ist ja nur aus innerbetrieblichen Gründen so.“ „Ich verstehe. Standortsicherung.“ „Standortsicherung?“ „Die BRD entwickelt sich immer mehr in Richtung Demokratie, da muss man gezielte Maßnahmen für eine nationale Ausrichtung ergreifen.“ „Sie haben das Prinzip erkannt. Und was könnten Sie uns da anbieten?“ „Wir würden Ihnen eine nationale Widerstandsbewegung aufbauen.“ „Wir?“ „Ich gehe davon aus, dass ich schnell ein gutes Einvernehmen mit Ihren Kräften bekomme.“ „Durchaus. Der deutsche Verfassungsschutz zeichnet sich aus durch eine treue Ergebenheit zu den Zielen der nationalen – wo war ich?“ „Bei Ihren Prinzipien.“ „Richtig. Wir arbeiten natürlich nur nach Vorschrift.“ „Und das lässt sich lernen?“ „Natürlich. Wenn wir Berichte über rechtsradikale Gruppierungen aus der Tagespresse ausschneiden, dass nur nach genau festgelegten Richtlinien. Schere und Lineal werden selbstverständlich vom Amt gestellt.“

„Sind bei Ihnen Aufstiegschancen drin?“ „Nicht auszuschließen. Die derzeitige politische Lage lässt immerhin offen, dass bei den nötigen Ereignissen auch ein Einsatz der Bundeswehr im Innern nicht auszuschließen sein dürfte.“ „Müsste ich mich da als Bundeswehrangehöriger verkleiden?“ „Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Aber Sie sollten sich vorher schon mal einen Vollbart stehen lassen.“ „Als Kommunist?“ „Wenn Sie etwas Arabisch lernten, wäre das auch nicht verkehrt. Oder wenn Sie wenigstens etwas arabisch aussähen.“

„Ich würde Ihnen da gerne ein Komplettpaket anbieten.“ „Komplettpaket?“ „Bombe, Personal, die Infrastruktur, Spuren im Internet.“ „Und eine umfassende Zusammenarbeit bei der Vertuschung von Spuren?“ „Ja. Nur kein Bekennerschreiben mit Fingerabdrücken. Sonst wüsste der Innenminister ja sofort, dass es sich um Rechtsradikale handelt.“

„Wir würden es mal mit Ihnen probieren. Haben Sie entsprechende Vorkenntnisse in konspirativer Arbeit gesammelt?“ „Wie gesagt, ich war mal zehn Jahre bei Ihnen.“ „Das holen Sie schon auf. Wir haben noch jeden Idioten bei uns untergekriegt.“ „Sehr schön. Und die Überprüfung?“ „Welche Überprüfung?“ „Die Sicherheitsüberprüfung. Sie werden doch wohl in einem so sensiblen Bereich niemanden beschäftigen, der nicht über jeden Zweifel erhaben wäre?“ „Doch, wir werden da schon irgendwann sehen, ob wir Verwendung für Sie haben.“ „Sie haben doch meine Akte gerade vorliegen, warum beurteilen Sie sie nicht jetzt gleich?“ „Hm. Ich muss mal sehen. Ihr Vater kam aus der DDR?“ „1945 gebürtig in den Ostgebieten. Geflohen in die SBZ.“ „So. Und Sie haben studiert in Hamburg. Bundesamt für Verfassungsschutz, und dann Mitglied in der Jungen Union?“ „Ich war so frei.“ „Pack Dich! Wir nehmen hier doch nicht jeden dahergelaufenen Radikalinski!“