Leihweise

25 02 2013

„Und wie viele bräuchten Sie dafür? zweihundert? Das lässt sich machen. Die haben Sie bis morgen früh zusammen. Alle instruiert, alle wissen Sie, was sie zu tun haben. Keiner tanzt aus der Reihe und garantiert keiner stellt irgendwelche Fragen. Verlassen Sie sich darauf. Unser Personal ist wirklich erstklassig. Wir haben schließlich einen Ruf zu verlieren als Deutscher Bundestag.

Man muss eben mit gutem Beispiel vorangehen und sich an die modernen Arbeitsmethoden anpassen. Daran führt kein Weg vorbei. Deshalb setzen wir auf Leiharbeit – Sie sagen uns, wofür Sie welche Abgeordneten wo brauchen, und wir organisieren das für Sie. Alles aus einer Hand. Aus der öffentlichen. Unabhängig? Na klar, alle unsere Abgeordneten sind vollkommen unabhängig. Die verdienen so viel nebenbei, dass die auf ihre Diäten quasi gar nicht mehr – ach so. Doch, da sind sie auch unabhängig. Wenn sie der Meinung sind, dass sie sich nicht mehr an die Vorschriften der Leiharbeitsbranche halten müssen, dann zeigen wir ihnen, wie schnell ganz und gar unabhängig von ihrem bisherigen Job sind. Haben Sie damit ein Problem? Na also, dachte ich mir.

Wir machen das komplette Handling, absolut passgenau. Die Abgeordneten sind genauso gut informiert, wie Sie das gerne hätten. Referenzen? Nehmen Sie einen von diesen Rettungsschirmen, da wussten die Parlamentarier so gut wie fast alles. Hinterher, richtig. Sie wurden zeitnah nach der Abstimmung informiert, worum es sich gedreht hat und was ihr Votum für Konsequenzen würde haben können. Zu spät ist ja immer noch früh genug, oder? Dafür haben Sie als Auftraggeber absolute Rechtssicherheit. Sie können sich absolut sicher sein, dass hier Recht geschaffen wird, an das Sie sich spät halten können, wenn Sie gerne möchten. Vertrauensschutz ist für uns sehr wichtig – wir wollen Sie als langfristigen Auftraggeber behalten, möglichst über diverse Regierungswechsel hinweg, oder im Falle Ihres Landes: auch dann, wenn ein paar Mitarbeiter Ihres Herrschaftssystems eine zivile Auseinandersetzung mit der Bevölkerung nicht überleben. Und Sie können sich auch sicher sein, dass wir die Rechtssicherheit entsprechend durchsetzen. Wir verfügen unsererseits über eine Bevölkerung, die dafür geradesteht. Die haben ja offiziell die Abgeordneten gewählt. Jetzt sollen sie den Mist auch bezahlen.

Für die Abgeordneten? Natürlich hat das für die Abgeordneten auch Vorteile. Beispielsweise sorgen wir dafür, dass sie ordentliche Ruhestandsbezüge erhalten. Und dass sie sich alle vier Jahre wieder auf ihre Stelle bewerben dürfen, entsprechendes Wohlverhalten vorausgesetzt. Wir lösen das mit dem Mindestlohn auf unsere eigene Art: wir kümmern uns nicht um Tarifverträge, wir zahlen da, wo das Geld gut angelegt ist. Damit ist allen gedient. Außerdem haben wir einen sehr flexiblen Kündigungsschutz: bei uns erfahren die Mitarbeiter noch am selben Wahlabend, ob sie weiterbeschäftigt werden. Das nenne ich Service!

Möchten Sie vielleicht noch irgendwelche Extras? Ich frage für Ihre PR-Abteilung. Falls Sie auf eine vorherige Bundestagsdebatte Wert legen sollten, können wir das gerne für Sie arrangieren. Vielleicht möchten Sie einen Abweichler aus der Regierungspartei, der dann kurzfristig von der Kanzlerin daran erinnert wird, dass das Grundgesetz allein keine Kursgewinne macht? Oder Sie wünschen eine Diskussion um ethische Werte, die von der Opposition zwar moralisch gewonnen wird, was sich allerdings in der Abstimmung nicht weiter niederschlägt? Möglich ist da alles. Wir arbeiten immer nach Kundenwunsch, das wissen Sie.

Sicherlich hat diese Flexibilisierung auch Grenzen, da gebe ich Ihnen Recht. Bei Verstößen gegen Gesetze und Richtlinien beispielsweise, da muss man sehr vorsichtig sein. Wir sind auch sehr vorsichtig, aber manchmal lässt es sich eben nicht verhindern, dass da eine Behörde plötzlich anfängt, auf eigene Faust zu ermitteln. Wenn’s ganz ungerecht wird, macht sogar die Justiz mit. Da ist man manchmal wirklich machtlos. Aber sehen Sie, wann passiert das schon mal? Eben.

Gesetze einhalten? Es kommt vor allem darauf an, dass jemand genau darauf achtet, ob und wie die Gesetze eingehalten werden. Sie brauchen hier in der Politik eine ganze Menge organisatorischen Aufwand, um die Wirtschaft zu kontrollieren. Bundesministerien, Bundesämter, Landesämter, regionale Behörden, zwanzig Beauftragte, einen Koordinator für die EU, einen Kommissar, noch einen, zwei Ausschüsse im Bundestag, eine regierungsunabhängige Forschungsgruppe, und dann sehen wir, ob die Wirtschaft der Politik auf der Nase herumtanzt. Das geht umgekehrt viel einfacher.

Also zweihundert Abgeordnete, die winken das Gesetz durch, den Rest erledigen die Ausschüsse. Gute Wahl. Nein, bedaure. Nein, wir sind nur der Deutsche Bundestag. Für das Bundesverfassungsgericht sind wir nicht zuständig, die arbeiten immer noch auf eigene Verantwortung. Dafür müssen Sie selbst sorgen, dass Ihre Vorlage nicht gekippt wird. Wir könnten Sie da höchstens beraten. Käme immer darauf an, was Sie herstellen. Ach, Panzer?“


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