„Also bis hier alles Parteispendenskandal. Hier auch, bis da unten. Sämtliche Beweismittel. Ja, da drüben auch. Bis hier, dann dort drüben weiter, bis zum Ende, alles Parteispenden. Alles weg, sehen Sie? Wir kennen uns aus mit Aktenvernichtung.
Sie können sich vollkommen sicher sein, wir halten uns streng an die gesetzlichen Auflagen. Wann die Mitarbeiter Pause haben, wie viel sie tragen dürfen, alles strengstens befolgt. Man will ja keinen Ärger bekommen. Wenn wir jetzt zum Beispiel die Löschfrist überschreiten bei gewissen Dokumenten – das könnte ja rein theoretisch ganz schlimme Folgen haben. Dann kriegt am Ende ein Staatsanwalt Akten in die Finger, die es gar nicht gibt. Also die Akten, nicht die Finger. Und Sie wissen ja, die werden dann gelesen. Und dann kostet das ein Schweingeld. Also der Staatsanwalt, nicht die Akten.
Das geht los bei zwölf Millimeter Streifenbreite, Sie müssen ja wissen, was Sie ordern. Ja, das geht selbstverständlich auch mit Endlospapier – dann sind die Streifen eben ein bisschen länger. Wir haben das patentieren lassen; die Streifen kriegt der Geheimdienst geliefert, die üben dann Dechiffrieren mit dem Geschnipsel. Großartig, sage ich Ihnen! Aus dem Unsinn, den sich die zusammenpopeln, kommen dann die wirren Sachen, die das BKA und die Polizeigewerkschafter von sich geben.
Kommt jetzt darauf an, wie sensibel Ihr Bereich ist. Patientendaten, das ist eher die einfachere Kategorie. Wenn Sie das alles schon auf Ihrer Karte mit sich herumtragen, dann können wir Ihre Krankenblätter auch gleich der Schufa in die Hand drücken. Oder wir machen das über Facebook, dann brauchen wir nicht jedem Bescheid zu geben. Sensible Bereiche, was nehmen wir denn da bloß? Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten zum Beispiel, oder was der Außenminister für einen Gratisflug nimmt. Das sind sensible Daten, die müssen unbedingt geschützt werden, sonst könnte es zu Instabilitäten kommen. Finanziell, Sie verstehen schon.
Nein, Daten sind gefährlich. Das merken Sie spätestens, wenn jemand irgendwelche über Sie sammelt. Wir müssen daher proaktiven Datenschutz betreiben. Also die Daten vor sich selbst schützen, damit die nicht irgendwas anstellen diese Daten. Die machen ja angeblich vor nichts halt. Diese Akten da, die hätte es ja wohl nicht gegeben, wenn sich nicht ein paar von diesen Ausländern einfach so hätten totschießen lassen – ein krimineller Hintergrund dürfte da doch wohl gegeben sein, richtig? Und da muss man doch handeln, schon aus Gründen des Heimatschutzes.
Außerdem ist damit letztlich jedes Schriftstück ein Anzeichen von gefährlichem Terrorismus, und wir müssen ja den Terrorismus auch überall bekämpfen, wo wir etwas von ihm merken. Das gilt prinzipiell auch für den Bundesinnenminister, aber der merkt ja schon lange gar nichts mehr.
Natürlich passieren da immer mal wieder Unfälle. Das lässt sich gar nicht vermeiden. Bei diesem einen Minister, fällt Ihnen jetzt der Name ein? da sind ganz ungeplant alle Fußnoten hier in den Wolf rein – konnte ja keiner ahnen, dass das jemandem auffallen würde.
Wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, nehmen Sie Kreuzschnitt. Ordert der Weihbischof auch immer, vor allem bei handschriftlichem Material in Kombination mit kleinen Knaben. Maximal ein Millimeter breit, fünf Millimeter Länge, das macht höchstens fünf Quadratmillimeter Fläche. Darauf kriegen Sie ein Beamtenhirn nicht untergebracht. Jedenfalls nicht vollständig. Wird hinterher sowieso im Alkohol aufgeschwemmt. Also das Papier, nicht das Beamtenhirn.
Sie dürfen uns nicht unterstellen, dass wir hier blindlings zu Werke gehen und einfach in den Reißwolf schmeißen, was uns unterkommt – das wäre ja abstrus! Nein, wir arbeiten absolut planvoll. Es verschwinden immer nur die Dokumente, die auch verschwinden sollen, verstehen Sie? Ob wir jetzt bei Ihnen zu Hause sind oder in der Bank oder im Bundeskanzleramt, wir sind sehr gewissenhaft. Betrachten Sie uns einfach als ein Instrument der politischen Willensbildung.
Die technischen Probleme fangen überhaupt erst an. In die meisten Aktenvernichter können Sie heutzutage auch diese Plastikscheiben reinschieben. Geht so durch. Aber wie kriegen Sie da ein Internet rein? Das ist einer der Gründe, warum wir diese jungen Leute nicht mögen, Piraten und so. Wenn man sich mit Kugelschreibern auskennt, dann weiß man: ein Papier ist nach zwei Schreddergängen endgültig passé. Diese elektronischen Daten kann man immer leider wieder herstellen, wenn man sie mal versehentlich gelöscht haben sollte. Wenn da jemand eine Sicherungskopie zieht, dann geht die Gefahr los, dass die jemand in die Hände bekommt, der dazu befugt sein sollte – schrecklich!
Was wollen Sie mit dem ganzen Altpapier auch anfangen? Denken Sie bloß mal an die ganzen Untersuchungsausschüsse – so viel Recycling-Toilettenpapier können Sie gar nicht fabrizieren, wie da am Ende rauskommt. Papierhüte? halte ich für falsch, wir machen das ja größtenteils, damit hier niemand seinen Hut nehmen muss. Verbrennen wäre noch eine Option, das wäre ja in meinem Sinne. Aber nichts zu machen. Wollen die nicht. Scheint so eine Art nationales Trauma zu sein, dass die kein Papier verbrennen wollen. Bei Menschen sind sie weniger zimperlich.
Wissen Sie was, ich lasse Ihnen mal ein paar Arbeitsproben da. Bisschen was zum Angucken, diverse Streifenbreiten, unterschiedliches Material. Sie können es sich dann ja noch mal überlegen, ob wir Ihren Ansprüchen genügen. Ja, ich empfehle mich dann – ach, sagen Sie mal, lag hier nicht vorhin noch die Stasiakte von der Merkel?“
Satzspiegel