„Gut eine Million, verteilt auf das Jahr. Oder bis zur Wahl, man will ja auf Nummer Sicher gehen. Dann wären wir erstmal aus dem Schneider. Nein, nicht Euro. Wo denken Sie hin? Arbeitslose! Oder haben Sie keine mehr vorrätig?
Wir haben hier eine der modernsten Behörden der Welt. Alles funktioniert, wir werden unseren Aufgaben gerecht, auch und gerade durch die von der Regierung beeinflusste Effizienzsteigerung. In der Verwaltung, nicht für die Arbeitsuchenden, oder was haben Sie gedacht? Wir sind eine Agentur, das ist modern, das ist zielgerichtet, das ist schon so gut wie alles – müssen wir uns da noch um Inhalte kümmern? Geben Sie uns irgendeinen gesetzlich vorgesehenen Bedarf, und wir definieren den weg. Schauen Sie mal, wir produzieren für den Export, die meisten Personalchefs haben noch nichts vom demografischen Wandel und vom Fachkräftemangel gemerkt und finden die Leute, die es offiziell gar nicht mehr gibt, der deutsche Euro ist stark, die Kanzlerin sitzt fest im Sattel – wir sind am Arsch!
Die Bundesagentur muss bis 2015 vollkommen umstrukturiert werden. Bisher sind wir modern und effizient und… wissen Sie ja. Hinterher soll es aber immer noch so aussehen, verstehen Sie? Eben, und wir sind ja nur eine Behörde. Wir müssen 17.000 Stellen abbauen. Aber die Stellen, die wir abbauen, die müssen wir dann ja als Arbeitslose hinterher wieder betreuen, und dann haben wir wieder zu wenig Stellen, dann haben wir zu viele Arbeitslose, und dann müssten wir wieder neue… so irgendwie. Das machen Sie mal einem Ministerialbeamten klar, der sieht nur Stellenstreichungen, und dann war’s das. Neuwahlen? Nee, alles machen die von der FDP ja nun auch nicht für Geld.
Vor allem stellen Sie sich mal vor, dass die ehemaligen Agenturmitarbeiter hier als Arbeitslose ankommen. Die wissen doch, wie der Hase läuft! Da kriegen Sie keinen Bescheid über den Tisch, ohne dass Ihnen das Gericht die Ohren lang zieht! Gut, wir sichern Arbeitsplätze in der Justiz, aber ist das wirklich alles? Können wir nicht noch viel moderner und effizienter sein?
Moderate Lohnsenkungen wären schon mal ein guter Anfang. Das müsste man vielleicht etwas besser verargumentieren. Instabile Märkte? Klingt schon mal gut. Gestiegene Managergehälter führen zu empfindlichen Sparmaßnahmen? Das ist prima. Das können wir kommunizieren. Vor allem endlich einmal eine Umverteilung von oben nach unten.
Wir haben ja auch unsere volkswirtschaftliche Verantwortung. Wir sind für den Arbeitsmarkt direkt verantwortlich, zumindest für die privaten Arbeitsvermittler. Und die Weiterbildungsindustrie. Das sind Arbeitsplätze! Und wenn Sie sich überlegen, dass wir noch viel moderner – egal, auf jeden Fall können wir die Zeitarbeitsfirmen nicht einfach so mit zu viel verfügbarem Personal zuschütten. Am Ende denkt die Wirtschaft noch, die könnten wieder Stellenanzeigen in die Zeitung setzen, ohne uns davon zu informieren. Das kann man doch einer modernen, effizienten Behörde nicht zumuten!
Das ist doch gar nicht so ungewöhnlich. Denken Sie an die schlechte Zeit nach dem Krieg. Nein, nach 1918 meine ich. Plötzlich diese Republik, und dann waren die ganzen Versorgungsposten alle weg, nicht mal Bürgerkrieg in Sicht, was macht man da? Stabsstellen einrichten, Hauptämter, Bürgerwehr, Reichsbutterrationierungshilfsunterinspektoren, und alle bekommen Geld vom Staat, den sie hassen, weil er für parasitäre Existenzen wie sie die Moneten zum Fenster rausschmeißt. Man hält sich über Wasser, irgendwie, und hofft, dass man als Aufstocker durchkommt. Bedingungsloses Grundeinkommen? Ja, das trifft es.
Das Weiterbildungsprogramm könnte man noch ausweiten. Die Ausbildung innerhalb der Agentur, sonst macht das ja keinen Sinn. Wir qualifizieren uns doch nicht unser Kapital vom Hals.
Es gäbe da noch eine Interimslösung. Aber ich weiß nicht, ob man das denken darf – das ist alles ganz logisch und vernünftig und entspricht weitestgehend den Tatsachen, deshalb ist es ja auch politisch nicht opportun. Also nur mal ins Unreine gedacht. Nicht böse sein. Wenn man die über 58, wenn man die nicht als Abfall, sondern als normale Arbeitnehmer –
Langfristig könnte uns möglicherweise der Euro-Backlash retten. Meinen Sie nicht, wir könnten langsam mal von der Krise profitieren? 20% Arbeitslose, davon träumen wir! Mit den Zahlen könnten wir unseren Personalbedarf verdreifachen! Das wird dann noch moderner und kompetenter und, naja, vielleicht irgendwie auch effizient. Man müsste mal sehen, ob wir nicht auch die Ausländer mit verwaltet. Die, die nach Deutschland kommen. Und die, wo wir noch nicht zuständig sind. Man denkt in großen Dimensionen, wenn man einmal angefangen hat. Und wenn wir genügend Fremdarbeiter auf dem Arbeitsmarkt haben, könnte man auch das Argument mit den deutschen Fachkräften ganz anders besetzen. Noch eine Kundenschicht mehr, wir könnten gleich viel differenzierter vorgehen. Ich sage Ihnen, wir haben hier in Deutschland paradiesische Zustände. Die Politik macht wirklich alles richtig. Wenn man mal von den Arbeitslosen absieht, dann haben wir hier bald Vollbeschäftigung.“
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