„Lassen Sie es bitte wie einen Unfall aussehen. Das würde uns der Wähler noch am ehesten abnehmen. Einfach so ein – Sie wissen schon. Ein dummer Zufall. Verkettung unglücklicher Umstände. Das reine Pech. Unfall eben. Hauptsache, wir kriegen sie alle drei von der Backe, Steinmeier, Steinbrück und Gabriel. Sonst ist die SPD geliefert.
Nein, definitiv nicht. Wir wollen nicht Kanzler werden. Merkel macht das mit dem Euro gerade so schön, und alles außer Opposition ist doch Mist. Warum sollten wir jetzt wieder mit der Arbeit anfangen? Stellen Sie sich mal vor, der Kanzlerin würde kurz vor der Wahl ein Ziegelstein auf den Kopf fallen. Dann wäre die CDU geliefert. Die wären aber so was von am Ende – und wir erst!
Nein, lassen Sie es wie einen Unfall aussehen. Egal, was Sie machen, wir dürfen gar nicht erst in die Nähe der Kanzlerschaft kommen. Stellen Sie sich nur mal vor: das Gerede von Mindestlohn und Verbesserung des Arbeitslosengeldes und mehr Chancengleichheit für Frauen und Bildung und Kitaplätze und Energiewende und dann auch noch die Krankenkassen – sind wir denn bescheuert!? Das können Sie doch nicht ernsthaft wollen, dass wir diesen ganzen Kram, den wir seit drei Jahren verlangen, jetzt auch noch selbst machen würden?
Die letzte große Koalition hat doch schon ganz prima geklappt, da muss man doch nicht wieder das mit der Regierung anfangen. Wir sind doch inzwischen gut eingespielt – Gabriel macht den Umweltminister, Steinmeier darf Vize, das war ja ganz nett beim letzten Mal, und Steinbrück geben wir irgendwas, wo man nicht zu rechen braucht. Und schlimmer als dieser Saftladen mit der FDP kann’s doch gar nicht werden. Meinen Sie nicht?
Busunfall wäre vielleicht etwas. Wir machen so eine Troika-Tour, so wie damals mit Lafontaine und Scharping, die sind dann ja auch ziemlich schnell – nein, wir sollten sie diesmal gleich direkt erledigen. Großer Parteitagsauftritt, etwas durch die Provinz zotteln, und bäm! ist der Bus weg. Leitplanke, Geisterfahrer, Brandsatz. Gibt natürlich eine super Legende. Und eine astreine Verschwörungstheorie. Davon zehren wir dann für die nächsten – Sie meinen, der Mitleidseffekt könnte uns aus Versehen zum Sieg verhelfen? Au Backe!
Weil sie verbraucht sind? Meine Güte, seit wann ist das ein Kriterium? Die Merkel ist so verbraucht, die könnten Sie in der Asse einlagern. Deshalb wird die Frau trotzdem wiedergewählt. Und bevor wir die Nahles aufstellen, lösen wir die Partei lieber gleich auf.
Herzanfall? Gabriel ist zwar dick, aber gleich ein Herzanfall? Ach so. Ja, aber ich glaube nicht, dass er sich gleich so aufregt. Da müssten Sie schon andere Kaliber auffahren. Pofalla als persönlicher Referent. Oder Schröder als Kanzleramtsministerin. Dann haben Sie den innerhalb von drei Tagen in der Nähe einer Hirnembolie. Aber wir wollen ja, dass er gar nicht erst Kanzler wird.
Bei Steinmeier stelle ich mir das am leichtesten vor. Der ist momentan entschleunigt, der bleibt irgendwann ganz von selbst in der Gegend stehen. Dann sucht er in der Hosentasche nach einer Sonntagsrede, weil er sich immer noch für den Außenminister hält, und dann können Sie ihn einfach über irgendeine Brüstung kippen. Das kriegt der gar nicht mit. Der Mann ist trainiert, der ist alter Sozialdemokrat – der merkt keinen Aufprall mehr.
Steinbrück könnten Sie notfalls in irgendeiner Talkshow vergessen. Der sitzt da und wartet, bis er abgeholt wird. Andererseits, so als Opfer auf der Schlachtbank? Wir lassen ihn noch mal öffentlich seine Märchen über die Hypo Real Estate erzählen und dass Deutschland völlig immun sei gegen die Krise. Die Leute werden ihn hinrichten.
Das Problem ist ja nicht der Wähler. Ach was, der doch nicht! Die Leute können doch wählen, was sie wollen. Ist doch zumindest auch noch legal, oder habe ich etwas verpasst? Das Problem ist die Basis. Es ist ja okay, dass die Parteibasis der Führung absolute Inkompetenz attestiert und Verlogenheit und Intransparenz und Missachtung selbst geringster demokratischer Gepflogenheiten. Alles in Ordnung. Das machen die immer. Aber das geht doch erst, wenn die Wahl schon gelaufen ist! Wir können ja nicht schon vorher der Parteibasis klarmachen, dass sie uns vollkommen… Gut, wieso eigentlich nicht?
Die drei aufeinander loslassen? Hm, schwierig. Immerhin können sie nicht zusammenarbeiten, es sei denn, sie haben jemanden, der ihnen sagt, was sie zu tun haben – noch ein Grund für eine große Koalition.
Also ein Neuanfang? Was können wir denn da noch bieten? Es muss doch glaubwürdig sein und wenigstens halbwegs bodenständig. Wissen Sie, was ich meine? Und das ginge wirklich? Eine Frau, die bei der Basis über Rückhalt verfügt und nicht diese Machthaltung hat? So eine, die wirklich für die Partei steht und das beim Wähler auch noch glaubwürdig kommunizieren kann? Und dann auch diese Kombination aus Charisma und Kompetenz? Eine Kanzlerin, die zeigt, dass Sozialdemokratie mehr ist als diese joviale Arroganz der Herrenriege aus Wahlverlierern und Ex-Ministern? Das geht? Nahles!? Ich sagte doch, es soll nur wie ein Unfall aussehen!“
Satzspiegel