Gezeichnet

1 08 2012

„Aber das ist doch völlig unlogisch.“ „Dann merkt man wenigstens, dass es sich Sicherheitsbehörden haben einfallen lassen.“ „Das FBI ist doch keine deutsche Sicherheitsbehörde.“ „Seit wann denken wir denn nach, wenn die Amerikaner etwas von uns wollen?“

„Also suchen wir jetzt in ganz Deutschland Fluggäste nach Tätowierungen ab.“ „Vorerst ja. Das mit den Muttermalen scheint etwas zu kompliziert.“ „Und wonach suchen wir da?“ „Nach Tattoos und Symbolbildern und ihrer möglichen Bedeutung für die Zugehörigkeiten zu Gangs, terroristischen Vereinigungen und anderen kriminellen Organisationen.“ „Dann muss es auch jemanden geben, der den Symbolgehalt entschlüsseln kann.“ „Das ist normalerweise ganz leicht. Die meistens gefährlichen Symbole sehen auch gefährlich aus, ansonsten gibt es nur Fälle, in denen sie mit Absicht nicht gefährlich aussehen. Das sind dann natürlich die ganz besonders Gefährlichen.“ „Verstehe. Das sind dann also die vielen Rosen und Totenschädel.“ „Eher die vielen abstrakten Zeichnungen. Wenn man nicht genau weiß, was es sein soll, werden die Sicherheitsbehörden meistens recht schnell nervös.“

„Und wie genau soll das alles funktionieren?“ „Keine Ahnung. Vielleicht haben die bereits einen Trojaner gebaut, der das herausfindet?“ „Bitte!?“ „Ja, was denn? Die wollten auch in Google Street View Polizeiwagen Streife fahren lassen.“ „Man müsste doch wenigstens eine Art Verzeichnis anlegen, um die Tattoos zu klassifizieren.“ „Sie haben wohl kein besonders großes Vertrauen in unsere Sicherheitskräfte?“ „Ich möchte nur eine nachvollziehbare Durchführung.“ „Vertrauen Sie uns, wir kriegen das schon hin.“

„Ob wir nicht ein paar von diesen Nazis mit der Tattookontrolle aus dem verkehr ziehen könnten?“ „Das stelle ich mir aber echt schwierig vor. Wie soll das gehen?“ „Wenn jemand zum Beispiel 88 auf dem Arm stehen hat.“ „Wahrscheinlich merkt der sich so nur die Nummer der Telefonauskunft.“ „Oder AH.“ „Das ist sicher nur das Monogramm seiner Großmutter. Sie müssen nicht immer alles so dramatisieren.“ „Und diese Sprüche? Ich bin stolz, Deutscher zu sein?“ „Dummheit ist nicht strafbar.“ „Jetzt seien Sie doch mal etwas kreativ bei Ihren Begründungen! Das können schließlich die Sicherheitsbehörden auch!“ „Was wollen Sie denn mit Nazisymbolen? Die sind doch nicht verwertbar. Damit verpatzen Sie sich höchstens einen Auftritt in Bayreuth.“ „Sind die nicht verboten?“ „Sie haben das nicht begriffen. Wir arbeiten hier nicht für Recht und Gesetz. Wir arbeiten für die USA.“

„Kann man nationalistische Extremisten am Tattoo erkennen?“ „Viele lassen sich beispielsweise Nationalsymbole stechen. Das sieht man dann auch auf den ersten Blick.“ „Und wenn ein Army-Angehöriger einen Weißkopfseeadler auf der Brust trägt?“ „Das nennt man Patriotismus.“ „Und was ist dann Nationalismus?“ „Wenn Sie Patriot sind, aber kein Staatsbürger der USA.“ „Und wenn ich einen Bundesadler auf dem Hintern habe?“ „Das wäre dann Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole.“ „Also gut, dann habe ich den eben auf dem Arm.“ „Besser so. In dem Fall geht das wohl eindeutig als Vaterlandsliebe durch.“ „Aber wenn ich nun, sagen wir mal, Afghane oder…“ „Das ist natürlich etwas ganz anderes. Da sind zwar nicht so viele Bundesadler dabei, aber das braucht’s ja auch gar nicht.“ „Warum denn nicht?“ „Meistens erkennt man die schon am Pass.“

„Und was macht man, wenn die ihren Körperschmuck gar nicht offen tragen?“ „Was meinen Sie mit nicht offen tragen?“ „Ich kann mir noch eine Tätowierung auf den Oberarm machen lassen, und dann trage ich eben ein langärmeliges Hemd mit Anzug.“ „Das ist dann natürlich strafverschärfend, ganz klare Sache.“ „Wieso denn strafverschärfend?“ „Dass man als Terrorist seine Erkennungszeichen nicht auch zeigt.“ „Was haben Sie denn für ein Verständnis von Rechtsstaat? Nicht einmal im Strafprozess müssen Sie sich selbst belasten.“ „Richtig, in einem rechtsstaatlichen Strafprozess. Gut, dass das hier weder das eine noch das andere ist.“

„Aber jetzt ohne Scherz, wie wollen Sie denn diese versteckten Tattoos aufspüren?“ „Haben wir nicht überall diese Nacktscanner?“

„Aber man könnte diese Rechten trotzdem…“ „Was haben Sie immer mit Ihren Nazis? Haben die Ihnen etwas getan?“ „Das ist doch das einzig Sinnvolle, was man mit dieser Körperkontrolle anfangen könnte.“ „Wollen wir die etwa alle speichern? Wie haben Sie sich das gedacht? Als Tattoodatei im Reichssicherheitshautamt?“ „Der Innenminister wäre entzückt.“ „Nee, das schlagen Sie sich mal aus dem Kopf. Das sorgt doch nicht für Rechtssicherheit.“ „Aber vor Sicherheit vor den Rechten.“ „Sie können doch eine Jugendsünde wie ein Hakenkreuz am Hintern nicht gleich zum Kapitalverbrechen machen. Stellen Sie sich mal vor, Sie lassen sich das als Jugendlicher anbringen – Sie sind doch fürs Leben gezeichnet!“ „Eben, und deshalb muss man auch…“ „Fürs Leben! Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie waren ein paar Jahre lang in der NPD, haben alles mitgemacht, Brandanschläge, Landtagswahlen, und dann wollen Sie doch irgendwann mal raus ins richtige Leben, wo Sie nicht mehr regelmäßig als V-Mann die Kohle kriegen. Wollen Sie dann, dass wir den Aussteigern im Weg stehen?“ „Und was ist mit denen, die das FBI haben will?“ „Ich bitte Sie – das sind doch Terroristen!“