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8 05 2012

Der Hammer lag gut in der Hand, leicht und formschön, mit einem glatten und einem genoppten Ende in glänzendem Gussstahl. „Ein Wiener Schnitzel“, versicherte Knöbel, „ist erst ein Wiener Schnitzel, wenn es mit einem richtigen Fleischklopfer bearbeitet wurde. Wir setzen da ganz auf Qualität – aber das wissen Sie ja.“ Sein Einrichtungs- und Haushaltswarengeschäft unterstrich den hohen Anspruch durchaus. Gediegenes Ambiente und Schönheit, wohin man nur sah. Sogar bei den Küchengeräten.

„Acht Euro neunzig“, verkündete Knöbel. „Dafür bekommen Sie das auch im Kaufhaus gegenüber. Aber bei mir ist die Beratung nun mal viel besser.“ Elegant wickelte er den Hammer in Packpapier, das er alsbald in eine bedruckte Papiertüte steckte. Sonst nichts stand auf dem Emblem, perlgrau auf eierschalenfarbenem Grund gedruckt, von Blütenranken umschnörkelt. „Wenn Sie gerade hier sind, schauen Sie doch mal, ob Sie nicht noch eine Kleinigkeit zum Schenken mitnehmen wollen. Wir sind gut sortiert.“ Der Schirmständer zu meiner Linken gefiel mir. „Gute Wahl“, bestätigte Knöbel, „Sie haben Geschmack. Wenn Sie einen Augenblick Geduld haben, suche ich Ihnen die dazu passenden Garderobenhaken aus Schmiedeeisen im Lager. Sehr rustikal, wertige Optik, und Sie können sie so gut wie überall anhängen. Wirklich ein Schmuckstück. Und viel günstiger, als Sie denken.“ „Was denke ich denn“, entgegnete ich. Er lächelte. „Sie denken, dass Qualität eben seinen Preis haben müsse – was ja stimmt. Wir haben da unseren eigenen Zugang.“

Der mittelalte Mann mit den etwas zu langen Haaren und der etwas zu breiten Krawatte spielte etwas zu nervös mit seiner etwas zu auffälligen Sonnenbrille. „Wenn ich Ihnen helfen darf“, grüßte Knöbel ihn mit einem etwas zu tiefen Diener. Der Besucher winkte gnädig ab. „Ich wollte mich nur einmal umsehen“, sprach er in halb gelangweiltem, halb hochnäsigem Ton, während er seinen Blick etwas zu hektisch über das Angebot schweifen ließ (worin sich auch zeigte, dass es sich bei ihm mit tödlicher Sicherheit um einen neureichen Trottel handeln musste, der sich mit der Unsicherheit eines Pinguins auf dem Festland durch die Gefahren des ganz normalen Daseins manövrieren musste), um dann energisch und etwas zu weich die Faust zu ballen. „Eigentlich wollte ich ja bei Ihnen Küchengeräte besichtigen, aber Sie sind wohl nicht so gut sortiert.“ Knöbel hielt ihm artig einen chromblitzenden Nussknacker unter die Nase. „Wenn Sie einen besonderen Wunsch haben, dann nur frei heraus. Wir richten uns da ganz nach Ihnen.“

Er zeigte mit dem Finger auf den Schirmständer. „Da“, befahl er, wenngleich nicht genau klar wurde, was dieser Einwurf nun eigentlich bedeuten sollte – vielleicht waren seine Ausdrucksmittel etwas beschränkt, vielleicht hatte er auch nur nach langer Zeit und vielen Schlägen auf den Hinterkopf in einem lichten Moment einen Schirmständer gesehen und sofort als solchen wiedererkannt, wer sollte und wer wollte das schon wissen. „Da“, insistierte der Mann und schüttelte den Zeigefinger in Richtung Eisengestell, „was kostet der?“ Knöbel runzelte die Stirn. „Bedaure, aber das Stück ist unverkäuflich.“ „Preis spielt keine Rolle“, schnarrte der Mann, „ich nehme den hier. Packen Sie gleich ein.“ Knöbel lehnte sich etwas über den Ladentisch. „Unverkäuflich bedeutet: unverkäuflich, was war daran denn so schwer zu verstehen?“ Der Mann schnaufte. „Sagen Sie schon, den Preis! was ist der Preis? Wie viel kostet das Teil?“

Jetzt begriff ich. Das also war das Konzept für diesen Laden. „Entschuldigen Sie“, fragte ich, „ich suche die Abteilung für Küchenzubehör.“ Knöbel verzog keine Miene. Mit einer schwungvollen Bewegung hatte er einen neuen Fleischklopfer aus der Schublade gezogen. „Der wird sehr gerne genommen in Buche mit ergonomisch geformtem Steady-grip-Stiel. Wenn Sie einmal versuchen möchten?“ Der Mann griff etwas zu grob nach dem Gerät und schwenkte es sinnlos durch die Gegend, imaginäre Schnitzel plättend. „Dieser Saltimbocca-Hammer wird mit zwei Molybdänstahl-Enden ausgeliefert. Selbstverständlich ist er gewichtet und ganz im kinetischen Drehimpulsgleichgewicht.“ Der Mann staunte. „Und was kostet der? Wie teuer? Der Preis!?“

Ich pfiff durch die Zähne. „Sechshundert für einen Fleischklopfer“, sagte ich anerkennend. Knöbel verbeugte sich. „Danke, aber ich habe noch nicht einmal alle Register gezogen. Der Preis war sein Auswahlkriterium, also habe ich ihn über den Preis gekriegt.“ „Haben Sie öfters solche Kunden?“ Er nickte. „Ja, es werden mehr. Wir müssen uns einfallen lassen, womit wir die Wünsche dieser neureichen Kunden nach Distinktion noch befriedigen können. Man kauft sich ja nicht jeden Tag eine goldene Uhr oder ein Segelboot – die meisten, die überhaupt nicht mehr wissen, was sie mit ihrem Geld noch anfangen sollen, haben längst aufgehört, nach vernünftigen Waren zu suchen. Sie kaufen alles, wenn es nur teuer ist. Und es muss nicht einmal mehr nach Luxus aussehen.“ „Sie setzen auf Understatement?“ „Sonst nichts.“ Er drehte einen Plastikkugelschreiber zwischen den Fingern. „Sie wollen Statussymbole. Es ist die Panik, sie könnten bei der Erosion unserer Gesellschaft verschlungen werden; so reich sind sie auch wieder nicht, aber sie wollen das bisschen Vermögen gerne deutlich zeigen. Und mein Laden ist ein Geheimtipp.“ Er grinste. „Das Design ist ziemlich ungewöhnlich, aber die Farbe fällt auf. Für einen Hunderter ist das Ihrer.“ „Danke“, winkte ich ab, „aber ich bevorzuge Kugelschreiber aus Metall. Und was wollen Sie machen, wenn einer Ihrer Kunden reklamiert?“ „Keine Sorge!“ Knöbel zeigte sich zuversichtlich. „Immerhin verkaufen wir Qualität.“