„Wahlkampf? wieso Wahlkampf? Jetzt schon? Und dann auch noch gegen die Kanzlerin? Warum denn gegen die Kanzlerin? Die macht doch gar nichts? Nein, das haben Sie jetzt aber wirklich nicht richtig verstanden. Die Sozialdemokratie dekoriert nicht um. Wir räumen auch nicht das Lager. Wir schmeißen den ganzen Dreck nur auf einen Haufen, damit man ihn schneller überblicken kann. Das Beste aus einem Jahrhundert SPD.
Sie müssen sich dem musealen Charme unserer Partei einfach mal hingeben. Diese Ausstellung wird sicher ganz großartig. Da werden Sie vielen alten Bekannten begegnen. Willy Brandt, Helmut Schmidt, dem Mindestlohn, alle da. Natürlich nur aus Gründen der Traditionspflege. Man muss sein Image ja eher an der Gegenwart ausrichten. Wenn man es schon mit der Zukunft nicht so hat.
Das ist hier eine historische Sammlung, keine Geisterbahn. Reißen Sie sich mal am Riemen. Wenn wir wieder diese Wahlplakate machen: ‚Dumpinglöhne würden CDU wählen‘, das ist doch nicht vernünftig. Stellen Sie sich mal vor, die Industrie würde jetzt ernsthaft an eine historische Aufarbeitung ihrer Verfehlungen gehen, und dann hätten wir immer noch diese Parolen – es würde doch kein Umdenken einsetzen, verstehen Sie? und bei der Wirtschaft auch nicht.
Wir werden einen Richtungswahlkampf zeigen, aber keinen Lagerwahlkampf. Was das heißt? Haben wir auch nicht verstanden. Aber wir denken uns das so: Lagerwahlkampf heißt, wir bräuchten erstmal eine Position – das dürfte schon sehr schwierig werden, wenn Sie dann auch noch nicht von ihr abrücken wollten. Eher nicht so gut. Aber Richtungswahlkampf, das ist Bewegung. Immer in die andere Richtung, immer anders als die CDU, immer anders als die Kanzlerin. Wenn Sie Glück haben, stehen wir der Merkel aus Versehen direkt gegenüber und laufen ihr genau in die Arme. Dann hätten wir eine Bundesregierung mit Beteiligung der Sozialdemokraten. Eine SPD-Mitregierung, meinen Sie nicht auch, dass man für solche Ziele ruhig semantische Feinheiten riskieren könnte?
Das wäre dann hier der Kanzler-Pavillon. Da hätten wir ein paar Standbilder, das wäre wenigstens ästhetisch einigermaßen ansprechend. Im Kreis. Damit man sich das mal als Gesamtbild anschauen kann. Rechts die CDU, links die SPD. Die Merkel könnte man dann in die Mitte stellen – aus Gründen der Proportion, nicht wahr. Schröder kriegen wir dann schon irgendwo unter.
Nein, das haben Sie falsch verstanden. Unser Gegner sind die Finanzmärkte? Das soll der Genosse Gabriel gesagt haben? Entschuldigen Sie mal! Abgesehen, dass der Dicke so einen klaren Satz gar nicht raus bekäme, das kann doch nicht war sein! Wir wollen doch der künftigen Koalition nicht schon jetzt die Tür vor der Nase zuschlagen. Und genauso halten wir das auch mit der sozialen Spaltung. Hier sind Experten gefragt, und wer könnte sich hier kompetenter in den Diskurs einbringen als die SPD?
Basisdemokratisch wird das. Richtig modern, mit Grundgesetz und so. Wir setzen auf die Beteiligung derer, die noch nicht Mitglied der SPD sind. Die sollen ja manchmal noch dieses – wie hieß das? Wirklichkeit, da haben einige von denen noch Beziehungen und können berichten, wie es da zugeht. In diesem Draußen. Deshalb wollen wir diesen Bürger-TÜV. Da können Sie sich registrieren lassen. Als Bürger. Bei diesem TÜV. Richtig, das ist ein Überwachungsverein – bei der CDU wollen sie wissen, ob die Bürger noch ganz richtig ticken, und bei uns ist das eben umgekehrt. Tolle Sache, finde ich. Ganz tolle Sache. Bringt gar nichts, aber klingt das nicht unheimlich modern?
Hier haben wir unsere Gedenkecke installiert. Begehbar natürlich, groß genug ist das Terrain ja schließlich. Paar Sitzbänke hier, da können Sie von unten auf Deutschland schauen – Stehplätze, muss ich Ihnen ja nicht sagen – und hier oben sind ein paar hübsche Polster. Privatisierung, Öffnung der Finanzmärkte, ein paar sehr schöne Hochglanzfotos aus der Industrie, damit Sie auch mal sehen, wo Ihre Steuern für notleidende Milliardäre geblieben sind, und dann die Hartz-Gesetze. Sechs Meter. Haben wir alle an die Wand gestellt. Hätten Sie sich ja denken können.
Ach, das ‚Jahr der fairen und höheren Löhne‘. Wir waren uns nicht ganz einig, ob wir das ernst nehmen sollten – wissen Sie, das war ja auch nur für den Wahlkampf an sich entworfen worden, und da wussten wir nicht, ob wir es nicht besser auf 2018 verschieben oder auf 2025. Je nachdem, wie das Angebot angenommen wird. Wir hatten das mit den Gewerkschaften schon abgestimmt, es wird dann eine Dauerausstellung. Mobil natürlich – wir gastieren in allen größeren Städten, wo wir das Publikum nicht mehr zu überzeugen brauchen. Oder in diesem Internet, sobald wir uns in das Thema eingearbeitet haben.
Wer die Ausstellung eröffnet? Ich habe keine Ahnung. Wir werden ja alle sehr beschäftigt sein, nicht wahr. Gehen Sie mal davon aus, dass wir die Kanzlerin als Ehrengast damit beauftragen. Die weiß doch am ehesten, wie man solche Sachen macht. Gesamteuropäisch, staatstragend. Verpassen Sie auf keinen Fall unsere Ausstellung – so werden Sie die Geschichte der Sozialdemokratie sicher nie wieder erleben. Versprochen. Das wird einzigartig. Das müssen Sie erleben. Kommen Sie mit der ganzen Familie. Fotografieren erlaubt. Was? Filzpantoffel? Keine Sorge, alles inbegriffen. Sie sind schließlich bei der SPD.“
Satzspiegel