Auge um Auge

24 01 2013

„Meinen Sie nicht, dass diese Schnüffelei bei den Linken langsam albern wird?“ „Keinesfalls. Man muss den Anfängen wehren.“ „Wie bei den Rechten?“ „Unfug, das ist etwas ganz anderes. Bei den Linken können wir nicht abschätzen, ob es sich um verfassungsfeindliche Bestrebungen handelt.“

„Das klingt logisch. Auch in Bezug auf die Nazis.“ „Wieso dies?“ „Da wissen Sie ja immerhin, dass es sich um Verfassungsfeinde handelt.“ „Und ob!“ „Und deshalb müssen Sie die ja auch nicht mehr observieren.“ „Warum auch, diese Rechten tun doch alles unter den Augen der Öffentlichkeit.“ „Was Sie nicht sagen!“ „Teilweise sind die auch in die Parlamente eingezogen.“ „Das spricht wohl für ihre Harmlosigkeit.“ „Und Sie werden mir wohl zustimmen, wenn eine Partei es bis ins Parlament schafft, dann muss es da doch wohl einen gewissen Rückhalt in der Bevölkerung geben, oder?“ „Was hat das mit der Verfassung zu tun?“ „Wenn jemand sich wählen lässt, um im Namen des Volkes, oder wenigstens für die Wähler, und dann auch noch in der Öffentlichkeit, ich meine, ist das denn nicht automatisch, oder kann man da von der Verfassung her, ich meine, das gesunde Volksempfinden, das spielt wohl keine Rolle mehr?“ „Man merkt, dass Sie für die Bundsregierung arbeiten.“

„Jetzt lassen Sie doch mal die Kirche im Dorf. Natürlich beobachten wir Rechte, genauso, wie wir auch die Linke beobachten.“ „Nur, dass es eben keine Partei Die Rechte gibt.“ „Wem sagen Sie das, alles muss man selber machen.“ „Und was kommt bei Ihrer Nazibeobachtung raus?“ „Nicht viel, wir hängen uns da wohl zu sehr rein.“ „Das hieße im Umkehrschluss, dass Sie die Linke nicht beobachtet haben, damit mehr Erkenntnisse dabei herauskommen.“ „Auch das, und wir haben einen besonderen Kniff angewandt.“ „Als da wäre?“ „Wir haben nur öffentlich zugängliches Material ausgewertet.“ „Großartig. Weshalb?“ „Damit uns keiner nachsagt, wird würden etwa mit denen unter einer Decke stecken und uns heimlich Material zu deren Verbot besorgen.“ „Sie denken ja an alles.“ „Nicht wahr? Das kann eben nur der Verfassungsschutz.“

„Aber mal Spaß beiseite, weshalb dieser ganze Zinnober?“ „Wissen Sie eigentlich, dass die Linke überwiegend aus der DDR stammt?“ „Das trifft auf ein paar Millionen Deutsche zu.“ „Aber die haben doch nichts zu sagen.“ „Das hatten sie damals nicht, und wenn Sie so weiter machen, wird sich auch heute nichts daran ändern.“ „Die sind doch nicht an der Macht!“ „Lassen Sie das mal bloß nicht Ihre Kanzlerin hören.“ „Am Ende kriegt die Heimweh nach der FDJ.“ „Das lässt sich doch alles nicht vergleichen!“ „Warum nicht?“ „Sie wollen doch nicht diese Kommunistin mit einer anständigen Staatsbürgerin vergleichen wollen?“ „Ach wo. Die eine konnte ja umgehend ihr Studium aufnehmen.“

„Sind Sie nie auf die Idee gekommen, wirkliche Radikale zu observieren?“ „Es gibt doch so wenige heutzutage.“ „Die FDP scheint spurlos an Ihnen vorbeigegangen zu sein.“ „Nein, aber man kann sich eben nicht um alles gleichzeitig kümmern. Außerdem ist die FDP in der Regierung, und ich kann ja schlecht jemanden beobachten, der mich bezahlt.“ „Das leuchtet ein.“ „Sonst hätte ich bei Schäuble längst – nein, ich sage da nichts mehr.“

„Sie kritisieren die Linke also dafür, dass sie den Kapitalismus abschaffen will?“ „Darf man das denn?“ „Sie sollten vielleicht mal den Papst observieren.“ „Um Gottes Willen!“ „Das trauen Sie sich nicht zu, oder?“ „Natürlich, aber der Vatikan ist eh voller Spitzel.“ „Einzusehen. Dann schnüffeln Sie halt mal bei Heiner Geißler.“ „Das macht man doch nicht!“ „Glauben Sie mir, der Mann meint das viel ernster als Gysi. Und der ist so alt, der nimmt auf nichts mehr Rücksicht.“ „Das mag ja auch alles sein, aber man kritisiert nicht den Kapitalismus!“ „Ist der denn verfassungsmäßig vorgeschrieben?“ „Natürlich nicht, das ist ja nicht mal die soziale Marktwirtschaft.“ „Dann wird man von den regierenden Lobbyisten also schon als Staatsfeind betrachtet, wenn man sich offen gegen den Kapitalismus ausspricht?“ „Das werden Sie schon, wenn Sie die soziale Marktwirtschaft verteidigen.“ „Und ich dachte immer, dies sei ein Rechtsstaat.“ „Rechts ja, aber Staat?“

„Warum geben Sie sich überhaupt her für eine solche Aktion?“ „Das muss eben sein. Wir brauchen ja auch Aufschwung und Wachstum und so.“ „Was hat das denn damit zu tun?“ „Es wird doch überall von NPD-Verbot geredet, von Auflösung des Verfassungsschutzes und diesen Dingen.“ „Ist doch auch richtig so.“ „Und wo sollen wir dann hin?“ „Suchen Sie sich halt einen vernünftigen Job. Wir stehen zwar wegen des Fachkräftemangels kurz vor der Katastrophe, aber solange Vollbeschäftigung droht, merken wir nichts davon.“ „Das geht aber nicht.“ „Und mit einer Charmeoffensive? Wenn Sie zugeben würden, dass Sie auf dem Holzweg waren?“ „Geht auch nicht. Wir hatten schon vorher beschlossen, recht zu haben.“ „Das erklärt natürlich vieles. Aber haben Sie noch nie bedacht, dass Ihnen das auf die Füße fallen könnte?“ „Ich fürchte, es wird bald so kommen.“ „Ich meine, nach Recht und Gesetz, da müsste man ja…“ „Was?“ „Spätestens nach der nächsten Wahl, könnte es da nicht sein, dass wir den Friedrich selbst…?“