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27 02 2012

Dingdong! „Guten Tag, wir möchten uns gerne mit Ihnen über das Internet unterhalten.“ „Ja äääh – Sie stehen doch aber hier vor meiner Tür, da können Sie doch nur direkt… Moment mal, wer sind Sie überhaupt?“ „Wenn wir das mal wüssten. Ist doch alles so anonym in diesem Internet da.“ „Stimmt auch wieder. Na, dann kommen Sie mal rein. Von wem sind Sie denn?“ „Wir sind von der Netzgemeinde.“

„Ich hatte Sie mir ganz anders vorgestellt.“ „Wie denn?“ „Anders halt. Nicht so, wie Sie jetzt sind.“ „Und wie sind wir jetzt?“ „Weiß ich nicht, ich kenne Sie ja gar nicht.“ „Aber wenn Sie uns nicht kennen, wie können Sie dann beurteilen, wie wir sind?“ „Ich weiß nicht.“ „Und wie können Sie dann beurteilen, wie wir nicht sind?“ „Weiß ich auch nicht. Aber immer, wenn ich etwas über Sie gelesen habe, dann wusste ich nicht, wer Sie sind.“ „Und wie wir sind.“ „Das auch. Aber ich hatte auch keine genaue Vorstellung davon, wer Sie sind und was Sie machen. Und warum. Und das alles eben. Wie sind Sie denn nun wirklich?“ „Na, anders halt.“

„Sind Sie denn jetzt so eine richtig eingetragene Organisation?“ „Sie meinen, ein Verein? Mit Mitgliedern, Satzung, Jahreshauptversammlung und Kassenwart?“ „So ähnlich.“ „Wenn ja, was würden Sie denn denken, was wir so tun?“ „Sie sind in diesem Internet.“ „Gut, das ließe sich notfalls an unserem Namen erkennen – aber was tun wir in diesem Internet? und ist es das Internet, in dem die anderen sind? oder haben wir möglicherweise ein eigenes aufgemacht und lassen die anderen nicht rein?“ „Sehen Sie, das frage ich mich auch schon die ganze Zeit.“ „Na, das ist doch schon mal ein Anhaltspunkt. Zu welchem Ergebnis sind Sie denn gekommen?“ „Ich weiß nicht. Wahrscheinlich sind Sie in einem Internet, in dem es gefährlich ist.“ „Weshalb man da eine Netzgemeinde braucht.“ „Sozusagen.“ „Als Selbstschutzorganisation gegen die Feinde.“ „Gewissermaßen.“ „Wir sind also eine digitale Selbsthilfegruppe, ja?“ „Was weiß denn ich, Sie sind doch hier der Gemeinderat, oder wie sich das nennt.“ „Woher sollen wir das wissen, Sie haben uns doch diese Bezeichnung gegeben.“

„Aber mal unter uns – haben Sie nicht auch manchmal ein bisschen Angst?“ „Dass unser Web gefährlich ist? Eigentlich nicht.“ „Aber da sind doch Mord und Totschlag. Und Raubkopien. Und manchmal wird man ausspioniert.“ „Das ist nicht so schlimm, das macht der Staat auch.“ „Da werden ja Kreditkarten gestohlen und Milliardenbeträge, die in keiner Statistik auftauchen.“ „Ach was, damit kommen wir zurecht.“ „Sie haben so eine digitale Schutztruppe, die die Gegner forthackt, richtig?“ „Nein, wir haben etwas entdeckt, das uns immer wieder vor Schaden bewahrt. Unser Internet steckt in kleinen Kisten, die man auch ausknipsen kann.“ „Echt?“ „Echt. Wir brauchen nicht einmal einen Notrufknopf, den haben Sie umsonst erfunden.“ „Und die Menschen?“ „Welche Menschen?“ „Das sind doch Menschen im Netz.“ „Tatsächlich? ist uns gar nicht aufgefallen. Es handelt sich wohl um ein anderes Internet.“

„Sie wollen doch jetzt, dass ich Ihnen beitrete.“ „Natürlich nur, wenn Sie das selbst wollen.“ „Ja klar.“ „So klar ist das nicht. Ob Sie beispielsweise Bundesbürger sein und in der Weihnachtsansprache des jeweiligen Bundespräsidenten gegrüßt werden wollen, entzieht sich auch Ihrer Entscheidung.“ „Solange ich nicht ständig von seiner Frau gegrüßt werde, ist mir das eigentlich völlig egal. Aber ich soll Ihrer Bewegung doch jetzt beitreten, sehe ich das richtig?“ „Wenn Sie möchten.“ „Gibt es da auch Ausschlusskriterien?“ „Fielen Ihnen denn welche ein?“ „Doppelmitgliedschaft? Also wenn man jetzt zu einer Sekte gehört, kann man doch schlecht einer anderen beitreten, oder?“ „Träfe das auf Sie zu?“ „Naja, ich bin in dieser Partei, die früher mal di SPD war.“ „Das sollte aber noch nicht generell ein Hinderungsgrund sein.“ „Dann bin ich ja beruhigt.“ „Auf der anderen Seite müssten Sie bedenken, dass Sie schon Mitglied in anderen Randgruppen sind.“ „Randgruppen?“ „Die Papierdruckgemeinde. Oder beispielsweise die Fernsehgemeinde.“ „Aber doch nur passiv!“ „Wenn Sie nicht Zeitung lesen würden, würde man auch keine drucken.“ „Dann bin ich am Ende für den Mist verantwortlich, der da drinsteht? Das wollte ich nicht!“

„Wir wollten Sie eigentlich bloß mal kennen lernen. Weil Sie ja zu uns gehören.“ „Das heißt, ich bin jetzt schon Teil der Netzgemeinde? Warum sagt einem das denn niemand?“ „Sie hätten sich wohl beschwert, wenn man es Ihnen mitgeteilt hätte?“ „Keine Ahnung – das kommt alles etwas plötzlich.“ „Dafür sind Sie jetzt Teil einer Mehrheit.“ „Auch, wenn ich weiterhin in der SPD bin?“ „Ja, sogar als Zeitungsabonnent.“ „Das hatte ich nicht bedacht.“ „Sie werden sich daran gewöhnen.“ „Gut, wenn der Innenminister gegen die Netzgemeinde hetzt, weil er nicht weiß, was das ist?“ „Dann dürfen Sie sich ab sofort auch angesprochen fühlen.“ „Das ist ja schön. Da weiß man dann sofort, dass man auch Teil dieser Gemeinschaft ist.“ „Na, wenn Sie das sagen – dann wissen wir jetzt schon mal, dass Sie zu uns gehören.“ „Habe ich Ihnen helfen können?“ „Ja, danke. Ein kleines bisschen. Aber jetzt müssen wir weiter. Selbstfindung, Sie wissen schon.“ „Natürlich. Auf Wiedersehen!“ „Auf Wiedersehen.“ „Und besuchen Sie mich gerne wieder – in diesem Internet!“