„‚Rauchen tötet‘?“ „Ist immer noch der Klassiker.“ „Aber das lässt sich doch so gar nicht auf die anderen Sachen übertragen.“ „Die Vorgabe der EU-Kommission ist doch nicht so schwierig: eine klare, einfache und unmissverständliche Aussage.“ „Und dann haben wir bald nur noch Verpackungen mit diesen fürchterlichen Bildern? Also ich weiß ja nicht.“
„Ich kann ja auch nichts daran ändern, aber wir müssen das jetzt so umsetzen. Alle gefährlichen Konsumgüter ausfindig machen und stigmatisieren. Das wird für Sicherheit sorgen.“ „Und das sorgt für einen nachhaltigen Lernerfolg?“ „Wozu?“ „Damit die Leute nicht mehr rauchen?“ „Natürlich rauchen sie weiter. Um Gottes Willen, stellen Sie sich mal vor, die Leute würden nicht mehr rauchen – diese Steuerverluste!“ „Aber warum müssen wir dann auf die Zigarettenschachteln schreiben, dass Rauchen gefährlich ist?“ „Stimmt das etwa nicht?“ „Sicher stimmt, das aber…“ „Na also. Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!“ „Aber warum werden diese Warnhinweise dann auf Zigarettenschachteln gedruckt, wenn man überhaupt kein Interesse hat, dass der Tabakkonsum zurückgeht?“ „Soll er ja auch nicht.“ „Warum dann die…“ „Der öffentliche Tabakkonsum soll zurückgehen. In Ihrer Wohnung dürfen Sie rauchen, wenn Sie das wollen.“ „Noch.“
„Gut, dann lassen Sie mal hören.“ „Fleisch?“ „Ich bitte Sie, was ist denn an Fleisch gefährlich?“ „Es ist fett, es enthält Rückstände von Hormonen und…“ „Meine Güte, das ist doch nicht das Fleisch – das sind die Inhaltsstoffe!“ „Wie, Inhaltsstoffe?“ „Was da drin ist. Fleisch an sich ist doch völlig ungefährlich.“ „Aber dann müsste man doch Tabak auch als ungefährlich einstufen. Den Krebs machen auch nur die Inhaltsstoffe.“ „Jetzt stellen Sie sich mal nicht dümmer an, als Sie sind.“ „Nein, echt – und außerdem ist das rein pflanzlich!“ „Gut jetzt, wir haben noch jede Menge anderer Sachen auf dem Zettel.“ „Aber man kann sich infizieren! Hühnergrippe, Schweinepest, BSE!“ „Und vom Salat kriegt man EHEC. Vergessen Sie’s, das kriegen wir nie durch.“ „Bei der EU-Kommission?“ „Bei den Fleischproduzenten.“
„Wie ist es denn mit Alkohol?“ „Haben Sie das immer noch begriffen? Es geht nicht darum, ob ein Stoff gefährlich ist, sondern um die äääh… also dass er, dass da halt eine Gefahr…“ „Eben, und das ist doch der Punkt. Wissen Sie, wie viele Menschen an den Folgen des Alkoholkonsums sterben?“ „Und Sie wollen jetzt auf jede Bierflasche ‚Alkohol tötet‘ schreiben!? Sie haben ja nicht mehr alle Tassen im Schrank!“ „Es sind sogar wesentlich mehr als beim Rauchen.“ „Erzählen Sie doch keinen Unsinn!“ „Sogar mehr als beim Passivrauchen, denken Sie an die vielen Verkehrstoten.“ „Jetzt hören Sie schon auf damit, wir kriegen das doch nie durch. Wissen Sie eigentlich wie viel die Brauereiwirtschaft dem Bundestag zahlt?“ „pro Jahr? oder pro Mille?“ „Sie regen mich langsam auf.“
„Fliegen?“ „Nein, schlagen Sie sich das aus dem Kopf. Das können Sie vergessen.“ „Wieso denn nicht?“ „Sie meinen, weil mehr Flugzeuge abstürzen als Radfahrer ertrinken? Ist doch absurd!“ „Sie polemisieren.“ „Überhaupt nicht! Sonst würde ich doch behaupten, dass diese Nacktscanner an den Flughäfen gefährlich sind. Wobei, warten Sie mal…“
„Gummibärchen?“ „Machen Sie sich nicht lächerlich.“ „Wieso lächerlich, wir haben ein Verbot von Modeschmuck, wenn Kinder ihn für Gummibärchen halten und…“ „Aber kein Verbot von Gummibärchen.“ „Weil keiner erkannt hat, dass die Dinger gefährlich sind.“ „Hat Sie schon einmal eins im Wald überfallen?“ „Gummibärchen enthalten Zucker, die enthalten so viel Zucker wie Limonaden, denen man an den Schulen den kampf angesagt hat, und Zucker ist verantwortlich für Karies, Fettleibigkeit…“ „Laa-la-laaa!“ „… und Verdauungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, Allergien und…“ „Sie wollen doch nicht allen Ernstes Zucker verbieten!?“ „Warum denn nicht?“ „Das ist ein Genussmittel, den können Sie doch nicht einfach so…“ „Das ist Alkohol auch.“ „Aber ein Verbot ist doch der falsche Weg, dann haben Sie eine Fruchtgummi-Szene in der Schulhofecke!“ „ja und?“ „Das muss man doch pädagogisch lösen können, man kann doch den Konsumenten nicht alles verbieten!“ „Und warum funktioniert das bei den Zigaretten nicht?“ „Das lässt sich ja wohl nicht vergleichen!“ „Was lässt sich denn bitte daran nicht vergleichen? Sie müssen einfach den Verbrauchern beibringen, dass der Konsum einiger Substanzen mit unterschiedlich hohen Risiken behaftet ist, bei machen lässt sich das gut kalkulieren, bei manchen weniger gut.“ „Sie wollen doch nicht ernsthaft einen Fettklops mit schwarz verfaultem Gebiss abbilden?“ „Nein, ‚Gummibärchen töten‘ wäre schon genug.“
„Dann noch einmal ganz von vorne. Die EU-Kommission erwartet, dass wir eine Liste erstellen mit Konsumgütern, die erhebliche Gefahren…“ „Warum zieht man sie dann nicht aus dem Verkehr? Sind die Gefahren nicht abschätzbar für den mündigen Verbraucher? Wenn ja, wozu braucht es diese Verbotshysterie? und wenn nicht, wozu dann überhaupt den legalen Verkauf?“ „Sie regen mich langsam auf!“ „Könnte man nicht diese Hinweise auf Schusswaffen anbringen?“ „Ich sagte, Sie regen mich langsam…“ „Aber Sie werden mir bestimmt gleich erzählen, dass es nicht die Schusswaffen sind, sondern die Munition, richtig?“ „Ich kriege wirklich zu viel! Langsam kriege ich wirklich zu…“ „Oder Bahnfahren, haben Sie sich das mal überlegt? Entgleisende Züge und kochende Klimaanlagen, und dann weiß man nie, ob man nicht in Stuttgart eins auf die Fresse…“ „Großartig! ‚Bahnfahren schadet nachhaltig Ihrer Gesundheit‘ – hervorragende Idee! Schreiben Sie das auf, den Rest macht das Verbraucherschutzministerium. Ich wusste doch, auf Sie ist Verlass!“
Satzspiegel