
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Wozu die Ausbildung eines Arztes gut ist, weiß der ausgebildete Koch meistens dann genau, wenn er sich bei der Zerkleinerung des Schnittlauchs die Flossen püriert. Wäre der Mediziner nun Glaser geworden, hätte er den Wunsch, trotz Famulatur und Doktor sich hauptberuflich der Philatelie zu verschreiben, keiner würde dem Küchenchef die Kuppen kurieren. Es braucht diese Zuständigkeiten, die dem Leben Sicherheit verleihen: der Fischer fischt, der Taxifahrer fährt Taxi, der Müllmann übermannt den Müll. Was sollte ein Rollentausch, bei dem der Arzt im Müll fischt, der Fischer das Taxi kocht und der Koch aus der Haut fährt? Je mehr man will, desto mehr Grenzen sind da, sich daran zu stoßen.
Doch in der Glotze, scheint’s, funktioniert das alles reibungslos. Alternde Eislaufseppel turnen die Angstmachersendung mit dem Aktenzeichen vor, abgehalfterte Quasselkasper egomanieren in der Samstagabend-Show, wie sie sinnloser nicht sein könnte, und als Bonus plagt ein Kochformat zur Einschlafuhrzeit die peristaltische Ruhe des halb Verdauten. Wer eben noch als Trantüte des Fußballs das Niveau an der Grasnarbe fest schwiemelte, darf jetzt schon mit einer Auswahl an Besserwissern und drittklassigen Witzerzählern auf die Bühne stolpern und seinen Nachruhm bereits zu Lebzeiten aus der Existenz trampeln. Den Mehrzweckmoderatoren gehört die Macht über die Mattscheibe, den in Neutralseife gespülten Unterdurchschnittsbratzen, die bei der Selbstzerfleischung des deutschen TV-Unwesens willige Hilfskräfte spielen. Ihre Kernkompetenz beschränkt sich darauf, die Fresse in die Kamera zu halten.
Überhaupt, Kompetenz. Wer sich mit einer Sache nicht auskennt, kennt sich auch mit mehreren Sachen simultan nicht aus und gerät damit flugs zur Idealbesetzung deutscher Programmpopler. Wo nur Flexibilität gilt, der einzige natürliche Feind des funktionsfähigen Rückgrats, da lässt sich mit Hilfe eines beliebigen etatmäßigen Pausenclowns jedes Sendekonzept schnell und unbürokratisch über die Wupper bringen. Gerüchteweise wird die Mehrheit der Rampenstrampler eigens dazu herangezüchtet, zu gut laufenden Glotzgehalt von der Mattscheibe zu feudeln – Geld ist genug da, spätestens seit der Datenschutzgulag GEZ, dessen integraler Bestandteil die Sendeanstalten des öffentlichen Unrechts längst sind, sich für jeden Hirnschrott im Mitklatschformat Beträge auszahlen lässt, mit denen man in Entwicklungsländern den kompletten Militärhaushalt bestreiten könnte. Rücksichtlose Planierwirtschaft überrollt das Angebot, jede Art von Kontur wird gnadenfrei geplättet, auf dass die angeblichen Quotenschlager dermaleinst kurz nach dem Einschalten ein flächendeckendes Vollkoma induzieren und nach dem immer gleichen Vorspann neunzig Minuten Testbild ausreichen.
Die große Unterhaltungssendung ist längst dem perennierenden Quiz gewichen, in dem A- bis F-Prominenz – teilweise sind sie bekannt dafür, berühmt zu sein, teilweise auch umgekehrt – sich zu grenzdebilen Ratespielchen treiben lassen, vom Schauspieler herab bis zur Bundesministerin, allesamt von PR-Agenturen auf intellektuell niederschwellige Angebote getrimmt und jederzeit bereit, sich in diesem visuellen Kaugummi nicht durch individualistische Präsenz zu zermarmeln. Inmitten dieser Überflüssigkeit par excellence, in der die Hauptstadt von Peru und die Summenformel von Leitungswasser als Herrschaftswissen gehandelt werden, rotiert eine allseitig abwaschbare Multifunktionsabbelkrampe um die eigene Achse des Blöden, und was könnte einem aus Eitelkeit und Wichtighuberei bestehenden Panel besser die Rosette vergolden als der Mann mit dem gewissen Garnichts, ein sprechender Polyesteranzug mit Aushilfsfrisur und dem Charisma einer Tüte Streusand. Meist ist dies die Endstation Sendsucht, bevor die letzte MAZ aus der Röhre sickert und der Intendant das Formular für den Gnadenschuss unterschreibt. Die Delinquenten versenden sich dann noch ein paar Tage, bis sie frisch geliftet in einem Privatsender aus der Luke kriechen.
Ein nicht rühmliches, aber unter systematischen Gesichtspunkten einzusehendes Gegenbeispiel sind die sogenannt volkstümlichen Musiksendungen, in denen Jodeln jenseits der Schmerzschwelle und manisches Geschunkel frisch aus der geschlossenen Abteilung zum gerontopsychiatrischen Normalfall der westlichen Industrienationen verklärt werden. Der schmale Grat, wenn ein Krachlederdepp mit einer Dirndlprolette zivilisatorische Aussetzer zelebriert, ließe sich nicht ohne größere Schäden auf Wintersport, Börsennachrichten oder eine der pseudopolitischen Ringelpiezsimulationen pfropfen, ohne nachhaltige Verstörung in der Kernzielgruppe auszulösen. Alpengetöse in der Presseschau, das bleibt dem Zuschauer erspart.
Es kommt der Tag, da schießen Telepathologen aller Anstalten das Allerheiligste sturmreif. Die aus Wetterkarte, Landfunk und Ratgebersendungen zusammengefegten Bügelfaltengesichter werden ins laue Stahlbad der Metaphern gestopft und dürfen dann, aus der Tiefe des Raumes, dem deutschen Fußball ihre dünn gerührte Brühe ins Ohr plempern. An Tagen wie diesen wird man sich das keimfreie Geseier der heutigen Dumpfdüsen wünschen, die einen Strafstoß von einem Spucknapf unterscheiden und die Abseitsregel ohne rhythmische Schläge auf den Hinterkopf replizieren können. Ungehindert deliriert dann kognitiv naturbelassenes Mittelmaß über die Monitore, und keinem der Funktionäre wird es auffallen, weil die Sprechpuppen längst nicht mehr merken, ob sie beim Staatsakt oder beim Landerspiel hocken, ihr Schnappatmungsgeplapper bleibt sich gleich. Wahrscheinlich ist das alles eine Prüfung, Kerner, Jauch und Beckmann, und wir haben durch den Schmadder, den wir seit Anbeginn ertragen, längst eine Bonität an Karmapunkten ersessen, für die man Lanz mit einem stumpfen Käsehobel bei lebendigem Leib häuten und anschließend in seinem eigenen Quark ersäufen könnte. Wir wären erlöst, allesamt, und es wäre bitter nötig. Denn in der Hölle moderiert er auch noch das Sportstudio.
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