Weg-Gefährten

29 01 2013

„Wir machen weiter wie bisher. Nein, wir machen weiter, aber nicht wie bisher, damit wir weitermachen können. Wie bisher.

Heißt im Klartext, wir retten die Koalition. Jetzt nicht, indem wir die Koalition in den Vordergrund stellen – das wollte die Chefin auch nicht unbedingt – aber wir müssen erstmal die Union wieder in den Vordergrund rücken. Wenn wir nicht die Chefin hätten, würden wird ja kaum noch wahrgenommen. Das müssen wir ändern, beziehungsweise: wir müssen das nicht ändern, damit sich das nicht ändert. Meint die Chefin.

Zunächst arbeiten wir an der Verbreiterung der Koalition. Wieso? Altmaier? Was hat der denn mit – jetzt hören Sie auf mit Ihren Kalauern, ich meine die Umweltpolitik! Das ist ja wohl etwas ganz anderes! Wir müssen die Union eben sehr viel breiter aufstellen, und dafür brauchen wir präventiv die Themen der Grünen. Ja, präventiv. Falls das mit Schwarz-Grün doch nicht hinhauen sollte, dann sind wir breiter aufgestellt und können das mit der FDP machen. Wieso? Unrealistisch? Was ist daran bitte unrealistisch?

Das hat doch bei der SPD auch schon ganz gut geklappt. Die Chefin hat einfach so lange die SPD nachgemacht, bis keiner mehr den Unterschied erkennen konnte. Dann haben wir sie um die Ecke gebracht. Sollte also klappen. Aber die Chefin macht es diesmal besser. Wir haben auch schon die optimale Strategie. Gucken Sie sich doch die Union mal an. Koch, Guttenberg, Jung, Wulff, dieser McAllister – alles Weg-Gefährten von der Chefin. Eben noch Gefährten, jetzt schon weg. Da muss man doch was unternehmen? Sehen Sie. Wir haben uns das so gedacht: beim letzten Mal haben wir der FDP eine Menge Stimmen gegeben, und dann haben wir trotzdem nicht gewonnen. Diesmal werden wir ihnen einfach so viele Stimmen wie möglich nehmen. Dann müssten sie doch rein theoretisch gewinnen, oder?

Klar haben wir ein Wahlprogramm. Sonst könnten wir doch den anderen nicht vorhalten, dass sie kein Wahlprogramm haben. Unser Wahlprogramm? Die Chefin halt. Schäuble hat alle Steuersenkungspläne plattgemacht, von der Leyen ist an der Rente gescheitert, der Rest ist nicht weiter erwähnenswert. Meinen Sie nicht, dass die Chefin da als Wahlprogramm vollkommen ausreichen dürfte?

Ich weiß nicht, ob Sie’s wussten, aber unser Markenkern ist eh futsch. Es gibt immer weniger Wähler, die schon als Rentner auf die Welt kommen. Kaum anständige Ausländerfeindlichkeit, die meisten von denen haben inzwischen eine Berufsausbildung, was soll man da sagen. Manche von denen fühlen sich auch gar nicht mehr richtig vertrieben. Schlimm! Steinbrück ist so ein alter Sack, und die FDP hat auch die letzte Reserve an die Front geschoben. Wir haben hier den Endgegner vor uns. Der kommende Bundestagswahlkampf wird von einer furchtbaren Heimsuchung geprägt sein, von der biblischen Strafe, von dem – wieso? Ich rede von Inhalten! Inhalte! Bei der Bundestagswahl! Das ist doch barbarisch!

Deshalb wollen wir diesmal auch viel differenzierter vorgehen. Die anderen haben wir schon durch, deshalb sollten wir diesmal die Grünen als Zielvorgabe. Wir machen alles nach, was bei denen im Programm steht, und dann werden wir gewählt, und die FDP kann sich wieder ganz klasse gegen Umweltschutz, Nachhaltigkeit und ökologische Wirtschaft absetzen. Schiefgehen? kann passieren. Dann haben die Grünen viel mehr Stimmen als erwartet, und dann müssen wir mit denen koalieren. Aber das macht dann auch nichts, wir haben ja im Wahlkampf schon gezeigt, dass wir uns voll mit ihren Inhalten identifizieren.

Ach was, bei der SPD wird das nichts bringen. Dass jemand die Grünen wählt, weil er sich für das Original entscheidet, das kann ja noch passieren, aber bei den Sozialdemokraten? Was ist denn da das Original?

Modernisierung eben. Es gibt eine Lohnuntergrenze, die ist zwar unterhalb jeder Lohnuntergrenze, aber es ist halt eine Lohnuntergrenze. Wir nennen die Frauenstilllegungsprämie nicht mehr Frauenstilllegungsprämie, wir nennen die Frauenstilllegungsprämie Betreuungsgeld. Das ist so zeitgemäß, da kann Steinbrück wer weiß was für ein Kanzlergehalt fordern.

Die asymmetrische Mobilisierung übernimmt jedenfalls wieder Pofalla. Bei einem extrem langweiligen Wahlkampf schlafen mehr SPD-Wähler ein als unsere Leute. Das sind die nicht gewohnt, die kennen nicht unser Personal. Wie gesagt, Pofalla. Der Mann ist derart aufregend, mit dem kriegen Sie einen tollwütigen Hund ins Koma gepredigt. Und wenn da noch ein paar Leute wach blieben, schieben wir Gröhe nach. Der lähmt jede Hirntätigkeit.

Überhaupt Asymmetrie. Wir machen das mit der Abwehr von Steuererhöhungen, die FDP macht das mit den Steuersenkungen. Im Ergebnis passiert gar nichts, aber es passt wenigstens auch nicht zusammen. Mindestlohn und doch kein Mindestlohn. Lebensleistungsrente und Rentenkürzung. Das kann man so gut miteinander kombinieren. Aus genau dem Grund wählen die Leute ja die Chefin immer noch. Die haben überhaupt keine Ahnung, dass sie hinter diesem ganzen Murks steckt, den die Regierung seit Jahren anstellt. Das ist doch das Wichtigste. Und darum machen wir weiter. Wie bisher.“