„Und Sie haben noch einen ganzen Koffer voll Erinnerungen Ihres seligen Herrn Vaters an die große Zeit? Kein Problem. Wir haben das in fünf Minuten erledigt. Das Entsorgungsunternehmen de Maizière ist nicht unbedingt schnell, aber sehr gründlich. Wir schaffen das.
Man muss sich auch mal von alten Dingen trennen können. Oder bewahren Sie alles auf? Das kommt doch sonst auch bloß in falsche Hände. Und dann haben Sie plötzlich keine Karrierechancen mehr. Oder Ihre Promotion ist futsch. Oder Ihr Bundestagsmandat. Nein, man muss ab und zu mal entrümpeln. Alle Sorgen loswerden. Von Neuem anfangen, wenn man merkt, dass sich das Alte nicht mehr lohnt. Schlussstriche ziehen. Nicht jede Vergangenheit ist es auch wert, bewältigt zu werden, nicht wahr? Es gibt da manche, die will man lieber sofort vergessen. Und sehen Sie, genau dafür ist unser Unternehmen da.
Sie haben geerbt? Das ist doch nicht schlimm, das kann ja jedem mal passieren – Ihre Regierung sorgt schließlich dafür, dass das nur Sie etwas angeht und nicht auch noch Ihre Nachbarn. Oder den Fiskus. Biedermeiersekretär? Schöne Geldanlage, jedenfalls höher als der Brennwert. Unser Chef war nur sehr kurz Innenminister, der hat von Kultur so gut wie keine Ahnung. Da müssen Sie sich an den jetzigen – nein, lassen Sie’s besser. Also wie gesagt, das Geheimfach. Wir holen da rückstandsfrei sämtliche Informationen raus, speichern sie ab, und dann vernichten wir sämtliche Quellen. Natürlich vernichten wir die, das stand doch so im Prospekt. Quellenschutz ist bei uns nicht vorgesehen.
Wir können uns nicht beklagen. Kann sein, dass das mit der Gesinnungslage zusammenhängt, aber die Auftragsbücher sind bei uns seit Monaten nicht leer zu kriegen. Man hat schon den Eindruck, je mehr Transparenz da gefordert wird, desto mehr kommt auch ans Licht – oder könnte, wenn es das wäre, das noch nicht ans Licht gekommen ist, so ans Licht kommen, dass es besser wäre, es wäre eben besser nicht ans Licht gekommen. Und dann gibt’s ja auch so Sachen, wo man weiß, das wäre für Sie nicht unbedingt schlimm, Sie waren ja auch nur Parteigenosse, aber die durchführenden Organe, die waren natürlich in der Lage, Unrecht zu erkennen, und müssen deshalb heute mit der vollen Härte des Gesetzes – Celler Loch? Ich dachte eher an die Mauerschützen.
Wir setzen vor allem auf regionales Wachstum. Deshalb haben wir uns auch besonders stark gemacht, wo wir die besten Standortvorteile sehen. Beispielsweise in Thüringen. Das ist doch ein schmuckes Fleckchen Erde – ganz naturbelassen, keine Verfassungsschützer, da darf man noch offen gegen Neger und Türken demonstrieren, Reizklima, und unsere Freunde von der NPD haben ihre anfängliche Scheu längst abgelegt. Wir unsere übrigens auch, aber das nur nebenbei.
Kaderakten? Müssten wir mal schauen. Wir haben da schon eine ganze Menge vernichtet, aber es findet sich ja immer wieder etwas. Wir sind gründlich. Sagen Sie Ihrem Rechtsanwalt, dass wir nichts unversucht lassen – wir setzen Sie auch gerne von unseren Funden in Kenntnis. Immer vorausgesetzt, es betrifft nicht Sie.
Unsere Verbindungen zum Militär sind ja nicht zufällig. Wir brauchten tatkräftige Männer, gerne mit einschlägiger Erfahrung und blütenreiner Weste. Gut, ist jetzt nicht so häufig, aber man fragt ja mal. Deshalb unser, sagen wir mal: Ordnungs- und Entrümpelungsdienst. Es gibt Leute, die finden Sachen, die haben andere nicht einmal gesucht. Journalisten. Staatsanwälte. Gelichter halt, so Zeugs ohne Regierungsnähe. Da muss man einschreiten, wenn die zu aktiv werden. Und deshalb schicken wir die alle in einen Raum, in dem wir einen Reißwolf aufgebaut haben. Was da drin passiert, ist uns vollkommen unbekannt, wir lassen uns nicht damit in Verbindung bringen und werden jeden verklagen, der behauptet, hier könne jeder für eine hübsche Summe belastende Akten gegen ihn in Papierschnee verwandeln. Das stimmt natürlich nicht. Für Parteifreunde machen wir das nämlich auch umsonst.
Sie haben belastendes Bildmaterial? Kinder? Wie alt? Das ist gut, wir sind immer froh, wenn wir mal neuen Stoff hier sehen – man kann sonst der Öffentlichkeit nicht mehr erzählen, dass wir wissen, was sich in der Szene tut. Wir schnipseln das gerne für Sie, aber zur Sicherheit machen wir vorher eine Kopie. Nur zur Sicherheit. Falls wir das mal brauchen sollten – natürlich ohne Zusammenhang zu Ihnen. Man ist ja kein Unmensch.
Entsorgung ist Vertrauenssache. Oder wissen Sie, wer da alles weiß, was Sie wissen, aber wovon Sie nicht wissen, wer das weiß, obwohl Sie das nicht wüssten? Wir bieten Ihnen deshalb den Rundumservice an. Alles bombensicher. Was wir in die Finger kriegen, wird zu Konfetti. Wenn es sein muss, vernichten wir komplette Archive. Oder auch Akten, die eigentlich noch für den Dienstgebrauch sind, aber sich derzeit so in Verkehr befinden, dass man sie da leicht rausziehen kann. Wir bieten Ihnen das Beste an. Stellen Sie uns auf die Zerreißprobe.
Referenzen? Gerne. Ich nehme an, die Frau Bundeskanzlerin wird ein gutes Wort für uns einlegen. Sie weiß schon, warum.“
Satzspiegel