Innere Angelegenheiten

6 08 2012

„Aber alles nur zu Ihrem Besten! Die deutsche Transplantationsmedizin muss noch sehr viel sicherer werden, das stimmt. Todsicher.

So ein Skandal darf sich nicht wiederholen, und wenn, dann sollten wir gut vorbereitet sein. Man kann das nicht einfach auf sich beruhen lassen, das ist ein riesiger Imageschaden für unser Land. Als Exportnation haben wir einen Ruf zu verteidigen, auch und gerade auf dem Gebiet der – nein, so war das nicht gemeint. Aber vielleicht nehmen uns das die Märkte übel, wenn wir bei der medizinischen Versorgung nicht unser übliches Niveau zeigen.

Das ist die Behörde für Innere Angelegenheiten. Weil es sich ja um Innereien handelt. Und wir müssen da als staatliche Regulierungsstelle schon einen Apparat aufbauen, der für bessere Kontrollen steht. Dafür könnte man auch die eine oder andere Gesetzesänderung in Betracht ziehen. Wir sollten da ohne Denkverbote drangehen.

Diese neue Organwarteliste ist unter Mitarbeit aller Betroffenen organisiert worden. Da waren die Chefärzte dabei, die Klinikleiter, ein paar Leute aus der Pharmabranche, dann hatten wir einen Apotheker, der war aber beim falschen Kongress, und der Bundesgesundheitsminister, der hat ein paar Stunden lang sehr schön geredet, ich weiß nicht mehr, worum es ging, er hat nichts dazu gesagt. Dann scheint es wohl auch nicht so wichtig gewesen zu sein.

Natürlich Privat vor Staat – das ist eine Public Private Partnership. Wir, also der Staat, kümmern uns um die Abwicklung und treiben die Gebühren für das operative Geschäft ein. Die setzt jeweils der private Träger fest. Irgendetwas muss der ja auch tun. Die Bundesärztekammer hält sich da ganz raus. Also aus der Finanzierung. Das machen wir. Der Staat muss ja auch etwas tun.

Sie werden staunen, wir haben jetzt den Bürokratieabbau beschleunigt. Dafür haben wir jede Menge neue Ärzte aus dem Fachkräftemangel eingestellt, der Bearbeitungszeitraum ist enorm gesunken. Eine Herztransplantation kann teilweise innerhalb von zehn Arbeitstagen zur Durchführung gebracht werden – vorausgesetzt, Sie haben die notwendigen Papiere dabei, sind vorher registriert und bringen Ihren Organspender gleich mit. Das geht dann in unsere Behörde, dann wird das alles geprüft, und dann sollte das auch fristgerecht zur Verpflanzung kommen. Mit Empfehlungsschreiben möglicherweise sogar pünktlich.

Hier arbeiten wir dann wirklich Hand in Hand. Was der Prüfungskommission nicht auffällt, das ist der Ärztekammer egal. Wir gehen partnerschaftlich vor. Härtere Strafen? Wissen Sie, das ist so ein typisches Vorurteil, dass man mit härteren Strafen eine Änderung der Umstände erzielen könnte. Das bewirkt doch letztlich gar nichts. Wenn Sie mal den bedingten Tötungsvorsatz außer Acht lassen, was haben Sie denn von härteren Strafen? Wer rechnet denn mit Konsequenzen, ein Arzt etwa? Wenn Sie die Transplantation kriminalisieren, dann wird sie hinterher eventuell vorsätzlich irgendwo illegal auf dem Küchentisch – nein, das war etwas anderes.

Schauen Sie, mit Symptombekämpfung wie beim Verfassungsschutz kommen wir hier nicht weiter. Gerade im Transplantationswesen müssen wir den gesamten Körper der Volksgesundheit im Auge behalten – es ist ja hier alles so voller Korruption, trotzdem klappt es nie wirklich. Da ist offenkundig staatliche Hilfe notwendig.

Beispielsweise prüfen wir jetzt stichprobenartig die korrekte Zuordnung der Spenderorgane. Jede tausendste Transplantation wird verfolgt, wir fragen dann den Empfänger, ob er Unregelmäßigkeiten während der Operation bemerkt hat. Wir haben das selbstredend an eine Bundesbehörde gegeben, das heißt, wir haben dafür eine gegründet. Es gab im Entwicklungshilfeministerium keine Möglichkeit mehr, Liberale zu Regierungsräten zu machen.

Außerdem kontrollieren wir heute sehr viel besser die Verpflanzungen im Ausland. Schauen Sie, wenn man sich Syrien ansieht oder den Irak, das sind doch durchaus förderungswürdige Gebiete. Wir als Bundesregierung stehen da zu unserer Verantwortung, diese Länder zu fördern und zu langfristigen Partnern zu machen – und wir sollten diesen Nationen klarmachen, dass wir Hilfe in erster Linie als wirtschaftliche Zusammenarbeit verstehen. Mit Jordanien hat das schon geklappt.

Natürlich ist das auf Gegenseitigkeit. Für die Zukunft muss Deutschland als Markt attraktiv bleiben, und innovative Dienstleistungen bringen uns immer voran. Wir bieten da jetzt so ein staatlich gefördertes Komplettpaket an. Wellness im exklusiven Resort, idyllisch gelegen, Reizklima, fünf Sterne, inklusive Spenderleber, dazu animiertes Freizeitprogramm für Begleitpersonen, Reha, alles. Knapp eine halbe Million. Können sich die meisten Chinesen heute schon leisten. Und das Rheinland ist ja auch wirklich ein nettes Fleckchen Erde.

Die Organbank? Ist noch im Aufbau, soll aber einmal eine wirkliche Innovation werden. Damit wäre Deutschland wieder ein Zentrum des technologischen Fortschritts, wenn quasi in Echtzeit die Ergebnisse an der Börse gehandelt würden. Da machen Sie noch schöne Zusatzgeschäfte durch Spekulation mit Leberwerten. Oder Sie wetten, wann der Spender abnippelt. Derzeit gibt es für eine Vollspende bis zu zwanzig Prozent Rendite.

Danke für Ihren Zuspruch, das können wir brauchen. Es kommt ja immer wieder auch zu Abstoßungsreaktionen. Aber das kriegen wir in den Griff. Bis auf Verfassungsorgane.“