Gernulf Olzheimer kommentiert (CXLIV): Autozubehör

30 03 2012
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Das Leben in der Savanne ist öde geworden. Die gefährlichen Landraubtiere sind ausgestorben, drücken sich im Zoo herum oder haben sich dank Plattentektonik auf andere Kontinente verdrückt. Flächenbrand gibt’s nur noch, wenn der Russe Stress hat mit seinen Nachbarvölkern, die Sintflut sieht in den Breitengraden der Okertalsperre aus wie ein Wasserrohrbruch für zwei Erwachsene mit Kind und Hund. Nichts kickt, nichts gibt dem Hominiden das sichere Bewusstsein, dass jeder Tag der letzte sein könnte. Lustlos hockt er in seiner Werkstatt oder im ehelichen Gemach, jubelt sich Kräuterschnaps und Actionfilme rein und weiß genau: Lokomotivführer wird er in dieser Episode auf Terra sicher nicht mehr. Adios, schönes Leben. Minimal tröstet ihn die alte Mühle auf dem Hof, jene rostfarbene 69-PS-Schüssel mit Schrägheck und identifizierbarer Stoßstange, die Gefährtin der Stunden auf dem Weg zum Getränkefachhandel. Da fällt es ihm wie Schuppen von den Augen, als der Beknackte den Briefkasten öffnet und mit zitternder Hand die Erfüllung findet in einem Katalog, der seine tiefsten Gefühle anspricht. So fühlt er beim Autozubehör.

Es zerfällt in drei Kategorien: erstens der technisch überflüssige Schnickschnack, zweitens das ästhetisch Fragwürdige, drittens die pathologischen Zustände in materialisierter Form. Zu erster Kategorie lassen sich Dreh- und Flieh- und sonstige Kraftmesser zählen, Bordcomputer und Abstandswarner, die dem Cockpit der Karre in Sekundenschnelle die Unübersichtlichkeit eines Verkehrsflugzeugs verleihen. Im Gewitter einer auf Hochtouren blinkenden Armaturenlandschaft hockt der Lenker wie ein Affe im Versuchslabor und stellt sich tapfer der Herausforderung, durch die trübe Frontscheibe die Ampel zu erkennen und vom Photonengewirr der Fahrgastzelle trennscharf zu unterscheiden. Leichte Übergänge zur zweiten Form bietet jener suchtartig auf die Karosse gepappte Blech- und Plastemüll, der den Auftrieb der Kiste so minimal verhindert, dass die frontale Kollision mit einer Stubenfliege eine größere Ablenkung der Flugbahn bedeutete. Die tumorartig aus dem Kfz-Umriss ragende Beulenpest findet ihr Maximum in der monströsen Frontschürze, die bei mehr als millimetergroßer Bodenverwerfung hart aufsetzt und mit ihrem weltraumgetesteten Material jede betonierte Zufahrt bei lässiger Berührung in eine meterlange Risswunde verwandelt. Knapp in die dritte Stufe ragt schon das Innenraumdekor, das dem Automobil das Gepräge eines psychedelischen Traums verleiht, verschwiemelt in drogeninduzierte Blödheit. Alles feiert hier sein Dasein, was der Ästhetikbeauftragte einst auf den Scheiterhaufen hatte karren wollen.

Hier liegt das Kerngebiet des Zubehörhandels, die Attacke auf die Zielgruppe der automobilen Hirnkirmes, Vielfalt, die auf Vortäuschung zielt, ein Trompe-l’œil jenseits von Sitten und Geschmack. Jeder, der einmal eine Kleingartenanlage an einem Samstagnachmittag betreten hat, kennt mindestens einen völlig versaubeutelten Ford Fiesta mit einem Doppelzentner goldfarbigem Kunststoffimitat, Vollverspoilerung, die dem Objekt die Straßenlage eines Kampfpanzers verleiht, sowie visuellen Karzinogenen in Glitzerlack, Rallyestreifen für die Zone 30 und gestaltpsychologisch als Adaptionen des Röhrender-Hirsch-Phänotyps aufgepappte Fantasy-Miezen mit feuerspuckenden Echsen. Wer sich mit diesem Kruscht als schmerzfreier Vollhonk outet, der braucht sich nicht über die Distanz der Nachbarn mit Schulabschluss zu wundern. Die Fronten klären sich manchmal schnell.

Schaltknauf im Patronendesign, Fensterkurbeln aus skelettiertem Alu und Sportfelgen im Formel-Eins-Look zeigen dem Gender-Mainstreaming einfach mal elegant den Mittelfinger. Der Mann als Spielkind, unvernünftig, das Subjektive mit dem Sinnvollen verwechselnd, hier lebt der maskuline Depp noch fröhlich seine chromosomal bedingte Doofheit aus. Während die Frau Zeugs sammelt, der den Hausstaub aus der Umgebungsluft filtert, Tiefgeschosse mit Schuhregalen füllt oder Kosmetika aus einer Handtasche in die andere schottert, frönt der Bekloppte seiner Spoilersucht, pimpt seine Nuckelpinne mit Pedalblenden, Wackeldackel und Innenspiegelgebamsel und hofft, dass die Vorsehung ihn und seinen Duftbaum synchron in die Grube fahren lässt. Gründe dafür gäbe es genug.

Das Motiv für die verspachtelten Kraftwagen ist die chronisch dicke Hose, das im Leerlauf balzende Männchen scheut keine Mühen – während der Bescheuerte seine schwere Impotenzneurose durch den Erwerb eines Ferrini, Lamborghati oder Maserari kompensieren muss, nimmt der im Quadrat beknackte Depp den Umweg und imitiert die gemächtsfixierte Störung durch Nachturnen der Hirnausfallsymptomatik. Die Knalltüte ist damit am Boden angekommen, wo es Frontzähne kostet. Und das alles nur auf der Suche nach ein bisschen Seelenheil, das die Individualität eines gefährlichen Lebensentwurfs verschaffen könnte. Wir können von Glück sagen, dass die Teilzeitfetischisten der Vierradsorte bekennende Weicheier sind, die nie im Leben ihre elend mit Flitter gefönten Flitzer dem Stress eines schmackigen Überholrennens aussetzen würden – die Ventilkappen mit EK-II-Deckel könnten dran glauben müssen. Und hätten sie den Schneid für eine Runde Burnout auf dem Standstreifen, sie müssten sich nicht den Pkw mit einem Festmeter Schnickschnack zuschütten. Denn der echte Bolidenpilot weiß besser als die Riege der Fußmattenföner: jedes Gramm zählt. Wozu also die beknackte Armaturenbrettvase? Wenn das Karibu sich missgelaunt auf die Motorhaube lehnt, kann man immer noch nach Grünpflanzen suchen. Bis dahin bleibt das aufgemotzte Gefährt nichts als ein bewegliches Hindernis. Wir wissen, was zu tun ist.