
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Im Schweiße seines Angesichts eignete sich der Hominide den Werkzeuggebrauch an. Was er an Stock und Stein fand, das machte er sich zunutze, um allmählich vom unbeholfenen Höhlenbewohner aufzusteigen zum kundigen Besiedler der Steppe. Nur hinter vorgehaltener Hand wisperte der Alte den Söhnen, wo der Flint wuchs, und splitterte das Werkstück am Knochen des wohlschmeckenden Säbelzahntigers, so fluchte der Schamane leise in den Bart und versuchte, die Scharte auszuwetzen. Steckten doch im Faustkeil Stunden der Arbeit, Verstand und Erfahrung. Der moderne Depp, dem der Schraubendreher im zum Pflegefall gereiften Toaster abbricht, tritt beides in die Tonne. Wozu auch nicht, wir leben in einer Wegwerfgesellschaft.
Telefon und Topf, Hobel und Hose wachsen scheint’s auf goldenen Bäumen, sie sind immer und überall verfügbar und kosten nicht die Welt, wenigstens nicht unsere. Da, wo der Nanodenker die Globalisierung über den Billiglohnmarkt peitscht, sieht die Sache schon anders aus, aber das sieht der Bekloppte in den Industrienationen ebenso wenig wie die Ansammlungen von PET-Pötten und Aluminiumkapselmüll, die auf den Ozeanen träge wie Konservative im Untersuchungsausschuss vor sich hin dümpeln, in Afrikas Erdreich rotten oder das Delta des Mekong zur Brackwassersuppe verquasen. Was der Konsument nicht vor der Haustür hat, interessiert ihn nicht, und sollte es die Preise verderben, so zahlt er, Hauptsache, er erfährt den Schmadder nicht. Die Wegwerfgesellschaft gebiert Ungeheuer, sie sind bunt bedruckt, enthalten Weichmacher, pestizidverschwiemelte Wolle von fünfbeinigen Schafen und Schrauben, die sich nur in eine Richtung drehen lassen, damit man das Ding, wackelt auch nur eine Zierleiste, komplett entsorgen muss. Der Markt vergibt ja nichts, denn ein repariertes Paar Schuhe ist ein Paar weniger, das den Aktionären die Kohle in den Schoß schaufelt.
Längst haben wie den gesunden Verbrauch hinter uns gelassen und sind von Konsumenten zu Konsumisten geworden, die sich von jäh knapper werdendem Geld das kauft, was die heiß laufende Propaganda euphorisch in den Cortex jodelt – schneller, teurer, weiter, nutzloser: wenn Überfluss das ist, was uns zum Hals heraushängt, scheint die Gesellschaft der Konsumnationen offenbar eine schwere Aversion gegen Ethik entwickelt zu haben. Der gemeine Behämmerte weiß gar nicht, wie er im halbjährigen Wechsel ohne ein neues elektrisches Waffeleisen ausgekommen ist, ohne automatisch quantengesteuerte Oberflächenhitzemessung bei vorwählbarem Bräunungsgrad mit separater Fuzzy-Logic-Teigmengensteuerung, Gesichtserkennung und Feststofffüllanzeige. Das aktuelle Modell wird garantiert zum kommenden Quartal in den Orkus gleiten; es hat kein WLAN.
Wer das Gesicht des Elektromonteurs erblickt, wie er sich konfrontiert sieht, ein drei Jahre altes Haushaltsgroßgerät durch Austauschen eines Kippschalters wieder gebrauchsfähig zu machen, guckt ein dunkelschwarzes Loch des Einfalt. Die betriebswirtschaftlich geplante Obsoleszenz des Gutes hat langsam religiöse Züge angenommen, ein Prinzip, das der Bekloppte mit buddhistischer Gelassenheit wie Inkarnationszyklen herbetet. Die beste aller Welten ist immer die, in der der nächste elektrische Nasenhaarschneider vorkommt.
Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft, darum schlonzt der Steuerungsapparat regelmäßig Murks wie Energiepseudosparfunzeln und Biosprit in die wehrlose Umgebung, denn es ist der Sabbelkrampe gründlich wurst, wie wir mit der Ersatzerde im Kofferraum umgehen, solange er selbst weiß, dass er vor dem Eintreffen der chemischen Keule längst wieder im niedermolekularen Bereich existieren wird. Es sind nicht seine Altlasten. Die heutige Generation interessiert das Huhn auf dem Teller, nicht die Tatsache, dass die zwanghafte Zucht des Verdübelten einen hühnerfreien Planeten zeitigen wird, wo eine Welt ohne produktionsgesteuerte Popelpriester so viel sinnvoller wäre. Wie viel Öl, Wasser, Strom könnten wir uns durch Verzicht auf stylische Instantpapppackungen sparen, allein der Nachbar wüsste nicht auf zwanzig Schritt Distanz, welche Plempe wir uns da in den Trolley hebeln.
Perfektioniert wird diese Entfremdung zwischen Produktion und Verbrauch durch die schiere Unmöglichkeit, als durchschnittliches Bürgerimitat an der vernunftgesteuerten Eindämmung der Hochglanztristesse teilzunehmen. Da nämlich Umweltbewusstsein und Konsumverzicht wegen ihrer Kostspieligkeit nur noch Statussymbole für die besitzende Klasse sind, die ihre Pinkeltasten, Jutebeutel und Solarpanels durch dicke Zwölfzylinder und Langstreckenflüge mehr als ausgleichen, könnten wir uns das Recycling im Grunde gleich kneifen. Im Zweifel blökt die Elite etwas von Spießigkeit am falschen Platz und verurteilt den Verweigerer zur Höchststrafe: er ist schuldig, Arbeitsplätze vernichtet zu haben (was selten stimmt) und damit Renditen (was zutrifft).
Der Konsumterror geht an seinem eigenen Immunsystem zugrunde, da der längst übersättigte Markt nicht aufs Kotzen verzichten will. Wir müssen offenbar erst zur Mangelwirtschaft werden, um unsere Ressourcen vernünftig zu nutzen – und dank des sich in seine Bestandteile zermarmelnden Turbokapitalismus werden wir auch bald eine sein. Es besteht also noch Hoffnung. Packen wir’s an.
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