Abgekanzlert

8 10 2012

„Und Sie meinen, wir kriegen Steinbrück hin?“ „Es dürfte schwierig werden, aber wir wollen ja nicht aufgeben. Wenigstens nicht jetzt schon.“ „Und was machen wir?“ „Keine Ahnung. Schamoffensive?“

„Das ist ja schon schwierig.“ „Finde ich auch, man weiß gar nicht, worauf man sich bei ihm einlässt.“ „Obwohl, er hat es doch gesagt?“ „Mag sein, aber immerhin ist er Sozialdemokrat und…“ „Sozialdemokrat!?“ „Na gut, er ist in der SPD. Aber die machen nach der Wahl halt auch immer Sachen, die sie vorher noch verteufelt haben.“ „Also lässt sich da noch keine Koalitionsaussage machen? Könnte man nicht mit den Linken…“ „Vergessen Sie’s.“ „Aber irgendeine Koalition muss doch möglich sein.“ „Klar, den alten Gammel noch mal aufgewärmt.“ „Will er nicht.“ „Rot-Grün.“ „Will er, geht aber nicht.“ „Rot-Rot-Grün.“ „Will er nicht, weil’s gehen könnte.“ „Und mit der FDP?“ „Das könnte in der Tat etwas werden. Das hat Zukunft.“ „Wegen der gemeinsamen Abneigung gegenüber sozialistischen Experimenten?“ „Nein, aber die FDP hat jahrelange Erfahrung mit dem inkompetentesten Idioten als Spitzenkandidat.“

„Muss man denn jetzt dieses Gerangel um die Nebeneinkünfte ernst nehmen?“ „Er sagt ja, dass er kein schlechtes Gewissen habe.“ „Lustig, ja – der und ein Gewissen!“ „Wahrscheinlich hat er aus seiner Warte sogar recht. Er möchte doch so schnell wie möglich die Reichensteuer einführen.“ „Was hat das mit seinen Vorträgen zu tun?“ „Wenn er jetzt nicht schnell ein paar Millionen macht, wie soll er denn dann Deutschland retten?“ „Im Alleingang?“ „Wird wohl so sein. Die Mittelschicht darf ihre Steuern und Sozialabgaben ja an die Niedriglöhner weiterreichen…“ „Das ist doch auch schön, dass endlich mal die Richtung stimmt bei dieser Umverteilung.“ „… und die Leistungsträger dürfen ihre Kohle in die Karibik schieben, während Schäuble die Bundeswehr ausrücken lässt, damit sie in Singapur auf den Bus wartet.“

„Warum veröffentlicht er nicht einfach seine Steuererklärung?“ „Wer nichts zu befürchten hat, hat auch nichts zu verbergen.“ „Also macht er’s?“ „Natürlich nicht. Wenn er es täte, dann ja nur, weil er sonst fürchten müsste, er hätte etwas zu verbergen.“ „Und deshalb veröffentlicht er keine Einkünfte, weil er sie dann lieber…“ „Was man als anständiger Staatsbürger verbirgt, das ist dann ja definitionsgemäß nach Recht und Gesetz.“ „Das dürfte die Ermittlungsarbeit der Justiz in der kommenden Legislatur entscheidend vereinfachen.“ „Sie sehen, Steinbrück kann’s.“ „Möglicherweise, ich sage: möglicherweise wird damit auch die Berechnung der Hartz-IV-Bescheide einfacher.“ „Weil wir einander wieder mehr vertrauen?“ „Weil wir auf viel mehr Transparenz setzen. Zumindest bei Ihnen, wenn Sie Sozialleistungen wollen.“

„Aus der Nummer kriegen wir ihn nicht mehr raus.“ „Wieso, schmollt er schon, weil die Würde des Amtes beschädigt ist?“ „Nein, aber wenn das jetzt alles schieflaufen sollte.“ „Es ginge schon, aber er müsste mit den Vorwürfen halt anders umgehen.“ „Er hat sie schon absurd genannt.“ „Das klingt ja auch gleich viel transparenter als damals bei Guttenberg.“ „Macht die SPD da mit?“ „Ganz sicher nicht.“ „Dann dürfte alles klar sein.“ „Weil die Partei ihn da rechtzeitig ausbremst?“ „Unsinn, Sie wählen ja nicht einen Kanzler, Sie wählen immer noch eine Partei. Die muss mit dem Kanzler nichts zu tun haben, die kann auch jemand völlig anderen wählen. Machen die Grünen ja auch.“ „Wenn es nicht anders herum kommt.“ „So weit sind wir nun doch noch nicht. Aber sehen Sie, die Wähler wählen ja die SPD.“ „Und das heißt, dass sich die Partei nur stark genug vom Kandidaten absetzen muss?“ „Was meinen Sie wohl, warum die Partei jetzt so auf Distanz geht?“

„Andererseits macht er das doch aber auch recht geschickt für die Partei.“ „Sie meinen, wie er jetzt zum Bankenschreck wird? Wenn er dann nach der Wahl wieder lieb ist zur Finanzbranche?“ „Nein, Sie müssen die ganze Geschichte erzählen. Er war doch schon auf der Seite der kleinen Leute.“ „Ah, verstehe. Er wollte, dass sich die Finanzindustrie überfrisst und platzt.“ „Genau. Und die Agenda 2010 war auch nur ein Angriff auf das Volk, um die proletarische Revolution zu entfesseln.“ „Cool!“

„Ich frage mich nur, warum er jetzt bereits so eine Krawallschachtel geben muss.“ „Denken Sie nach.“ „Ach, Sie meinen Westerwelle? Aber der ist doch – ich meine, war – also offiziell ist ja immer noch in der…“ „Denken Sie nach!“ „Nein! Nein, das glaube ich nicht!“ „Doch.“ „Oppositionsmodus, wozu das denn?“ „Denken Sie mal nach.“

„Dass Gabriel plötzlich Transparenz fordert, ist das auch Teil des Plans?“ „Warum nicht?“ „Weil… das mit der Diktatur hat mir eher nicht so gefallen.“ „Papperlapapp, das stimmt doch auch. Transparenz gibt es nur in der Diktatur.“ „Stimmt, in Nordkorea weiß man immer, wofür das Geld ausgegeben wird.“ „Seit wann sind Panzer unsichtbar?“ „Sparen Sie sich Ihre Ironie. Denken Sie lieber an das Theater mit der Vorratsdatenspeicherung.“ „Was hat die SPD da falsch gemacht?“ „Wenn Sie meinen, dass man durch genügend Transparenz zur Diktatur wird – nichts.“ „Sehen Sie? Und das können Sie auf den Rest der Agenda-Politik auch übertragen.“

„Und wenn er – also natürlich rein theoretisch, falls…“ „Wenn er sich abgekanzlert hat?“ „Oder wenn er abgekanzlert wird.“ „Von der Merkel?“ „Von der Partei.“ „Dann war das Teil des Plans.“ „Und dann macht es doch Gabriel?“ „Auf keinen Fall.“ „Oder Steinmeier?“ „Lächerlich!“ „Aber wer kann denn dann überhaupt noch Kanzler?“ „Sie meinen: außer Kraft?“ „So habe ich das noch nie gesehen.“ „Eben. Ganz demokratisch, da völlig intransparent. Sie müssen dem Mann nur etwas mehr Beinfreiheit geben, dann tritt er in die richtige Richtung.“ „Und was machen wir mit dem? Wenn er jetzt nicht noch mal Bankenlobbyist werden will?“ „Notfalls schieben wir ihn ab. Auf die Kaimaninseln. Als Honorarkonsul.“