„Kruzitürken, jetzt sei einmal still! Du setzt Dich da auf den Stuhl, und wenn die Mutti telefoniert, dann wirst Du fein den Mund – Horsti! Du setzt Dich jetzt auf der Stelle da hin, sonst wird die Mutti aber ganz böse! Horsti!
Dabei weiß das Kind doch noch gar nicht, was das mit dem Betreuungsgeld auf sich hat. Das muss er irgendwo aufgeschnappt haben. Von mir hat er das jedenfalls nicht; mir ist dieser ganze Sozialkram ja sowieso egal. Als alleinerziehende Mutter hat man es ja inzwischen sehr viel leichter, wenn Sie an die Situation von zwei-, dreihundert Jahren denken: kein Vergleich. Aber mit diesem Kind komme ich einfach nicht zurecht. Dem Knaben fehlt doch die ordnende Hand, und man kann ja nicht immerzu mit dem Stock – Horsti! Jetzt wird keine Koalition gebrochen, jetzt wäschst Du Dir die Finger, wir wollen essen! Horsti, hör auf damit!
Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was mich dieses Kind schon alles an Nerven gekostet hat – schlimm. Da bemüht man sich, den Knaben ordentlich zu erziehen, dass er sich benimmt, dass er das tut, was man ihm aufgetragen hat, und vor allem nichts anzufassen und nichts zu tun, absolut gar nichts, das liegt ja bei uns in der Familie, das mache ich auch nicht, und dann das. Dann hat der Bub ständig seinen eigenen Kopf und muss alles ausprobieren und macht dann natürlich alles kaputt. Das zehrt, kann ich Ihnen sagen. So viel Mutterliebe können Sie manchmal gar nicht haben.
Jetzt redet das Kind irgendetwas von einer Startbahn – lass das doch bleiben, Horsti. Davon hast Du doch gar keine Ahnung. Lass das doch. Früher, da hatte ich noch den Frank-Walter. So ein liebes Hundchen! Immer hat er hier hinter dem Gartentor gestanden und alle angeknurrt, und wenn ich abends nach Hause gekommen bin, dann hat er mit dem Schwanz gewedelt und hat ganz brav Männchen gemacht. So war er, der Frank-Walter. Und jetzt das.
Horsti! Wenn Du noch einmal Schlamm auf die Freien Wähler schmeißt, dann gehst Du barfuß zu Bett, hörst Du? Es ist mir egal, wer angefangen hat, ich will einfach nicht, dass Du mit Schlamm schmeißt! Meine Güte, dieser Balg kostet mich noch den letzten – Horsti!
Der Kinderpsychologe hat mir ja damals schon geraten, schicken Sie den Jungen weg. Der muss in strenge Obhut, oder zumindest dahin, wo er nichts mehr anrichten kann, wie der Günther und der Edi. Die sind in Brüssel, denen geht’s gut. Da lernen sie nichts, müssen nichts tun, da werden sie einfach gut verwahrt von einer Wahl zur anderen, und keiner fragt, wo sie stecken. Eigentlich will keiner mehr wissen, wo die sind. Aber Hauptsache, die sind weg und ich habe meine Ruhe und kann mit meinem Kabinett und meinem Bundestag – Herrgott, jetzt gib halt Ruhe! Du kriegst keine Steuersenkungen, Horsti, das mit den Hotels ist Dir auch schon nicht bekommen!
Was ist das denn wieder für ein Brief, Horsti? Hast Du wieder etwas angestellt? Sag die Wahrheit, dann ist die Mutti vielleicht nicht ganz so böse mit Dir. Du hast – was!? Den Norbert? Wie oft habe ich Dir gesagt, dass Du den Norbert in Ruhe lassen sollst? Ja sicher, der Norbert ist ein unangenehmer Streber, aber deshalb schlägt man den doch nicht zusammen! Horsti, wie oft habe ich Dir gesagt, dass man mit Gewalt keine Probleme löst? Du hast dem Norbert gedroht? Ihn verjagen? Bis zur letzten Patrone? Bist Du noch ganz bei Trost, Horsti? Das sagt man doch nicht – das denkt man vielleicht, aber das darf man doch nicht öffentlich sagen!
Natürlich bin ich auf das Kind angewiesen, das wissen Sie doch – ohne den Horsti wäre ich längst am Ende. Nicht emotional, nein. Ich brauche das Kindergeld. Und außerdem ist das so eine schöne Mitleidsnummer, wenn ich den anderen Müttern dieses Rotz… Trotzköpfchen, wollte ich sagen, Trotzköpfchen, zeige. Beneiden tut mich jedenfalls keiner um den.
Lass den Schirm da stehen, Horsti! Das ist ein Rettungsschirm, mit dem spielt man nicht! Du lässt jetzt den Rettungsschirm da stehen, Horsti, sonst wir die Mutti sehr, sehr böse mit Dir. Du lässt jetzt den Rettungsschirm bitte da stehen, Horsti. Jetzt lass endlich den Rettungsschirm, hörst Du? Du sollst jetzt den Rettungsschirm da stehen lassen! Rede ich Chinesisch? Lass diesen verdammten Rettungsschirm jetzt endlich da stehen, Horsti, sonst gibt’s was auf die – Horsti!
Ich bin ja selbst schuld. Der Guido war ja damals auch so ein herziges Kindchen, hat sich gut entwickelt, zwar langsam, aber immerhin, und dann auf einmal ging es los. Natürlich redet man sich da als Mutter Schuldgefühle ein, dass man nicht ausreichend aufgepasst hat auf seine – Horsti, sofort nimmst Du die Finger aus der Energiewende! Pfui, das macht man doch nicht! Du sollst die Finger da rausnehmen, hörst Du nicht!? Horsti! Jetzt nimm die Finger da raus!
Es ist zum Verzweifeln. Manchmal kann ich einfach nicht mehr, dann frage ich mich, woher er das hat, der Horsti. Dass er immer ins Fernsehen will und da sagt, das können die alles senden. Dass er manchmal schlecht träumt, und dann muss man ihn drei Tage lang mit ‚Herr Strauß‘ anreden, sonst schmeißt er alles kaputt im Haus. Dann droht er mir, dass er eines Tages abhauen wird. Meinen Sie, der wird irgendwann mal erwachsen? Und geht aus dem Haus? Glauben Sie, dass ich das noch erlebe, wenn der Junge irgendwann mal – Horst!“
Satzspiegel