„Wissen Sie, was das größte Problem an der Arbeitslosigkeit ist?“ „Sie werden es mir bestimmt gleich verraten.“ „Die Arbeitslosen.“ „Sie meinen, die verursachen die Arbeitslosigkeit?“ „Richtig. Wenn es nicht so viele Arbeitslose gäbe, dann hätten wir das hier in Europa endlich im Griff.“
„Dann müsste man eigentlich die Jugendlichen nur endlich wieder arbeiten lassen, damit die Arbeitslosigkeit weg ist.“ „Richtig so! alle wieder auf Arbeit, dann geht es Europa besser!“ „Und warum sind dann ein Viertel der Jugendlichen in Südeuropa arbeitslos?“ „Weil es denen so schlecht geht.“ „Und deshalb sind die arbeitslos?“ „Weil es denen so schlecht geht. Die haben ja nichts, die sind doch alle arbeitslos.“ „Also geht es denen so schlecht, weil es denen so schlecht geht?“ „Wieso, das hat doch…“ „Oder sind die bloß arbeitslos, weil sie arbeitslos sind?“ „Das hat doch damit nichts zu tun.“ „Was?“ „Na das mit dem, und mit dem anderen, und so. Oder?“ „Was fragen Sie mich, Sie wissen das doch.“
„Auf jeden Fall ist es jetzt mal gut, dass die EU etwas gegen die Arbeitslosigkeit tut.“ „Was tut die denn schon?“ „Die werden jetzt innerhalb von vier Monaten jedem von den jungen Leuten eine Arbeit geben.“ „Warum das denn?“ „Damit die nicht mehr arbeitslos sind.“ „Und dann?“ „Dann geht es denen besser.“ „Und dann?“ „Sind sie nicht mehr arbeitslos.“ „Warum?“ „Ja, denen geht’s doch besser dann, oder? Und dann geht sind die nicht mehr arbeitslos, weil die Arbeitslosigkeit weg ist, weil es denen da besser geht.“ „Und Sie meinen, dass das wirkt?“ „Na sicher, sonst würde die EU doch nie so etwas versprechen.“
„Haben Sie sich eigentlich mal Gedanken gemacht, was man den Arbeitslosen anbieten könnte?“ „Na, Arbeit doch.“ „Welche?“ „Na, zum Arbeiten halt. Wo man dann arbeitet, damit es einem besser geht.“ „Aber eben war es doch noch genau andersherum?“ „Wie, andersherum?“ „Da hat man noch gearbeitet, weil es einem besser geht.“ „Wegen der Arbeit, ja.“ „Und wo bekommen Sie die her?“ „Vom Arbeitsmarkt eben.“ „Der hat also genug Arbeit?“ „Ja sicher, sonst würde die EU doch nie so etwas… sagen Sie mal, wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“ „Würde ich mir nie erlauben.“ „Auf jeden Fall sollen die mal ordentlich arbeiten, dann geht’s denen auch gleich besser.“
„Meinen Sie nicht, dass das schwierig werden könnte mit den Angeboten?“ „Wieso denn, die müssen doch einfach nur arbeiten wollen.“ „Es ist immerhin ein Viertel der Bevölkerung unter 25, woher sollen Sie denn die ganzen Arbeitsplätze nehmen?“ „Dann muss man da eben ein bisschen zusammenrücken. Man kann die Arbeitsplätze doch aufteilen.“ „Und wie stellen Sie sich das vor?“ „Ja, man kann doch, die Arbeit kann man doch aufteilen und mehr Arbeitsplätze schaffen. Das hat doch für alle Vorteile, weil es dann allen besser geht.“ „Und wenn es so große Vorteile bringen soll, warum wird es dann nicht schon längst gemacht?“ „Weil die eben nicht arbeiten wollen.“ „Und deshalb muss man denen die Arbeitsplätze anbieten, die erst noch neu geschaffen werden?“ „Eben, dann geht es denen auch gleich viel besser.“
„Warum müssen denn überhaupt alle arbeiten?“ „Damit es denen besser geht.“ „Wodurch denn?“ „Dann haben die mehr Steuereinnahmen, und die können auch wieder mehr Renten zahlen.“ „Aber die, die heute Renten bekommen sollten, die müssen doch längst auch wieder arbeiten, wenn sie etwas finden.“ „Eben. Dann kann man doch die Jugendlichen arbeiten schicken, und die Rentner bekommen wieder Renten.“ „Und dann geht es denen besser?“ „Die arbeiten ja dann.“ „Aber das Rentenalter wird doch jetzt schon erhöht.“ „Das ist gut, denn wenn die alle arbeiten, dann geht es denen doch auch viel besser.“
„Es wird nur nicht reichen.“ „Was wird nicht reichen?“ „Die Arbeit.“ „Weil die nicht…“ „Es gibt in Spanien nicht genug Arbeit.“ „Dann sollen die eben nach Italien gehen.“ „Die Italiener haben auch nicht genug.“ „Portugal?“ „Keiner hat genug Arbeit für die Jugendlichen. Weder in Griechenland noch in Ungarn.“ „Sehen Sie, dafür haben wir dann ja den Fachkräftemangel.“ „Damit die anderen Arbeit bekommen?“ „Wozu denn sonst?“ „Und weshalb ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland so hoch?“ „Weil hier keiner arbeitet.“ „Aha. Und warum arbeitet hier keiner?“ „Weil die Arbeitslosigkeit so hoch ist.“
„Wenn ich Sie richtig verstanden habe, kommen bald jede Menge europäische Jugendliche nach Deutschland, die unsere Facharbeiterstellen besetzen.“ „Richtig. Und dann geht es uns allen…“ „Ich frage mich, wer hier wen für dumm verkauft. Wenn das funktionieren würde, warum haben wir es nicht schon längst gemacht?“ „Wo?“ „In Deutschland.“ „Weil es uns doch schon gut geht.“ „Uns geht es gut?“ „Ja, weil wir doch so viel arbeiten.“ „Aber dann dürften wir doch nicht so eine hohe Arbeitslosigkeit haben.“ „Dann müssen die halt irgendeine Beschäftigung kriegen.“ „Also keine Arbeit?“ „Das kommt doch darauf an, wie man Arbeit definiert.“ „Was schwebt Ihnen denn da so vor?“ „Vielleicht können die hier Schnee fegen.“ „Im Sommer?“ „Unsinn, im Sommer fegen die natürlich den Stadtpark.“ „Und wenn es keinen Stadtpark gibt?“ „Jetzt machen Sie sich doch nicht lächerlich! Irgendeine Straße wird sich doch wohl finden, die man fegen kann.“ „Als festen Job?“ „Meinetwegen auch als Praktikum.“ „Warum als Praktikum?“ „Dann haben die Arbeit, und wenn sie mit 25 nach Hause kommen, dann geht es denen viel besser.“ „Und vorher dürfen die in Deutschland kostenlos die Straßen fegen.“ „Weil die dann Arbeit haben.“ „Dann habe ich Sie endlich verstanden.“ „Was?“ „Dass die hier arbeiten sollen.“ „Warum?“ „Weil es uns dann besser geht.“
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