
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Es muss mit einem begriffsstutzigen Nachbarn begonnen haben; bei jeder sich bietenden Gelegenheit taperte er in Nachbars Wohnhöhle, fasste alles an, inklusive des Damenflors, und steckte seinen Rüssel in die Mammutvorräte. Wem hätte das nicht gewaltig gestunken. So erfand Ngg das erste deiktische Zeichen, mutmaßlich ein keulenschwingendes Konterfei seiner selbst, das der geschätzten Mitwelt das Hausrecht erklärte. Betreten verboten schriebe heute der Nachfahre, oder ein stilisierter Beknackter im roten Kreis verwehrte dem Vorübergehenden mit flacher Hand den Eintritt. Die Kommunikation trat ein in ein neues Zeitalter, dessen vorläufigen Höhepunkt wir heute erleben mit der Ausprägung des Schilderwaldes.
Wo immer wir uns heute durch den öffentlichen Raum bewegen, die Ausschilderung hat bereits stattgefunden. Hier ist es nicht statthaft, Räder an die Wand zu lehnen – es sollen schon ganze Wohnblocks unter der Last eines Damenvelos zusammengebrochen sein – und dort nicht angebracht, sich unbefugt mit Licht und offenem Feuer in Toreinfahrten beim Betteln erwischen zu lassen. Als wäre das Hausierergewerbe nicht längst immun gegen die erhobenen Zeigefinger, es prangt noch immer an jeder Stelle der Hinweis, wie unerwünscht sie seien. Nichts jedoch ist das alles gegen den Klassiker der teutonischen Raison d’être: Rasen betreten verboten ruft’s aus dem Wald, in den wenig hineingeschallt haben muss; eine Machtdemonstration der Feudalgesellschaft, die es nicht nötig hatte, ihre Flächen mit Land- und Fortwirtschaft extensiv zu nutzen, sondern sie zum Zwecke der Machtdemonstration mit dürren, nicht trittfesten Halmen einzusäen begann. Wie das Gras, so das Schild; auch der in den Boden gerammte Motzpfosten steckt die Claims der Elite ab, und wer sich nicht an die Order hält, ist eben ein kulturloses Schwein. Jedes Schild ist ein Hieb mit dem Gewehrkolben, und den führt die Obrigkeit.
Vollgeschwiemelt mit Hinweisen, Winken und unfreundlichen Aufforderungen gleicht die visuelle Möblierung der Biosphäre einer permanent sich steigernden Informationsdosis, die die Pupillen zersägt und das limbische System mit Splittern splattert. Nicht einmal die Erfindung der Reklame war der perfideste Akt, die ganze Umwelt in einem Rutsch zuzuschmaddern mit Schwachsinn, es reichten die allgemeinen Ordnungsmaßnahmen.
Die Verkehrszeichen machen einen Teil davon aus, nur eben nicht den sinnvollsten. Jäh warnt hinter der Kurve ein angedeutetes Schlingern, in die Eisen zu steigen – tut der Kraftfahrer dies, befindet er sich auf dem besten Wege, die Kontrolle über sein Auto zu verlieren, aber immerhin ward der formalen Logik Genüge getan. Flankierend stehen dort und hier Geschwindigkeits-, Vorfahrts- und Halteverbotsplaketten in der Landschaft herum, in massiver Präsenz schreien kreuzende Kühe und rodelnde Radler vom Straßenrand. Die meisten Zeichen im Ortsbereich sagen ohnehin nur, was der gesunde Menschenverstand, flankiert von der Straßenverkehrsordnung, weiß oder wissen sollte. Wo eine abschüssige Fahrbahn in den See mündet, findet sich selten eine größere Anzahl an Fahrern, die in ausgeprägter Hirnverdübelung unter Volllast ins Wasser kajohlt; evolutionäre Randzonen wie Bayern und Sachsen einmal ausgenommen. Doch gerade hier zeigt sich, dass der Regulierungswahn zu den ausgeprägtesten Eigenschaften des geistig nicht gesegneten Günstlings zählt, der die bunten Tafeln ins Panorama nagelt. Er kann nicht, also sollen andere auch nicht dürfen.
Wir setzen uns zur Wehr, wo immer wir können, und ist es auch nur die versteckte Geste eines Anti-Atomstrom-Buttons am Revers, so siegt doch die subversive Kraft, die uns Abstand gewinnen lässt von der Diktatur der normierenden Aussagen. Der Paternalismus, jene Krankheit zum Wohle einer Schicht, die sich für die Gesellschaft hält, wir gebrochen mit jedem Ausstieg aus dem System. Mit dem Briefkastenaufkleber Keine Werbung einwerfen lässt der Citoyen bereits das Einverständnis mit seiner eigenen Verkeimung hinter sich; zwar ein dialektischer Akt, aber doch ein sinnvolles Unterfangen, sich durch ein abstraktes, generalisierendes Zeichen von der Vermüllung mit überflüssigem Zeichensalat zu schützen. Es sollte mehr dieser Akte geben, dann wäre den Bekloppten vielleicht schneller bewusst, wogegen sie rebellieren: Keine Schilder hochhalten (fußläufiger Verkehr mit Demo-Aufkommen), Schilder anlehnen untersagt (Hauswand im öffentlichen Raum), Bitte Schild beachten (universelle Einsatzmöglichkeiten), Vorsicht Schild! (Kombinationstherapie) sowie Dieses Schild ist gültig bis zum nächsten Schild (Straßenverkehr in die Hölle). Wir müssen nur noch daran arbeiten, dass der eigenhändig gebrannte Keramikklumpen an der Haustür mit der Aufschrift Familie Delbighausen-Oertelmann nicht wieder alles kaputt macht.
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