Ssssit. Die Sahne war da. Ssssit. Ein Ei. Ssssit. Noch eins. Bruno Bückler runzelte die Stirn. „Ich hatte einen Esslöffel Mehl bestellt.“ Petermann kratzte sich im Nacken. „Tja“, seufzte er, „Sie hätten es per E-Mehl bestellen müssen, Chef.“
„Ich kann so nicht arbeiten!“ Heftig vibrierten seine Schnurrbartspitzen; Bruno Bückler, Herr der Herde im eigenen Landgasthof und legendär, wenn es um Schwarzsauer und Spargel ging, von Verehrern wie von Konkurrenten als Fürst Bückler gepriesener Koch, quirlte erregt mit dem Schneebesen die stickige Küchenluft. „Ich möchte es einmal erleben, dass Hansi einen von diesen depperten Vertretern vor die Tür setzt, ohne ihnen vorher den Jahresumsatz in den Rachen zu schieben!“ Zwischen den beiden Brüdern herrschte seit jeher ein angespannter Waffenstillstand, den man keinesfalls leichtfertig hätte mit Frieden verwechseln sollen. Es fiepte aus der Ecke. „Die Eier.“ Petermann, Entremetier und Brunos rechte Hand, wies auf den Kühlschrank. „Offensichtlich haben wir sie nicht rechtzeitig verbraucht.“ Von irgendwo schnarrte es monoton. „Der Sellerie“, murmelte Bruno.
„Kinderleicht!“ Hansi jubelte geradezu. Ich war mir nicht sicher, ob er verstanden hatte, was er da anrichtet. „Diese kleinen Endgeräte kommunizieren mit den Kühlschränken, die Küche ist nämlich jetzt komplett vernetzt. Hier einmal auf das Rezept drücken, und zack! kommen zwei Eier aus dem Kühlschrank. Man muss nur abwarten, bis die anderen fertig sind.“ „Fertig?“ Er beschwichtigte mich. „Diese Verbindung per Mail ist immer noch ein bisschen holperig, aber mit der Zeit wird sich das schon einpendeln. Die Hauptsache ist doch, dass wir der Küche Arbeit abnehmen.“
„Genau das ist der Punkt“, jammerte Bruno. „Genau das versuchen wir ihm doch die ganze Zeit beizubringen. Wir können in der Küche nicht stillstehen – während die Reismütze im Ofen ist, dekoriert der Commis die Salate. Wir können nicht auf ein kleines Kästchen gucken und warten, bis die Gäste mit den Hufen scharren.“ „Warum hat er das überhaupt angeschafft?“ „Es gab Rabatte für Cognac und Champagner“, grummelte Petermann. „Ihm untersteht der Service, er muss das wissen.“ „Aber er regiert immer in die Küche hinein“, schrie Bruno. „Er regiert immer in meine…“ „Gut jetzt“, beschloss ich. „Die ersten Gäste sind da, wir sollten es versuchen.“
Bruno sautierte Muscheln und äugte kritisch, wie Trüffel über die Pasta gehobelt wurden. „In die Sauce noch ein paar Pilze, und die Bohnen werden diagonal ausgerichtet“, befahl er. Da schnurrt ein Döschen Tomatenmark über den Küchentisch. „Wer hat das bestellt?“ Ich guckte auf dem kleinen Kästchen, das achtlos neben dem Besteckkorb gelandet war. „Vermutlich ist nur ein Kellner auf die Taste gekommen, also kein Grund zur…“ Doch da spuckte der automatische Kühlschrank bereits die zweite Dose aus. „Wo bleibt die Mehlbutter“, fauchte Petermann. „Die steht doch rechts oben, warum bekomme ich stattdessen Tomatenmark?“ „Offenbar ist das System überfordert“, mutmaßte ich. „Sie können zwar per Mail eine Schwitze ordern, aber das Gerät erkennt nicht, wo was steht.“ Petermann grollte. „Vermutlich ist dieses ganze Ding nur erfunden worden, um einem Faulpelz die Pizza in die Hängematte zu liefern.“
Plötzlich begann der Mixer zu röhren. Das Display der handlichen Nervensäge verriet Kürbis al forno. „Wird normalerweise mit Pesto serviert“, informierte mich Bruno. „Aber ich habe keine Ahnung, warum das Ding jetzt rotiert.“ „Vermutlich hat ein Gast Kürbis bestellt?“ Petermann schüttelte den Kopf. „Haben wir erst morgen auf der Karte.“ Unbemerkt hatte sich Hansi hinter uns geschlichen und starrte verlegen auf den Boden. „Das liegt an den Geräten“, stotterte er. „Der Mixer ist von Sumsang und die Mikrowelle von Pionarr, die verstehen sich nicht besonders.“ „Jetzt wird mir einiges klar“, befand ich. „Unter anderem, warum der Geschirrspüler anspringt, sobald man den Pürierstab benutzt.“ Bruno stöhnte. „Ich kann so nicht arbeiten!“ Ssssit. Kam ein Ei.
Kaum hatte ich nach einem Lappen für das Ei gesucht, wie es sich unangenehm auf dem Boden verteilte, da strömte gemächlich Wasser aus dem Hahn neben dem Herd. „Offensichtlich ein venezianisches Modell“, bemerkte ich und zog mich zurück. Innerhalb weniger Augenblicke sauste der batteriebetriebene Saugroboter, den Hansi in einem Anfall von Wahnsinn gekauft hatte, durch die sich mählich vergrößernden Pfützen. „Den Hahn zu“, befahl Bruno. Doch nichts half. Hansi blieb wie vom Erdboden verschwunden. Und der See breitete sich aus. „Zweimal Bachsaibling“, rief es von der Küchentür. Bruno knurrte.
Der Kühlschrank ließ sich überlisten, soviel hatte Petermann in Erfahrung gebracht: bei saurer Sahne bekam man Meerrettich, für Meerrettich gehackten Dill und anstelle eines Eis deren zwo. Der Wasserstand stieg dennoch. „Den Fisch aus der Pfanne“, schrie Bruno, „und dreh mir doch endlich einer diesen verfluchten Hahn zu!“ Ich putzte den Tellern rasch den Rand ab und hieb auf die Glocke. Keine Bedienung. Ssssit. Die Remoulade musste vermutlich eh weg. Ich schnappte mir die Teller und schwang mich durch die Tür. Da stand Hansi, bis zu den Knöcheln in der Brühe. „Saibling“, klärte ich ihn auf. „Nebst Bach.“
Satzspiegel