„Hallo? Sind Sie noch dran? Ja, ich bin noch da. So gerade eben noch. Viel ist ja von uns nicht mehr übrig seit unserem grandiosen Sieg in Kiel.
Hier ist nämlich in letzter Zeit ein bisschen viel kaputtgegangen. Wir haben ja auch kapiert, dass wir das schleunigst reparieren lassen sollten, aber Sie kennen das ja. Man möchte eigentlich viel lieber so weitermachen wie bisher. Möglichst nichts ändern. Schon gar nichts Neues. Und dann stellt man fest, die Sache ist im Eimer. Aber komplett. Können Sie nur noch in die Tonne treten. Alles. Es ist eigentlich nicht mehr die Frage, ob Sie das alles rausreißen, sondern nur noch, wann.
Prinzipiell stehen wir ja alle hinter dem Chef, aber… hallo? Was ist denn heute mit der Leitung los? Die Leitung ist ja wieder unter aller Sau! Hallo? Nein, ich meine Rösler. Wir stehen hinter ihm. Ist ja auch die beste Position für einen Überraschungsangriff, oder? Nein, wir sind nicht unkollegial. Noch nicht. Das dauert. Das dauert ja immer ein bisschen länger, bis wir auf Kritik reagieren.
Momentan machen wir gruppendynamische Sprechblasenübungen. Wachstum. Wachstum. Alle müssen es nachplappern, damit wir bis zur nächsten Bundestagswahl im Schlaf von Wachstum reden. Wachstum. Wachstum. Hallo? Was rauscht da? Sind Sie noch dran? Ja, fürchterlich. Ich kann’s auch nicht mehr hören. So eine miserable Qualität, da tun einem die Ohren weh.
Das ist hier ein bisschen wie in der CDU. Wenn alle Ihnen demonstrativ das Vertrauen aussprechen und ihnen auf die Schulter klopfen, können Sie sich eigentlich nur noch eine Kugel in den Kopf jagen. Barschel? Guttenberg? Und momentan sind sie mit Schavan ja auch alle höchst zufrieden. Gefährlich, sage ich Ihnen.
Niebel macht das nicht. Nein, absurd. Völlig ausgeschlossen. Der hätte auf einmal so viele alte Freunde, für die müssten wir glatt ein neues Ministerium aufmachen.
Doch, das klingt plausibel. Neulich hatte ich hier die Zahnärzte an der Strippe, oder waren es die Apotheker? jedenfalls ging es um eine Menge Geld, und da merkten die es auch. Die Kommunikation stimmt nicht mehr. Lästig, wirklich. Ich würde auf einen Leitungsschaden tippen. Das kann man ja flicken, aber langfristig können Sie den ganzen Kram nur noch wegschmeißen. Lohnt sich nicht mehr.
Wissen Sie, der Brüderle hat neulich sogar vor der Personaldebatte über Rösler gewarnt. Da wurde der richtig laut. Überall hat der gesagt, er wolle keine Debatte über Rösler. Im Parteivorstand: keine Debatte über Rösler. In der Fraktion: keine Debatte über Rösler. In NRW: keine Debatte über Rösler. Haben Sie auch gerade so ein Echo in der Leitung? Komisch. Und jetzt debattieren sie auch tatsächlich, dass es keine Debatte über Rösler geben darf. Das ist schon ein ehrenwerter Mann. Der Brüderle.
Meinen Sie, er macht’s? Ich finde das nicht richtig, denn schauen Sie mal: die in Schleswig-Holstein sagen, sie hätten den Wahlsieg, also die Halbierung der Stimmen, das hätten sie nur hingekriegt, weil sich Rösler nicht eingemischt hätte. Und wenn jetzt Lindner noch so einen katastrophalen Sieg holt, ohne das mit Rösler abzusprechen, dann… hallo? Frau Homburger, was machen Sie denn in der Leitung? Ich dachte, Sie seien längst raus aus der… hallo? Ja, komisch. Ich verstehe gar nicht, warum die hier mitreden will.
Lindner? Großartiger Plan. Warum nicht mal ’ne Heulsuse. Nee, lassen Sie mal stecken. Schönreden ist in Ordnung, aber alles hat seine Grenzen.
Die Verbindung ist ständig gestört. Seitdem wir dieses moderne Telekommunikationssystem haben – im Prospekt stand irgendwas mit mehr Freiheit, da haben die es natürlich sofort angeschafft, gab eine lange Diskussion mit dem Vorstand, vor allem wegen der Hörer, wissen Sie, und ich meine, wer will die denn ständig an der Backe… hallo? Es ist doch nicht zu fassen, jetzt fallen die auch noch aus! Das ist jetzt das zweite Mal, und immer liegt der Fehler im Generalsekretariat. Ja, das sind wir schon gewohnt. Ständig müssen Sie da die Basis suchen, es besteht so gut wie kein Kontakt mehr. Sie wollen eigentlich ganz normal mit jemandem reden, und plötzlich stellen Sie fest: weg. Aber endgültig.
Haben die eigentlich noch Garantie auf den? Ich meine, so alt ist der doch eigentlich gar nicht. Kam zwar nicht originalverpackt, aber wenn Sie sich den mal so anschauen, viel gebraucht war der ja vorher nicht. So gut wie nie im Einsatz. Stand immer nur so dekorativ in der Gegend herum und staubte etwas an. Wie kommen Sie jetzt auf Rösler, ist hier wieder Fiepen in der Strippe?
Man könnte ja taktisch vorgehen und warten, bis das Ding wirklich nicht mehr zu retten ist. Kubicki bleibt in Kiel, Lindner wird in Düsseldorf beerdigt, Bahr und Döring dürfen noch ein Jährchen in die Bedeutungslosigkeit hinüberdämmern, und dann sägen alle zusammen den Chef ab, wenn das mit Gauck gerade in Vergessenheit geraten ist. Nach guter neoliberaler Tradition ist er selbst schuld an seinem Scheitern, er darf dann als Bad Bank der Partei den Müll mit rausnehmen. Klingt doch pfiffig, oder? Hallo? Sind Sie noch dran? Hallo? Was meinen Sie? Westerwelle? Hallo? Rösler war für den Übergang, Westerwelle macht jetzt den Unter… hallo? Hallo?
Tot. So was aber auch.“
Satzspiegel