„Zukunftskongress?“ „Ja nun, muss man doch nicht so ernst nehmen.“ „Aber ausgerechnet Zukunft, ich meine, das ist doch – “ „Da kann ja jeder kommen, wollten Sie sagen?“ „Da kann ja auch inzwischen jeder kommen, aber warum ausgerechnet die SPD?“ „Weil da jeder kommen könnte. Und da stören die auch nicht mehr groß.“
„Wie kommt man ausgerechnet auf die Idee, diese Beerdigung Zukunftskongress zu nennen?“ „Liegt doch auch der Hand. Die Zukunft kommt eh, egal wie beschissen sie wird, und dann müssen sie wenigstens nicht über Fortschritt reden.“ „Naja, dass sie vorwärts nimmer kann, hat die Partei ja hinlänglich gezeigt.“ „Rückwärts aber auch nicht, da steht die Agenda 2010 – mit einem Päckchen vor der Brust legt man sich im Krebsgang nun mal unweigerlich auf den Arsch.“ „Also tun sie lieber gar nichts.“ „Doch, aber sie versuchen seitwärts aus der Parklücke zu kommen.“
„Mal ernsthaft, wer wählt denn die noch?“ „Die gute Nachricht ist, dass die SPD immer noch von einer ganzen Reihe von Leuten…“ „Nach den Hartz-Gesetzen, nach der Demontage von Renten, Steuern und Arbeitsmarkt, nach der Privatisierung sämtlicher Schlüsselbranchen und der Umwandlung der Finanzindustrie in ein Zockerparadies?“ „… gewählt wird, die schlechte: die leiden alle unter demselben Gedächtnisschwund wie die Partei.“ „Das Unangenehme ist, dass diese Partei ein chronisches Glaubwürdigkeitsproblem hat.“ „Noch unangenehmer dürfte sein, dass sie chronisch glaubt, sie könnte für jede Lösung in der Zukunft heute schon das passende Problem schaffen. Am unangenehmsten ist, dass sie es immer wieder versucht, und das nicht einmal erfolglos.“
„Vor allem verstehe ich nicht, was Steinmeier da meint mit: wir wollen?“ „Dürfte heißen, er glaubt, er könnte.“ „Darum geht’s doch gar nicht. Er will? Hat er schon mal gefragt, ob er darf?“ „Das ist bis jetzt immer noch das Unschöne an der Demokratie, man muss in Abständen so tun, als vertrete man die Interessen von diesem Volk da.“ „Was dieser Laden mit dem Volk zu tun haben sollte, das erschließt sich mir allerdings auch gerade nicht.“ „Es gibt keine volksnähere Partei.“ „Habe ich was verpasst? Altersarmut, Niedriglöhne, den Scheiß nennen Sie volksnah!?“ „Das hat die SPD gemeinsam mit den fortschrittsfähigen Grünen dem Land eingebrockt, ja. Ist das keine lebendige Verbindung zum Volk?“ „Sie wollen doch nicht behaupten, dass die SPD den ganzen Irrsinn verbrochen hat, um ihn jetzt zu bejammern?“ „So viel Empathie hat dieser Verein auch wieder nicht.“ „Dann bin ich ja beruhigt.“ „Sollten Sie nicht sein, die Sozialdemokraten sind fest entschlossen, das alles wieder wegzuregieren.“
„Und das habe ich auch nicht kapiert. Es ist die alte Garde…“ „… des Proletariats?“ „Quatsch, das Gammelfleisch, das schon 2009 einen epochalen Erdrutschsieg von 23 Prozent eingefahren hat. Drei Untote, die man nicht rechtzeitig genug verbuddeln konnte. Ich höre sie noch singen: Wann wir scheitern Seit’ an Seit’.“ „Sie müssen das so sehen, sie zeigen dem Wähler, wie gut sie die Handlungsweise der Bundeskanzlerin inzwischen verstanden haben.“ „Sie labern herum und tun nichts?“ „Nein, das ist es nicht. Sie halten sich für alternativlos.“ „Aber das verwandelt die SPD ja erst in den Leichenhaufen, der sie heute ist.“ „Und da fragen Sie sich, warum sie so gut zur Union passt?“
„Was muss diese Sozialdemokratie denn anders machen, um endlich mal regierungsfähig zu sein?“ „Falsche Frage. Erstens sollte es eine andere Sozialdemokratie sein, und zweitens sollte sie sich überhaupt mal überlegen, etwas anders zu machen. Beispielsweise könnte sie endlich anfangen, die Deutungshoheit über politische Zusammenhänge höher zu hängen als die Lufthoheit über den Stammtischen.“ „Deshalb Zukunftskongress?“ „Nichts gegen Zukunft, aber wozu erzählen sie, dass sie als Regierung die Sümpfe trockenlegen werden, wenn sie sie als Opposition bereitwillig zu bewässern helfen?“
„Da hätten sie besser einen Programmparteitag veranstaltet. Nur, für welches Programm?“ „Es wäre schon ein Fortschritt…“ „Von dem war aber nicht die Rede!“ „… wenn sie überhaupt mal eine Art Programm hätten, das sie dann auch umsetzen könnten.“ „Mehr oder weniger.“ „Mehr weniger. Keiner verlangt von ihnen Ideologie. Warum auch, Ideologie ist von vorgestern.“ „Und wenn die SPD jetzt derart festgefahren ist in der fixen Idee, die bessere CDU zu werden, während die CDU längst die bessere SPD werden wollte, was bleibt noch? Ein neues Grundsatzprogramm? Was soll die Partei denn jetzt tun?“ „Sie wird etwas tun. Sie bastelt sich eine Ideologie zurecht.“
„Wenn wir es mit der traditionsbewussten Art von Sozialdemokratie zu tun haben, könnte das in neue Kriegsanleihen münden.“ „Ach was, dazu bräuchte man schon einen Außenminister, der sich den Schneid nicht abkaufen lässt. Aber vielleicht erleben wir auch eine große Überraschung.“ „Das klingt im Zusammenhang mit der Sozialdemokratie auch nicht gerade nach Trost und Hoffnung.“ „Doch, glauben Sie mir, diese Partei bleibt sich treu.“ „Neue Mitte?“ „Besser.“ „Mehr Demokratie wagen?“ „Viel besser!“ „Na, dann weiß ich’s aber auch nicht mehr. Was sollte einen denn nach diesem Kindertheater noch groß überraschen?“ „Denken Sie an Müntefering. Man darf die SPD eben nur nie an dem messen, was sie verspricht – vor der Wahl.“
Satzspiegel