
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Der Urgrund des Handels liegt im Tausch. Korn und Keil, Messer und Mehl sind Mehr- und darum erstrebenswert, und mit der Erfindung des schnöden Mammons muss der geneigte Troglodyt auch nicht mehr sein Mammut frisch erlegen, um einen Speer für die Sammlung zu erwerben. Wie viel Mammut für welchen Speer, das regelt der Markt, der die Interessen aller Teilnehmer gegeneinander aufwiegt und ausgleicht. Es sei denn, auf einmal kommt der Billigspeer in Mode, Ngg bekommt für eine saftige Keule drei Spieß zum Preis von zweien oder aber die extra langen, die einige Täler weiter erfunden wurden. Wo auch immer er die Dinger in seiner Höhle verrümpelt, seiner ist länger. Und damit beginnt eine der Tragödien des Kapitalismus, der ungebremste Schnäppchenwahn.
Die klinischen Anzeichen einer ausgereiften Hysterie pflastern den Weg am Grabbeltisch, wo ausgemusterte Ware sich unterhalb des Preisgefüges zum Limbo mit der sozialen Marktwirtschaft trifft. Ein kreischendes Bündel enthemmter Konsumenten allerlei Geschlechts vergräbt die Riechkolben in Polyester und Gablonzer Geschmeide, speichelt im Angesicht des Rausverkaufs vor Entzücken die Heldenbrust voll und wälzt sich im Ausschuss einer auf Profitmaximierung gestützten Wirtschaft, die den Heuschrecken ihre Existenzgrundlage sichert. Schnell soll es sein, billig soll es sein, und gut. Aber so edel und hilfreich ist der Markt gar nicht, sein Angebot krankt immer an den einen oder anderen Realitäten. Eins der drei bleibt immer auf der Strecke. Warum also sollte ausgerechnet der Preis der Ware die Variable sein, die die geistig nicht gesegneten Günstlinge des Verbrauchs zu jenem höheren Wesen machen, das wir verehren?
Weil wir doof sind. Der neoliberale Zangengriff des Konsumfetischisten hat sich bereits wie ein Virus ins Gehirn der Masse geschwiemelt, vor lauter Wachstums- und Wohlstandsgeplärr knipst sich die Birne selbst aus. Denn längst haben sich nicht nur Mensch und Messer, längst haben sich Produktion und Konsum der Ware so gründlich voneinander getrennt, dass für den gemeinen Dorfseppel die Ananas in der Dose wächst und die Möbel aus dem Karton kommen. Wer weiß noch, dass Arbeit hinter dem Mehl und hinter dem Faustkeil steht, da sie von Maschinen verrichtet wurde und den Beknackten schleichend, aber nachhaltig überflüssig macht in einem Wirtschaftskreislauf, der das Konsumvieh nur noch um seiner selbst braucht, höchstens noch, um die Aktienindizes ins statthafter Höhe zu halten? Kaufen soll der Rauschteilnehmer, sonst wacht er zu schnell auf. Und so lässt der Bescheuerte tollens prollens die diabolisierende Emotionalisierung des Einkaufs über sich schwappen, die kam noch mit dem Produkt verbunden ist, höchstens noch mit dem Kaufakt: Stöbern, Greifen, schweißtreibende Verteidigung des Erbeuteten an der Resterampe, Tausch gegen Bares, Triumphzug in die Heimat und, da Reklamation bei reduzierter Ware sinnlos scheint, mähliches Verklappen der Materie in den Löchern des Vergessens.
Hakt sich der subfontanelle Wabber fest, so sind wir angekommen in der selbstzerstörerischen Geiz-ist-geil-Mentalität, die das Gefüge der Warenwelt aus der Balance bringt. Der Drang nach immer mehr Gegenwert für eine Menge an gutem, schönem Baren zerstört nachhaltig Sinnhaftigkeit und Folgen des Ganzen, da es die Kausalität außer Kraft setzt. Mehr für weniger, vulgo: Sparen, ist Streckung verfügbarer Mittel, die rückstandsfrei ins ökonomische Recycling flössen, gäbe es nicht einen guten Grund zur Zurückhaltung, Not, Sorge, die Aussicht auf Reichtum oder, und hier kommt die Wirklichkeit ins Spiel, ein vernebeltes Hirn, das über den Konsum sich Status vorgaukelt, und nicht nur sich allein. Wir konsumieren für möglichst wenig, um auch mit italienischem Schuhwerk und Kaviar samt Lametta vom früher zu protzen, damit wir uns an die jeweils oberhalb liegende Schicht anwanzen. Allein es will nicht gelingen. Natürlich weiß der Nachbar, dass es im Ramsch keinen Sperrholz-Palast gibt und wo in „Gold-Imitat“ die Betonung hockt. Dümmer noch, die Reise geht ad absurdum, als würgte man zur Gewichtsreduktion täglich einen Zentner Joghurt hinters Zäpfchen, weil man davon ein halbes Pfund abnimmt. Man spart nicht mehr am Grundkonsum, um sich zum besonderen Anlass qualitativ hochwertige Ware zu leisten, sondern schaufelt die Kohle brüllend vom Balkon, so dass zum Schluss nichts mehr bleibt. Stillstand ist die logische Folge, wie sie sich die Nanodenker mit etwas Grundausstattung hätten aus der Rübe rattern sollen. Doch vielleicht ist gerade dies der Trick, dass sich Ngg gerade noch einen Zweitspeer leisten kann, wo die Preise im freien Fall sind. Ein Tal weiter wird es schon wieder keiner schaffen, der nicht ein komplettes Mammut und zwei Portionen Eichhörnchen anschleppt. Im übernächsten Tal freilich langweilt sich die Hominidenelite bereits am Drittspeer. Wie gut, dass das nicht jeder weiß.
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