Resistent

24 09 2012

„Jetzt lass das doch. Schau mal, das ist doch bloß ein Papier. Ob Du das jetzt in kleine Stückchen reißt oder nicht, dem Papier ist das egal. Und dem, was darauf steht, sowieso. Also lass das doch einfach, ja? Herrschaftszeiten, jetzt lass das! Fipsi!

Wie gesagt, unter Aufsicht. Ich bin sein gesetzlicher Vormund, damit er nicht ganz so viel Unsinn treibt. Oder nennen Sie es meinetwegen betreutes Regieren. Reine Vorsichtsmaßnahme. Er ist jetzt ja auch abkömmlich – in der CDU haben sie erst vorige Woche gemerkt, dass er gar nicht mehr da ist. Die Sozialdemokraten haben ihn schon ganz gut ersetzt. Jedenfalls sind mir noch keine Klagen gekommen, dass – Fipsi! Lass die Finger da raus! Du tust Dir weh!

Realitätsresistenz. Chronische Form. Das kriegen Sie durch Medikamente nicht mehr weg. Im Gegenteil, manchmal habe ich den Eindruck, die Jungs haben vorher schon zu viel – Fipsi! Sehen Sie, er versucht mit der Fernbedienung die Steuern zu senken. Letzte Woche hat er sich alle zehn Sekunden seine eigenen Schnürsenkel verkauft. Den ganzen Tag lang. Bis zur Erschöpfung. Und hat dann behauptet, er sei allein dafür verantwortlich, dass der Binnenkonsum angestiegen ist. Chronische Realitätsresistenz. Da können Sie sich die Therapie in die Haare schmieren. Aber er ist ja Privatpatient, das kann sich der Beitragszahler leisten.

Fipsi, nein! Du kriegst kein Hotel zum Spielen. Das passt hier außerdem gar nicht rein. Außerdem würde er das ja sowieso pleite gehen lassen. Von Wirtschaft versteht er ja gerade mal gar nichts. Deshalb hat es ja auch nur bis zum Vizekanzler geschafft. Fipsi, nein! Kein Hotel! Und jetzt hör endlich auf mit Griechenland! Du kriegst kein Griechenland, Fipsi! Und jetzt hör auf zu jammern!

Gebraucht? ob der in der FDP gebraucht wird? Lassen Sie es mich so sagen, der wurde da bisher noch nicht vermisst. Fipsi, lass die Finger aus der Steckdose! Lass das! Fipsi, wenn Du Kurzschluss machst, verschwindet die Windkraft auch nicht von alleine, wie oft soll ich Dir das denn noch sagen? Jetzt nimm die Finger da raus. Du hast doch schon so oft eine gewischt gekriegt, zuletzt im Kanzleramt von – Fipsi! Wissen Sie, es gibt Tage, an denen man sich eine Zwangsjacke wünscht.

Seinen Vorgänger hatte ich ja gar nicht. Der war in Abteilung IVb, intermittierende Hysterie, aber das kriegen Sie mit einem kalten Sitzbad weg. Oder die Pharmabranche schickt Ihnen etwas von dem Zeug für besonders gute Kunden. Entweder Sie erleben einen durchschlagenden Therapieerfolg, oder Ihr Patient wird endgültig – Fipsi! Lass die Finger aus dem Mixer! Es ist doch zum Kotzen, alles will er in die geordnete Insolvenz – Fipsi! Lass das! Gott, meine Finger sind’s ja nicht, und letztlich ist es auch nur konsequent, was er da macht. Oder wie, glauben Sie, ist die FDP da ins Umfragetief geraten?

Jetzt scheucht er schon wieder Ministerinnen raus, obwohl er alleine im Zimmer ist. Typische Allmachtsfantasien. Er hält sich für die Regierung. Wir hätten ihm den Beißring dalassen sollen, aber der Arzt meinte, er sei noch nicht – Fipsi, hörst Du auf zu schlagen!? Was ist denn in Dich gefahren heute? Übergriffig? Den Vorwurf kennen wir. Das Pflegepersonal wird übergriffig, wenn die Patienten nicht spuren. Da ist man mit Schuldzuweisungen immer schnell bei der Hand. Aber haben Sie sich mal überlegt, wie man das erträgt, wenn der einen der Patient ständig anspuckt und fordert, dass einem das Gehalt halbiert wird, damit man mehr Anreize hat, jeden Morgen zur Arbeit zu kommen? Aber das – Fipsi, runter vom Schrank! Wirst Du wohl! Runter! Du sollst da vom Schrank runterkommen! Er klettert ständig auf den Möbeln herum, wissen Sie. Manchmal versucht er, sich an der Decke festzuhalten. Kein Wunder, die Fünf-Prozent-Hürde sieht er ja auch nur von unten. Gestern hat er sich ein Feuerzeug eingesteckt und wollte seine eigene Protestdemo veranstalten. Gegen Blasphemie. Weil da wieder irgendjemand in der Zeitung geschrieben hatte, dass es kein endloses Wirtschaftswachstum geben kann. Naja, ich bin noch rechtzeitig an den Feuerlöscher gekommen. Die Gardinen lassen sich ja ersetzen.

Strenges Qualitätsmanagement, ja. Das muss alles dokumentiert werden. Jeden Freitag schreibe ich einen Bericht über seine geistige Armut. Das passt ihm zwar nicht, aber – lass das, Fipsi! Du sollst das lassen! Du sollst das sein lassen, Fipsi! Jetzt lass das doch endlich! Ja, es ist schon ein Kreuz mit ihm. Du sollst das – Fipsi, jetzt hör aber auf! Nicht die Koalition platzen lassen, lass das! Ich meine, mir wär’s ja auch egal, aber als gesetzlicher Vormund darf ich bei einem Suizidversuch nicht einfach tatenlos zusehen.

Letztlich ist das ja auch alles egal. Ob wir diese Typen nun drinnen oder draußen entsorgen, wenn sie versagt haben, das bleibt sich doch letztlich gleich. Hier drinnen haben wir lediglich den Vorteil, dass sie nicht mehr viel anstellen. Keine Gremien, keine Aufsichtsräte, und wenn sie mal so richtig Mist gebaut haben, werden sie später auch nicht Bundeskanzler und – Fipsi! Weg da, aber ganz schnell! Geh da weg, Du kannst nicht fliegen! Lass das sein, Du wirst Dir noch – Fipsi!

Zu spät. Kann man nichts machen. Weg vom Fenster.“