Gernulf Olzheimer kommentiert (CXL): Haushaltsschrott

24 02 2012
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Ein sicheres Zeichen von Intelligenz ist der Gebrauch unbelebter Objekte. Der Elefant rüsselt sich mit Zweigen die Parasiten aus dem Dickfell, der Otter knackt seine Meeresfrüchte mit dem Stein auf dem Bauch. Der männliche Gelbnacken-Laubenvogel gar pinselt mit dem Blätterbusch seine Brutlaube in modischen Farben an – die Ergebnisse im Inneren des Plattenbaus sind selten besser. Vom Primaten, der in allem herumstochert, lernt der Mensch die ersten Waffen zu bauen, das, was ihn objektiv nicht zum wertvolleren Teil der Fauna macht, ihm aber das Überleben sichert samt Ansätzen der Zivilisation, zwanghafter Ausbreitung in lebensfeindlichen Breitengraden, Aufbau einer Kulturindustrie von zweifelhaftem Wert sowie Innenraumgestaltung seiner Wohnstatt mit Bett, Tisch, Auslegeware und, wie sollte es anders sein, Werkzeug, insbesondere das, was als gemeiner Haushaltsschrott seine Herkunft nur oberflächlich zu verleugnen in der Lage ist.

Nicht mit dem Stein knackt die Mehlmütze ihre Muscheln, der häuslich Eingerichtete nimmt das Messer, das zu diesem Behufe in vielerlei Form und Farbe greifbar ist: Austernmesser, Buttermesser, Obst-, Käse- und Buntmesser, Tisch-, Tranchier- und Ausbeinmesser, Taschen-, Klappmesser oder Tiefkühlkostsäge. Instinktiv vergreift er sich dabei in der vollgeschaufelten Schublade und bekommt nur das Lachsmesser mit rostrotem Kunststoffgriff in die Flossen, ein vorzügliches Instrument, um sich aus jedem beliebigen Winkel die Pulsadern der Länge nach zu öffnen, rutschig, angelaufen und immer kurz vor dem Durchbiegen der Klinge. Der Bekloppte hatte eigens zwei Dutzend Becher einer glitschigen Separatorenfleischzubereitung aus dem Kühlregal in seinen Verdauungstrakt gepfriemelt, um für die Treuepunkte auf dem Deckel einen aufblasbaren Kölner Dom zu erhalten; Dom war aus, Messer gab’s noch, und schon war der Schrank noch ein bisschen voller geworden. Wie die meisten Pfeffermühlen, Flaschenöffner, Ausgussstopfen und Dosierspender für Schnaps und Seife, so war auch dies Utensil der Ausfluss einer nie versiegenden Quelle für drittklassigen Industrieabfall, der als Werbegeschenk und Dreingabe unbescholtene Konsumenten in die Hirnembolie treibt.

Reinigungsbälle aus Weichplastik, die Wolle in der Waschtrommel vor dem Verfilzen retten soll, der Gummiringspender in Eichhörnchenform, ein japanischer Rasierklingenschärfer aus China, alles das bedarf ästhetischer Erklärung und Gewöhnung, verspricht viel und hält wenig. Die Taschenlampe mit dem Schwungrad, die batteriefreies Licht zu geben gelobt, ist in Wahrheit ein klobig in der Hand klebender Brocken, der nach mehrmaligem Herumschwiemeln an der wackeligen Mechanik trübselige Photonen in die Gegend hüstelt und der majestätischen Ruhe des Vergänglichen harrt. In der Sonne aufladbare Christbaumkugeln lichtern irr durch die Weihnachtsnacht, die ausziehbare Wäscheleine für den Urlaub frisiert mit wenigen Handgriffen ein Hotelzimmer zur täuschend echten Vergrößerung eines Spinnennetzes. Gemeinsam ist dem ganzen Plunder, dass der Erfolg kaum messbar ist oder anderweitig wieder aufgefressen wird: der mechanische Hacker mit der sensationellen Kurbel zerkleinert feste Nahrung im Handumdrehen und beschleunigt die Küchenarbeit enorm – vorausgesetzt, man hat einen Putzsklaven, der die stundenlange Reinigung des aus drei Dutzend Einzelteilen verschraubten Apparillos in Eigenregie fortführt. Weil das Zeug vordergründig als Arbeitserleichterung erscheint, kommt sich der Verwender maßlos clever vor, ist es aber nicht.

Während die Tischdeckenbürste hochfein die Krümel von der Tafel fegt, dafür aber bröselnde Borsten auf dem Damast hinterlässt, killt die im Lufterfrischer ausgebrachte Essenz in Zeitlupe den Kollegen Ficus. Der hinterhältige Krimskrams macht die Bude in nachvollziehbarer Zeit zu einem Feld des Grauens. Die trainierte Hausfrau ist in der Lage, mit Hilfe eines Wunderputzschwamms eine komplette Hochhaussiedlung dem Erdboden gleichzumachen. Die Tücke des Objekts tut ein Übriges, dass Schäden selbst durch sachgemäße Anwendung erfolgen können – splitterndes Plastik, rostende Metallteile, billiges Pressglas sorgen dafür, dass in jedem Centartikel eine Todesfalle lauert.

Denn der Haushaltsschrott ist hinterhältig; er hat sich auf vorrationaler Ebene mit dem Bewusstsein des Bescheuerten verzahnt. Die Ausläufer des Stammhirns in Richtung Impulsknoten signalisieren dem Querkämmer eine Frühform von Intellekt, so er mit Tütenverschlussklammer und Tubenquetsche seine kärgliche Existenz aufzumotzen sucht: der Widerstand nähert sich ε, der Krempel assimiliert den Bekloppten schneller, als Fruchtfliegen aus einem Pfund Pflaumen hinter der Küchenbank das Heim übernehmen könnten. Der Dummgnom tut in Verachtung seiner selbst weiterhin tapfer, als sparte er Strom, Wasser oder Zeit, stopft den Quark in die Schublade zurück und zückt ihn höchstens noch ein zweites Mal, wenn die wirkliche Gefahr lauert – verbissen redet er sich ein, das Ding müsse doch wie von Bedienungsanleitung und platonischer Idee vorgesehen funktionieren, und also legt er nochmals Hand an. Manchmal geht das gut, die Kunst der Neurochirurgie hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht, wenn jedoch nicht, so bleibt ein Erdenrest, Trost zu spenden. Es bleibt ein Erbe von hohem ideellem Wert. Denn auch die nächste Generation will ihre Herausforderungen.


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