„Du liebe Güte, bloß nicht! Wir können doch nicht mit der in den Wahlkampf ziehen! Stellen Sie sich mal vor, das hört die Merkel, Roth-Grün – da flippt die Alte doch aus!
Natürlich, irgendwie müssen wir jetzt einen Spitzenkandidaten hinkriegen. So lange ist es ja nicht mehr. Wahl? Sie meinen, wir sollten die Mitglieder befragen? Nein, das wäre ja eine – wie kommen Sie darauf, dass wir mit demokratischer Entscheidungsfindung nichts anfangen können? Das halte ich nun doch für zu weit hergeholt. Diese Mitgliederbefragung ist nur – Piraten? wieso denn Piraten? Wir können das doch ganz eigenständig organisieren, wir müssen uns doch nicht an das Ergebnis gebunden – ach, Sie meinen, wir sollten eine Richtungsentscheidung mit einer Urwahl zulassen? Wie kommen Sie denn darauf? Glauben Sie, wir wüssten nicht, dass wir nur den nächsten Abnicker in der Bundesregierung wählen?
Das sind vermutlich die Nachwehen der grünen Erfolgsstory aus dem vergangenen Jahr. Aber wirklich, der Trittin geht ja mal gar nicht. Bedaure, wird nichts. Also nicht, weil er die Frauenquote reißt. Die ganzen geistesgestörten Tanten in lila Latzhosen, die wegen Roth in die Partei eingetreten sind, um ganzheitlich Robbenbabys zu retten, würden sofort aus der Partei austreten. Das können wir uns einfach nicht leisten. Wissen Sie, er ist ein bisschen wie die SPD. Es gibt jede Menge guter Gründe, ihn gar nicht erst in die Nähe der Regierungsverantwortung zu lassen, er macht haltlose Versprechungen, man entdeckt beim genaueren Hinschauen lauter merkwürdige Dinge in seiner Vergangenheit – und zum Schluss wird er doch gewählt, um etwa noch Schlimmeres zu verhindern. Denken Sie sich in dem Fall eine Doppelspitze Roth und Künast. Meinen Sie nicht auch, Trittin wäre die bessere Wahl?
Wird er aber nicht. Weil es Roth ja nicht wird. Und wenn Roth es wegen Trittin nicht schafft, dann wird es auch Trittin wegen – also trotz Roth, wollte ich sagen, oder ist das dasselbe? Nein, schlagen Sie sich die Frau aus dem Kopf. Als Maskottchen der Farbenblinden vielleicht, aber sicher nicht als Spitzenkandidatin. Sie verwechselt den Laden zu oft mit einem Karnevalsverein für schwer erziehbare Kinder. Ihre leicht hysterische Art ist ja für Parteitage ganz schön, seitdem Westerwelle weg vom Fenster ist, leidet man schon ein wenig an diesem Vakuum. Aber das wird nichts. Weil das mit Trittin nichts wird. Trittin soll ja in der Partei der beliebteste Mann sein, und Roth ist bei den Wählern die populärste Grüne. Aber die Sache hat einen Haken: Roth ist in der Partei mit Abstand die unbeliebteste Frau, und Trittin ist bei den Wählern am wenigsten gefragt. Das wird nichts.
Wir hatten ja eine Quartettlösung mit nachhaltig gruppendynamischer Rotation angeregt, aber das gestaltete sich schwieriger als erwartet. Während der Klausurtagung mussten wir jeden Tag Messer unter den Matratzen konfiszieren – bei allen. Die hätten sich in der Gesprächsrunde gegenseitig im Beisein einer Bezugsperson zerfleischt.
Künast können Sie auch knicken. Wir haben ja schon Befürchtungen, dass sie einen Tag vor der Wahl hinwirft, weil ihr jemand verrät, dass die Grünen wieder nicht stärkste Fraktion werden. Und Özdemir? Falsche Partei. Wirklich, der ist in der falschen Partei. Dieses Gehabe, die Arroganz, die Nähe zur Wirtschaft, rechthaberisch ist er auch noch, der könnte doch seine Glaubwürdigkeit glatt verdoppeln, wenn er endlich in die CDU eintritt. Er ist der Vorsitzende. Böse Zungen behaupten, er habe sich von der Schröder die Birne-Plakate geklaut und würde im Keller kohlesk gucken üben.
Wir haben jetzt ein ganz neues Konzept. Passiv-aggressiv, verstehen Sie? Also so wie passiver Widerstand, so gewaltfrei irgendwie, Startbahn West, Castor-Transport vielleicht auch noch – aber dann eben auch total die Verweigerungshaltung. Das hat uns Renate Künast mitgebracht aus Berlin, nachdem Wowereit sie wegen ein paar Metern Betonpiste raus gekegelt und sich der CDU an den Hals geschmissen hat. Kennen Sie noch den alten Münte? den mit der Opposition? Hier? Kennen Sie? Kennen Sie? Regieren ist Mist. Jedenfalls dann, wenn man dann auch regieren muss und nicht regieren kann. Also bloß nicht gewinnen. Wir geben die Gewinnwarnung aus, verstehen Sie?
Das ist doch ungeheuer praktisch! Keiner kann Ihnen hinterher sagen, dass Sie aus lauter Machtgier an der Regierung beteiligt sind. Sie dürfen ständig meckern, der Atomausstieg – also der Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg, oder doch dann der Ausstieg vom Ausstieg vom – Sie wissen schon, das mit Rösler und den Solarkacheln. Sie müssen nichts machen. Und Sie wissen, dieser ganze Müll dauert mit der Merkel noch vier Jahre länger, der Laden fährt so richtig an die Wand, und dann wünschen Sie sich nichts mehr als eine Bundesregierung, in der endlich wieder die Grünen sitzen, weil deren Ziele schon viel zu lange einfach den schnöden wirtschaftlichen Zielen des Raubtier-Turbokapitalismus geopfert worden waren. Endlich wieder Grüne, endlich wieder eine reale Beteiligung an der Regierung! Endlich wieder eine geradezu historische Chance, unsere ökologischen Ziele für eine rücksichtlose Energiewende zu realisieren! Mit Glück erst 2017. Das nenne ich Nachhaltigkeit!“
Satzspiegel