Kinderüberraschung

31 03 2013

Dass die Bundeswehr an tausend gekaufte Adressen Werbung für ihren Handwerksbetrieb schickt, wundert wohl keinen, außer man züchtet seine Rohstoffe im Balkonkasten. Dass die Bundeswehr jedoch an tausend gekaufte Adressen von Kindern Reklame für den gewerbsmäßigen Mord – sagte ich: Mord? natürlich Mord. Soldaten sind Mörder – abwirft, sollte uns noch weniger wundern. In den Nationen, die uns gute deutsche Waffen abkaufen, sind Kindersoldaten eine Stütze der Gesellschaft. Und falls sich der Arbeitsmarkt weiter so strukturell verbessert, werden wir unsere Blagen gar nicht schnell genug zur Wehrmacht schicken können. Alle anderen Ostereier wie immer in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • maggi auf knochenbasis: Wozu dann Maggi?
  • wurstfüllmaschine selbst bauen: sie brauchen eigentlich nicht mehr als einen: Und wenn ich zwei Würste will?
  • ausmusterung durch hörsturz: Guttenberg konnte seine Kritiker nicht mehr hören?
  • steiberle was ist dass: Eine Konjunktion.
  • möbelrecycling falsch verstanden: Sie meinen sicher die Rück-Bank.
  • wie geht man mit einem luftröhrenschnittpatienten um als besucher: Legen Sie nicht den Finger in die Wunde.
  • schokoriegelmarkt schweiz: Haben Sie darin Aktien?
  • gen 5 defekt: Sie haben ja noch ein paar andere.
  • schuldikulti: Von Rollewolle.
  • wärmespirale bauen physik: Hätten Sie das lieber im Sportunterricht gemacht?
  • nena mit vokuhila: Maxikreisch.
  • wasserstoffperoxid btm usbekistan: Bei Ihnen höchstwahrscheinlich nur das BTM.
  • raumtemperatur katafalk: Sie sollten organische Überreste generell eher gekühlt aufbewahren.
  • landwirtschaftsskandale: Sie meinen sicher Subventionskürzungen.
  • trennkost worunter fallen fischstäbchen: Vom Küchentisch.
  • alter dünner mann in rollstuhl: Von 100.000 Mark kriegt er ja kaum noch etwas zu beißen.
  • das land der nie untergehenden sonne: Sie meinten die Nation der Solarien?
  • gesprächsthema krankheiten: Damit kriegen Sie jede Kaffeefahrt gewuppt.
  • buch vom winde verweht im vatikan: Zum Schluss heiraten die Päpste?
  • motorschneefräse wann verboten: Wenn der Schnee weg ist.
  • dobermann stadt wesel meldefplicht: Pfote heben ist okay, aber wie soll das Tier schnicksen?
  • aberglaube katze neutralisieren: Malen Sie sich schwarz an und laufen Sie ihr von links nach rechts über den Weg.
  • welche fixkosten gibt es bei personalagenturen: Miete, Strom und Rechtsschutzversicherung.
  • wie baue ich eine duftorgel: Unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
  • mit was denken frauen: Mit Recht.
  • loch in dachrinne wie fehler beseitigen?: Stellen Sie einen Eimer darunter. Sollte der ein Loch haben, fragen Sie noch mal.
  • rückenschmerzen mit rechtsdrall: Vielleicht haben Sie sich versehentlich den linken Fuß abgesägt und hinken?
  • beihilfe impfungen thailandreise: Zahlt Ihre Kasse nicht, wenn Sie gleich da bleiben?
  • schlitzaugen: Nein, heute gibt es keine FDP-Witze.
  • chiaravalle, gelegenheit nasse füße zu bekommen: Wenigstens kein Schnee.
  • verwittert ein kiefernsarg und eichensarg schneller: Graben Sie ihn zur Kontrolle alle sechs Monate aus.
  • blaue flecken +ausschlag: Sie sind ausgerutscht, als Sie aus der Toilette getrunken haben.
  • bauernprüfung lustig: Das mit den Subventionen, richtig?
  • fleischhauer, friss atommüll, arschloch: Und wo verklappen wir den Drecksack hinterher?
  • bosbach gicht: Eher Nachtfrost.
  • schmatzender aufstossender hund: Es gibt Menschen, die sich auch nicht besser benehmen.
  • „biene maja“ und versicherung or „nürnberger“: Könnte aber auch Entscheidungsschwäche sein.
  • dsd wertstoffsack: Bald gibt’s die von DSDS.
  • magisierte werbung: Aus Knochen?
  • diekmoor saal mieten: Keiner hält Sie davon ab.
  • seehundsfelljacke: Können die Tiere sich die überhaupt alleine zuknöpfen?
  • om elektro gabelhochhubstabler: Oder Gabelhubhochstapler?
  • lebensleistungsrente: Von der Leyen hat sich entschlossen, freiwillig zu verhungern.




In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CXXXV)

30 03 2013

Es predigte Reza in Rascht:
„Bevor Ihr die Erdnüsse nascht,
will ich Euch befehlen,
sie gründlich zu schälen,
und nicht, dass Ihr diese nur wascht.“

Da Aldo sich in Cardinale
ein Auto kauft, damit er prahle,
wie gut es ihm ginge,
zieht zu sich die Schlinge
zugleich, wovon er das bezahle.

Es ärgerten Hassan in Tūs
im ganzen Haus Flecken von Ruß.
Er suchte gar munter,
da blickt er herunter:
er selbst hat das Zeug wohl am Fuß.

Elvira beschloss in Posadas,
Gewicht zu verlieren. So war das
ein mühsames Streben,
doch einmal im Leben
ihr Mann stutzte und am Po sah das.

Da Mehdi den Haken in Nūr
zum Angeln braucht, folgt er der Schnur.
Er fand viel Gerümpel.
Verwaist liegt der Tümpel.
Vom Angler fehlt auch jede Spur.

Es grub sich Herr Birkkjær in Ribe
durch Sandboden, Schutt und Geschiebe.
Das hat Geologen
schon immer gezogen
in Bann, und oft wurde es Liebe.

Es zog sich Herr Nassab in Yazd
den Schuh an, der ihm zwar nicht passt,
doch fand jener Beter
die modischen Treter
recht kleidsam. Sie passten auch fast.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CLXXXIX): Postmoderne Produktästhetik

29 03 2013
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Manchmal sehen wir auf alten Bildern, wie sie dort lebten, die alten Menschen. Sie toasteten in alten Toastern, die wie Toaster aussahen. Ihre Telefone erkannte man sofort als Telefone, die Staubsauger sahen aus, wie Staubsauger aussehen. Sie waren nicht unbedingt unglücklich, diese Alten, obzwar ihre Semantik simpel blieb und seltsam funktional. Doch wer würde es ihnen verdenken, die Verwechslungsgefahr zwischen Spucknapf und Neutronenbombe lag bei knapp unter ε, sie hatten nie Angst, versehentlich einen Toaster anzuschalten und plötzlich Marschmusik aus der drahtlosen Waschmaschine zu hören, die dort stand, wo man normalerweise das Schlafzimmer vermutet hätte. Sie lebten beschwerdefrei, denn ihrer war das Reich der Vernunft. Keiner von ihnen hatte zu leiden wie wir unter der postmodernen Produktästhetik.

Ein paar durchgeknallte Hurratüten, die den Fehlleistungen der Damenschuhmode nur noch ein komatöses Lächeln zollen können, zelebrieren ihr Kopfaua an schlagfestem Kunststoff. Ein schräger Klops, hinten unten mit abgerundeten Ecken, einem Ex-Luftballon nicht unähnlich in der Ausstrahlung, entpuppt sich jählings als Reisewecker; elf von neun Probanden, die damit auf der Straße belästigt wurden, entdeckten darin wahlweise eine fossile Schneckenart oder den präkolumbianischen Gott der Magenkrankheiten. Die aufstrebende Keilform gibt den Blick auf ein seitenverkehrt im Innern gelagertes Zifferblatt frei, wo ein einziger Zeiger rotiert. Das Ding weckt zwar nicht, kostet aber dafür so viel wie ein italienischer Sportwagen. Wer einen Wecker will, der weckt, so der intellektuelle Aufstocker aus dem Zentralrat der Geschmacksgestörten, soll irgendeinen Murks für unter tausend Euro kaufen.

Frühere Epochen haben sich meist mit der Wirklichkeit darauf geeinigt, dass sich das Design am Menschen orientiert; der Haartrockner war meist so konstruiert, dass der Verwender ohne ein abgeschlossenes Philosophiestudium Vorderseite und Handgriff des Objekts erkennen und es intuitiv verwenden konnte, ohne sich die Flossen mehr als nötig zu verkokeln. Dann aber klumpte es im Weltgeist, aus der Koagulation wuchs Quadratquark und aus dem Quadratquark der Blödsinn einer Zitronenpresse, die keine Zitronen presst, sondern deren Saft großzügig in die Gegend schmaddert – eine vergoldete Krüppelqualle, deren einzige soziale Semantik darin besteht, lauthals in die Fauna zu blöken, dass der Besitzer ein profilneurotischer Popelpriester ist.

So ist die äußere Gestaltung der Dinge nicht nur, aber auch und dabei in allererster Linie eine Beleidigung des Auges, der Organs mithin, das neben poetischer Klarheit auch die Möglichkeit zur Orientierung in dieser komplexen Umwelt schätzt. Die Sachen sind demnach im Mummenschanz gefangene Ideale, die aufs Höhlengleichnis pfeifen. Kameras, die wie Diktiergeräte aussehen, die wie Taschenrechner anmuten, sind in Wahrheit als Fernbedienung verkleidete Rasierer. Ein Paar zusammengeklebter Pappdeckel spielt Computer, doch der exorbitante Preis rechtfertigt die Chose: es ist so hässlich, dass jeder einen haben will. Wenn es wirklich widerlich ist, ist es Kult.

Schlagend zeigt sich das Phänomen an dem rollenden Missstand, der als zeitgenössische Autos die Gegend verschandelt. Jegliche Verwirrung der Urteilskraft kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um untaugliche Versuche handelt, als hätte ein übermüdeter Primat einen Klumpen Plaste im Heißluftkanal verkleckert. Das verschwiemelte Zeug, das bei der Operation entsteht, ist nicht mehr als das rostige Schnarchen im Schlaf der Vernunft. Der Anblick einer Rotte Kleinwagen auf dem Parkplatz macht einem jählings klar, wie abstoßend dieser beschissene Planet auf Außerirdische wohl wirken mag.

Manchmal, wenn der denkende Hominide des Charmes einer Raststättentoilette im Gegensatz zur strukturierenden Funktion der postmodernen Materialklöße inne wird, besinnt er sich auf seine geistigen Wurzeln, die dem Gebrauchsgegenstand die Fähigkeit zum Gebrauch zubilligt, und heckt eine Retrowelle aus. Autos sehen dann aus wie Autos, Telefone wie Telefone, die Bauform des Toasters kommt ohne jegliche ironische Distanz aus und erfüllt ihren informativen Zweck, der Welt unmissverständlich zu kommunizieren: ich bin keine Pfeife. Dennoch schwingt ein leiser Zweifel mit, welchen Stellenwert die symbolische Form in diesem Produkt einnimmt. Der dialektische Knoten ist nicht lösbar, ob der Gegenstand, den wir teurer bezahlen als den industriellen Sondermüll, uns nun privilegiert oder stigmatisiert. Es mag durchaus eine Verschwörung geben, man weiß nur nicht genau, wer sich gerade gegen wen verschworen hat.

Wohl dem, der in Besitz eines Toasters ist, wie ihn die Alten entworfen, gebaut und benutzt haben. Mit gehässiger Langlebigkeit lehren sie die heutige Generation, einen ephemeren Scherz vom Wert der Dinge zu unterscheiden. Sie werden noch das Brot bräunen, wenn die Lückenfüller der Jetztzeit bereits recycelt sind. Möglicherweise mehrfach.





Eiertanz

28 03 2013

„Ich hab’s!“ „Was?“ „Den Grund.“ „Welchen Grund, bitte?“ „Na den für die Benzinpreise.“ „Was für Benzinpreise?“ „Die Benzinpreise doch. Weil die vor Ostern doch immer ansteigen.“ „Und was ist der Grund?“ „Ich würde sagen, es muss da wohl vermutlich einen Zusammenhang geben.“ „Ach.“

„Nein, echt!“ „Aber sie haben doch im letzten Jahr gesagt, es läge an der politischen Situation in Syrien.“ „Das ist doch logisch.“ „Wieso ist das logisch?“ „Weil es doch in Syrien so viel Öl gibt.“ „Und weil es da so viel Öl gibt, haben wir zu Ostern kein Benzin?“ „Richtig. So muss es sein.“ „Und es liegt auch nicht daran, dass sie trotzdem genug Öl gefördert haben?“ „Das weiß ich jetzt gerade nicht.“ „Und möglicherweise haben sie das Öl auch exportiert.“ „Natürlich, das macht man doch mit Erdöl so, oder?“ „Und es wird sicher auch etwas außerhalb Deutschlands verkauft worden sein.“ „Das würde ich jetzt nicht direkt abstreiten.“ „Weshalb es da auch nicht so einen Engpass gegeben hat.“ „Natürlich nicht, weil die ja das viele Öl importiert haben. Und deshalb gab es eben in Deutschland keins, und deshalb hatten wir zu Ostern kein Öl, und deshalb wurde zu Ostern auch das Benzin knapp und es gab keins mehr.“ „Es gab allerdings genug Benzin in Deutschland.“ „Aber es wurde doch vor Ostern viel weniger getankt?“ „Weil das Benzin teurer wurde.“ „Das ist doch ganz klar. Es gab halt weniger, da steigt dann der Preis eben an.“

„Was war der Grund vor zwei Jahren?“ „Vermutlich Libyen.“ „Also gab es vor zwei Jahren zu wenig Öl, weil die libysche Erdölproduktion nicht die ausreichende Menge fördern konnte.“ „Das klingt logisch.“ „Und deshalb wurde das Öl auch wieder nicht nach Deutschland exportiert.“ „Sicher.“ „Und wo kam da das Öl her?“ „Keine Ahnung. Vermutlich aus Syrien.“ „Und die Mengen waren durch den Ausfall des libyschen Erdöls auch wesentlich stärker eingeschränkt.“ „Aber sicher doch, immerhin ist Libyen eins der wichtigsten Erdöl fördernden Länder der Welt. Ohne deren Produktion würde der Markt hier in Europa ja glatt zusammenbrechen.“ „Das liegt sicher an der enormen Fördermenge.“ „Sicher.“ „Und deshalb sind auch die Preise weniger abgesackt als in dem Jahr, in dem Syrien nicht liefern konnte.“ „Nein, das muss irgendwie – also – das lag dann am Preis. Oder an Ostern. Richtig, das muss an Ostern gelegen haben, weil die Leute da immer so viel tanken. Genau, das ist der Grund.“

„Schön, dann haben wir jetzt ein Jahr, in dem die Produktion nicht so ganz zusammenbrach, weil der wichtigste Lieferant ausfiel.“ „Das werden sicher so Grenzwertberechnungen sein.“ „Und dann hatten wir ein Jahr, in dem der wichtigste Lieferant wieder dabei war, mehr produzierte als vorher, und dann hatten wir mehr Erdöl als vorher, und deshalb stieg der Ölpreis sehr viel stärker an als im Jahr zuvor.“ „Das muss an, Moment mal, ich glaube, das war dieser Koeffizient, das muss es sein.“ „Welcher Koeffizient?“ „Dass das alles umgekehrt war.“ „Wieso umgekehrt?“ „Naja, weil das dann ja mehr gewesen sein muss, und deshalb war das weniger, und darum ist der Preis, und deswegen, und außerdem war das ja dann auch vor Ostern, und da steigt der Preis ja immer. Ich hatte doch gesagt, es gibt für alles eine logische Erklärung.“

„Gut, dann eben so: warum ist der Preis für Benzin vor zehn Jahren in der Woche vor Ostern angestiegen?“ „Ich habe das nicht mehr so genau in Erinnerung, das muss der Golfkrieg gewesen sein. Also eine von diesem Golfkriegen, ich weiß nicht mehr, welcher, irgendwas ist da ja immer.“ „Und im Jahr davor?“ „Das war ja unmittelbar nach dem 11. September, da sind die Ölpreise gestiegen.“ „Und ein Jahr vorher?“ „Das war unmittelbar vor dem – also vor Ostern. Irgendwie. So halt.“

„Jetzt bin ich schon fast überzeugt.“ „Na, dann hat sich das ja gelohnt.“ „Fast. Kann es sein, dass Syrien auch Gas fördert?“ „Ja, aber davon sind wir wesentlich weniger abhängig.“ „Warum denn?“ „Weil so viel Erdgas auch aus Libyen kommt.“ „Warum ist dann der Gaspreis nicht angestiegen, als die Öllieferungen aus Libyen ausgeblieben sein sollen?“ „Weil die Russen immer noch genug Gas haben.“ „Verstehe, das leuchtet mir ein. Deshalb wird also auch der Ölpreis von dem russischen Gas stabil gehalten.“ „Genau.“ „Je mehr russisches Gas, desto stabiler der Ölpreis.“ „Bis auf Ostern.“ „Moment mal!“

„Letzter Versuch: Ostereier.“ „Wie, Ostereier?“ „Vor Ostern steigen die Eierpreise.“ „Logisch, in Libyen werden keine… verdammt, was soll denn der Quatsch!?“ „Nein, ist ja in Ordnung. Vor Ostern steigen die Preise, weil die Nachfrage steigt.“ „Aha.“ „Und das liegt am erhöhten Verbrauch.“ „Logisch.“ „Und man kann ja nicht plötzlich Hühner aus dem Boden zaubern, wie man mehr Öl fördern könnte.“ „Selbstredend.“ „Also kann das Angebot nicht die Nachfrage befriedigen.“ „Klingt einleuchtend.“ „Und darum steigen die Eierpreise.“ „Exakt.“ „Gut, wir haben nur ein Problem. Man kann die Erdölförderung steuern.“ „Aber die Eierproduzenten wissen, dass Ostern kommt.“ „Die Mineralölkonzerne werden am Gründonnerstag von einem Kreuz im Kalender überrascht?“ „Ich habe keine Ahnung.“ „Und das Öl, das zu Ostern als Benzin vertankt wird, wie lange ist das schon gefördert, verschifft, gecrackt, raffiniert, gelagert und spekuliert, bis man es tankt?“ „Vielleicht war das – ich meine, das war ja mal gewesen gehabt, also so letztes Jahr davor, dass da was war.“ „Und jetzt wird das Öl als Produktionsausfall etwas im Preis angehoben.“ „Weil das mit dem Koeffizienten so ist.“ „Schon klar.“ „Aber ich kann doch auch nichts dafür!“ „Ich sage ja gar nichts.“ „Gut, dann wäre das also geklärt?“ „Ja.“ „Okay.“ „Ach, eine Frage hätte ich doch noch.“ „Aber…“ „Wie ist das mit dem Strompreis?“





Star Dreck

27 03 2013

Wir waren da, wo kein Mensch je vorher gewesen war. Beim letzten Freitagstexter. Und wenn wir auch nie erfahren werden, ob es sich um ein Titelfoto für das Herrenmodemagazin der Vereinigten Föderation handelt oder um Spurenbeseitigung nach dem Klingonengrillen, wir haben alles versucht.

Und nun müssen wir geduldig warten, bis der zuständige Sensor des Tricoders uns den Sieger ermittelt. (Der ist aus der älteren Baureihe und fiept leicht, bitte Ohrstöpsel anlegen – ja, Sie auch, Spock!) Ah, die ersten Ausschläge. Wir sind bereit.

Das spiegelei produziert den ersten Ausschlag, und wir haben den Eindruck, dass auf dieser intergalaktischen Mission noch jede Menge irdischer Bedürfnisse eine Rolle spielen. Oder sind wir zu anspruchsvoll, wenn wir Planeten mit Wasserspülung verlangen? Platz drei:

“Sorry, Mister Facility Manager, was können wir dafür, dass es auf Ihrem Planeten keine Toiletten gib[t]?”

Und weiter. Bitte etwas leiser, hier scheppern die Reste von Vosks Zeitkanal durchs Messfeld. Ah, das Klingonengrillen wieder. Da gab es Schweine im Weltall. Mit Romulade. Ach was, es kann hier nur eine Antwort geben, und Shhhhh gibt sie. Platz zwei:

Faszinierend!

Ab jetzt wird es ziemlich kompliziert, und normalerweise müssten hier drei replizierte Absätze über Quantenteleportation stehen, aber ich habe den Pokal durch ein Wurmloch geschmissen und heil wieder aus den Raumfalten rausgezogen. (Der Raum ist bis heute Abend möglicherweise hier und da noch etwas geknittert und es kommt zu Schneeschauern, aber das sagt ja keiner weiter.)

Und jetzt haben wir ihn, den finalen Ausschlag. Das Ding summst und ich konstatiere Platz eins. George hat eindeutige Lebenszeichen ausgemacht, und sie fühlen sich seit gestern unter meinem Bett sehr wohl.

Mr Spock dachte er hätte schon alles gesehen, aber den Tribble am Stock fand selbst er faszinierend.

Herzlichen Glückwunsch! Wir haben einen tierischen Sieger (es ist nicht Mobby Dick) und einen neuen Freitagstextausrichter, der hiermit den goldenen Preis überreicht bekommt. Alternativ beamen wir einfach, um Transportkosten zu sparen. Am 29. März werden wir ihn im Blog der Vergeudeten Stunden wiedersehen, nebst Bild. Bis dahin leben Sie bitte alle lang. Und erfolgreich.





Linke Vögel

27 03 2013

„… habe Gabriel den Grünen vorgeworfen, kein Gespür für das Leben des einfachen Arbeiters zu…“

„… lehne der Kanzlerkandidat jede ihm aufgezwungene Neiddebatte kategorisch ab. Jeder Proletarier in Deutschland habe die Chance, es in seiner Klasse zu Wohlstand zu bringen, er müsse nur genügend Vorträge…“

„… habe sich Steinmeier irritiert gefühlt, dass die von Gabriel vorgeschlagene Parteiuniform auch in normalen Sitzungen des Bundestages zur…“

„… lehne die SPD ein bedingungsloses Grundeinkommen entschieden ab. Man könne nicht für jeden einen Aufsichtsratsposten in den…“

„… dass Gabriel die Grünen für eine Partei der Besserverdienenden halte. Die SPD habe im Gegensatz dazu stets proaktiv dafür gesorgt, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter weniger…“

„… schon viel Gespür für die Wünsche der werktätigen Bevölkerung bewiesen. So sei die drängende Frage der Arbeitszeitverkürzung für Alleinerziehende durch das explosionsartige Anwachsen von Minijobs bereits hinreichend…“

„… seien die Hartz-Gesetze ein Zeichen der Volkssolidarität. Der SPD-Vorsitzende habe damit die Solidarität des einfachen Volkes mit dem Lumpenproletariat…“

„… vom Realismus getragen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen sei nicht zu bezahlen, außerdem sei es moralisch nicht gerechtfertigt. Sollte sich die CDU-Regierung innerhalb der kommenden zwanzig Jahr dafür entscheiden, könne man immer noch sagen, man sei eigentlich schon immer dafür…“

„… in geradezu historischem Ausmaß. Gegen die zu frühe Angleichung von Bourgeoisie und Arbeiterschaft werde die SPD weiterhin mit einer entschiedenen Ausweitung der Unterschicht…“

„… sich als Missverständnis innerhalb des dialektischen Materialismus entpuppe. Eine Erhöhung des Existenzminimums etwa mittels eines Mindestlohns, so Gabriel, sei schlecht für die Aktionäre, die dann mit ihrem Kapital Deutschland verließen, was wiederum der Wirtschaft schade, also folglich auch den Arbeitern, weshalb eine starke Kürzung der Löhne letztlich für die Arbeiterklasse nur positiv…“

„… habe Gabriel auf dem XVII. Hegel-Kongress in einer (unbezahlten) Rede Wagenknecht mangelndes revolutionäres Bewusstsein…“

„… sei die Sozialdemokratie sich einig, dass das sozialistische Bekenntnis bis weit in die Mitte der Gesellschaft hineinreiche, etwa zu Sarrazins letzter…“

„… als deutliches Zeichen zur Verbrüderung der Völker. Gabriel wolle hinfort nicht nur Genossen, sondern alle Deutschen duzen, sofern er selbst von Pressevertretern im Wahlkampf weiterhin mit dem üblichen…“

„… die überflüssige Brandt-Statue aus dem Foyer der Parteizentrale zu räumen. Ein einfaches Porträt des Genossen Vorsitzenden vor blauem Hintergrund sei ebenso…“

„… als Sparsamkeit am richtigen Ort. Der Vorsitzende plädiere für eine karge Kost, die letztlich die Fettleibigkeit am deutschen Volkskörper einschränke und Vorteile für die Krankenkassen…“

„… für eine sofortige Solidarisierung mit den Aufständischen. Der SPD-Chef habe gedroht, sich im Falle einer Weigerung nackt an das Tor der Botschaft zu…“

„… müsse aus ideologischen Gründen in Deutschland endlich der Linksverkehr…“

„… weise Trittin die Kritik an den Grünen entschieden zurück. Nicht sie seien die besseren Sozialdemokraten, sondern die SPD die bessere rechtskonservative…“

„… habe die Partei ein reges Interesse daran, das Schicksal der Arbeiterklasse zu sichern. Nichts sei dazu besser geeignet als den real existierenden Status quo auch weiterhin…“

„… werde die Last eines bedingungslosen Grundeinkommens dem Wunsch der Arbeiterschaft nicht gerecht. Gabriel habe betont, dass die Sozialisten (abzüglich der Abgeordneten sowie anderer Parteimitglieder) kein Geld ohne Arbeit…“

„… habe die SPD den sozialen Fortschritt erst ermöglicht. Gabriel betrachte es als eine große Entlastung für den unteren Mittelstand, dass es verbilligte Flüge nach Mallorca gebe. Das Personal der Luftfahrtgesellschaften habe sich aus Solidarität mit der Klasse zur Niedriglohnarbeit und…“

„… sei die DDR gar nicht so schlecht gewesen. Gabriel halte es für einen großen Vorteil, wenn die Blockparteien des Bundestages nicht nur pro forma, sondern auch organisatorisch und nominell…“

„… sehe Gabriel es als eine nationale Aufgabe an, Marx’ Werke zur verbindlichen Schullektüre zu machen, um den klassebewussten Arbeitern…“

„… man das eine tun müsse, um das andere nicht lassen zu müssen. Der SPD-Chef arbeite als historisch denkender Mensch zwar für die Weltrevolution, eine erhebliche Ausweitung der Sicherheits- und Überwachungsgesetze biete jedoch nach seiner Überzeugung sichere Arbeitsplätze in der…“

„… bestehe Gabriel darauf, dass die Jugend sich in die Gedankenwelt der Proletarier einlebe. Die Schikanen der JobCenter, die oft zum Schulabbruch zugunsten von Hilfsarbeiten rieten, seien eine nachhaltige Sicherung sozialistischer…“

„… habe Gabriel auf dem Parteitag unter etwa halbstündigem Applaus der Genossinnen und Genossen festgestellt, dass die Sozialdemokratie in ihrem Lauf weder Ochs noch Esel…“





Probieren geht über Studieren

26 03 2013

„Purrnacher Welkstöckle“, knirschte Bruno. „Ausgerechnet Purrnacher Welkstöckle – kann denn dieser Idiot nicht einmal etwas richtig machen!?“ „Ich habe doch genau den bestellt, den Du haben wolltest.“ Hansi zog die Stirn in Falten, während Bruno, den sie Fürst Bückler nannten, der große Küchenchef im Landgasthof seiner Väter, mit der Faust auf den Tisch hieb. „Aber doch nicht zwanzig Kisten für eine Weinprobe!“

Die Katastrophe schien perfekt. „Dreißig Gäste haben sich angesagt“, tobte Bruno, „dreißig Gäste, und anstatt, dass dieser Hornochse von einem Bruder je eine Kiste von zwanzig Weinen bestellt, ordert er einen Wein, und davon zwanzig Kisten!“ Ich langte nach der schlanken Bouteille. „Ein ganz passabler Riesling“, mutmaßte ich. „Gut zu einem Bachsaibling in Estragonschaum, nehme ich an.“ „Ausgezeichnet“, murmelte Hansi. „Aber das hilft uns jetzt nicht weiter!“ Brunos Schnurrbartspitzen zitterten bedenklich. „Wie soll ich eine Weinprobe machen, wenn ich nur einen Wein habe? Wie!?“ „Warte mal“, antwortete ich. „Wenn ich mich recht entsinne, dann ist mir Linda noch einen Gefallen schuldig.“ Hansi sah mich entgeistert an. „Wie kannst Du jetzt an diese Werbeagentur denken? Meinst Du, die Weinprobe kriegt man mit etwas Reklame weggezaubert?“ „Nicht weg“, kicherte ich, „hingezaubert trifft es eher. Ich muss mal eben telefonieren.“

Zwei Stunden später saß Linda, ihres Zeichens frisch gebackener Senior Art Director von Partner Partner Friends & Partner, mit Hansi in der Küche. Die Flaschen waren längst im Wasserbad gelandet. „Die Etiketten lassen sich leicht abziehen“, erklärte die Designerin, „und Du wolltest jetzt die Probeserie haben, die wir für den Wettbewerb im vergangenen Jahr gestaltet hatten?“ „Ein Etikett pro Kiste“, bestätigte ich. Bruno beobachtete die Sache genau. „Keine Ahnung, was Du vorhast, aber ich vertraue Dir.“ Ich klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. „Wird schon werden.“

Die ersten Gäste trafen ein, unter ihnen Generaldirektor Hutzke und andere Weinfreunde. „Der da“, stieß Hansi mich an. „Der junge Staudinger, er hat gerade den Laden von seinem Vater übernommen.“ Dies war ein alteingesessenes Delikatessengeschäft, das der Urenkel des Gründers nun weiterführte, die Ware bleib gleich, nur die Preise wurden fürstlich. „Er wird wieder so tun, als hätte er Ahnung vom Wein.“ „Sie sind also“, eilte Generaldirektor Hutzke auf mich zu, „und heiße Sie herzlich willkommen, Herr äääh…“ Hansi rollte mit den Augen. Gut, dann sollte es so sein.

Kaum hatten wir Platz genommen, kredenzte der Sommelier den ersten Tropfen. „Wupperburger Brüllaffe“, sagte er an. Leicht und goldig glänzte der Wein im Glas, und während die anderen noch rochen, hub ein Herr im rostroten Anzug schon an. „Ein pikantes Bukett, geschmeidig, aber noch nicht groß.“ Die anderen nickten beifällig und kosteten. „Säuerlich“, grunzte Staudinger vorlaut. Schmerz durchzuckte die anderen Gäste; der Herr in Rostrot kniff die Augen zusammen. „Ganz leichter Grünton und eine grasige Note“, befand er. „Kurz im Abgang, noch keine Rasse und kaum Spiel.“ „Meine Güte“, platzte der Feinkostfritze heraus, „wenn Ihnen der Weißwein nicht passt, dann bestellen Sie sich doch eine Flasche Bier.“ Betreten sahen die Herren auf die Tischdecke.

„Gurbesheimer Knarrtreppchen.“ Geschickt hatte Hansi die Situation wieder ins Reine gebracht. Ein Kahlkopf mit mächtigem Seehundsschnäuzer gurgelte den Riesling weg. „Schön“, sagte er kurz und knapp, „nicht mehr, aber schön.“ „Wie kann ein Wein schön sein“, äffte der Juniorchef dazwischen. „Wollen Sie den heiraten?“ Schon setzte der Kahle zu einer Rechtfertigung an, doch ein halbes Dutzend Blicke zeigte ihm, dass es keinen Zweck hätte. „Schön“, bestätigte ich, „das Sortenbukett ist gut umgesetzt, noch nicht so spritzig wie die letzten Jahrgänge, aber durchaus nicht eckig.“ Staudinger glotzte. Der Rostrote nickte mir zu. „Ich finde ihn schon ein bisschen lebendiger als den letzten.“ „Sehr leicht“, sekundierte ein anderer. „Noch eine feine Apfelnote, dann wäre es perfekt.“ Langsam bildete sich ein Graben.

Drei Rieslinge später – einer davon mit üblem Böckser und einem unangenehmen Möpseln, recht brandig – lobte Generaldirektor Hutzke den Furtheimer Eselstall. „Das nenne ich adelig, ein Wein von durchaus diskretem Charakter.“ „Und so feinnervig“, attestierte der Glatzkopf. Staudinger goss sein Glas in sich hinein und fixierte mich. „Was verstehen Sie eigentlich vom Wein?“ „Das wollte ich gerade Sie fragen“, schoss ich zurück. „Immerhin“, stieß er hervor, „verkaufe ich das Zeug in meinem Laden, hören Sie? In meinem Laden!“ Indigniert schob Hansi ihm ein sauberes Glas auf den Tisch. „Sie labern doch hier nur von Abgang und Gemöpsel und haben gar keine Ahnung!“ Ich faltete die Serviette und zupfte ein Stückchen Brot auseinander. „Sie erkennen Weißwein an der Farbe, wenn’s hoch kommt, aber damit erschöpfen sich Ihre Kenntnisse. Verschwinden Sie, Staudinger. Sie haben hier nichts verloren.“ „Ein echter Kenner würde jeden großen Wein erkennen“, bestätigte der Kahle. „Aber Sie?“ Die anderen nickten beifällig.

Da reichte ich Hansi mein Glas. „Ich biete Ihnen eine Wette an, Staudinger. Herr Bückler wird mir einen beliebigen Wein aus seinem Sortiment zum Verkosten geben, und ich Ihnen sagen, welcher es ist. Und dann will ich Sie hier nie wieder sehen.“ Er grinste. „Soll ich mir die Augen verbinden?“ „Nee“, meckerte der Delikatessenkrämer, „das schaffen Sie ja auch so nicht.“ Ungerührt stellte Hansi mir das Glas auf den Tisch. „Topp!“ Ich roch. „Ein ganz rundes Bukett, leicht herzhaft, aber in sich stimmige Fruchtnoten.“ Offensichtlich langweilte er sich. „Er hat Körper“, schmatzte ich, „aber auch einen beschwingten Abgang mit einer durchaus knackigen Restsäure.“ „Na und?“ Immer nervöser beobachtete er, wie ich die blasse Flüssigkeit im Glas bewegte. „Ein vornehmer Tropfen, die Rasse zeigt sich spät, aber sie ist ungemein ausdrucksvoll. Ich tippe auf einen – warten Sie, diese weiche Andeutung von schwarzer Johannisbeere – eine gute Scheurebe ist das, recht typisch.“ „Jetzt gilt es“, sagte der Kahle tonlos. „Ich bin mir über den Jahrgang noch nicht sicher“, sinnierte ich und roch ein weiteres Mal. „Doch, es muss ein Purrnacher Welkstöckle sein. Kein Zweifel.“ Hansi lüftete die Serviette und zeigte die Flasche. „Staudinger“, sprach er mit kalter Höflichkeit, „Sie wissen ja, wo die Garderobe ist.“

Bruno rieb sich die Hände. „Den sehen wir nie wieder.“ Ich blickte mich um. „Wo ist eigentlich Hansi?“ Bruno rückte sich das Halstuch zurecht. „Hinten im Büro. Er musste gerade einmal telefonieren.“ Mir schwante etwas. Da war er, der Servicechef, und drückte sich verstohlen an der Küchentür vorbei. Als könnte er meine Gedanken lesen, drehte er sich auf dem Absatz um. Doch ich hatte die Tür schon aufgestoßen und versperrte ihm den Weg. „Was hast Du jetzt wieder ausgeheckt?“ Er schaute betreten zu Boden. „Ich hatte da nur so eine Idee“, murmelte er. „Für die Weinkarte.“





Leerstand

25 03 2013

„Wenn Sie bitte die Schuhe gründlich abtreten wollen, hier ist alles frisch renoviert. Nein, Sie haben sich nicht verhört. Seit der Instandsetzung hat hier im Kanzleramt nichts mehr stattgefunden.

Mit dem Preis werden wir uns schon irgendwie einig. Hauptsache, wir haben einen Käufer. Ist ja für so ein Gebäude nicht ganz einfach. Fast im Originalzustand. Einige Rollstuhlspuren hier ganz rechts, ganz weit rechts. Immer, wenn die Kanzlerin mal nicht da war. Dann hat einer Regierungschef gespielt. Aber sonst, wie gesagt: Originalzustand.

Beachten Sie bitte die trittfeste Auslegeware. Schmutzabweisend. Sollte die Kanzlerin hier einen FDP-Vorsitzenden erledigt haben, einmal mit der Bürste drüber, und gut. Natürlich kriegen Sie hier auch größere Brocken raus. Altmaier lässt hier immer wieder mal etwas fallen. Restbestände der Energiewende. Porentief rein, wie Sie sehen. Kein Stäubchen.

Ob hier regiert wurde? Kann ich Ihnen nicht genau sagen. Wir hatten ab und zu mal etwas Warenverkehr, da wurden Gesetze ausgeliefert, aber ob hier regiert wurde? Tut mir Leid. Dafür haben wir diese schmucken Fettnäpfchen überall. Falls Sie mal eins brauchen, die stehen immer bereit.

Das ist das Ankleidezimmer, da hat die Kanzlerin immer ihre Hosenanzüge aufgehängt. Oder Minister, je nachdem. Bitte den Mindestlohn nicht anzufassen, der ist nur eine Leihgabe. Ja, zur Dekoration. An sich wollte die Regierung den Klimaschutz noch ein Jahr länger mieten, aber der war dann schon vergriffen. Wir haben aber hier in der Putzkammer noch eine sehr gut erhaltene Frauenquote. Unbenutzt.

Sie wissen, die Mieten steigen. Da ist Kauf eine vernünftige Alternative, nicht wahr? Eben. Stolpern Sie bitte nicht, da hinter der Tür stehen ein Meldegesetz und eine – ich sagte, Sie sollten nicht stolpern. Reicht doch, wenn in dieser Regierung immer wieder einer über dieses Meldegesetz gestolpert ist. Sicher, das muss man doch mal feststellen. Und auf der anderen Seite ist das Wahlrecht. Das lehnt da nur so an. Seien Sie vorsichtig. Das kippt. Das sieht von hier schon aus wie ein Unfall.

Das wäre das Gästezimmer. Oben ist noch eins, das war für die Bundespräsidenten vorgesehen. Der letzte hat für seine Übernachtungen immer gezahlt, wissen Sie, deshalb ist das auch so gut in Schuss.

Deshalb ja auch der Leerstand. Die beste Regierung seit der Wiedervereinigung setzt auf Werte, in diesem Fall auf Werterhaltung. Die wissen, wie viel so eine Demokratie wert ist. Deshalb haben sie die auch so gut wie nie benutzt.

Ja, das hier sieht natürlich sehr repräsentativ aus. Große Fenster, Jalousien verkehrt herum – von hier aus sieht man nicht, was sich im Land abspielt, ein perfekter Realitätsfilter, aber man kann sehr gut hineinsehen und arbeitet für die Galerie. Unser Rentenzimmer. Drei Schreibtische, Buche furniert, unbenutzt. Den hier hat sich Frau von der Leyen extra in die Mitte rücken lassen. Doppelter Boden in den Schubfächern, für die Lebensleistungsrente. Ist noch originalverpackt, das Möbel. Schutzfolie mit Packband. Rechnung klebt an der Unterseite, adressiert an den deutschen Steuerzahler. Kostet Sie also extra.

Das Mobiliar wurde nach zwei Gesichtspunkten ausgewählt. Einerseits sollte es gut aussehen, andererseits sollte man immer den Eindruck haben, man könnte hier sogar arbeiten. Wir haben dafür sogar auf Kunst am Bau verzichtet. Wozu auch, hier wurde ja sowieso nicht mehr regiert.

Die Nachbarschaft? Angenehm, kann ich Ihnen versichern. Sehr angenehm. Irgendwo hier in der Nähe muss die SPD sein, aber von der hören Sie sowieso nichts. Kein Mucks. Seitdem Westerwelle in der Außenpolitik nichts mehr zu sagen hat, brauchen wir auch keine Lautsprecheranlage mehr. Die Nachbarn wissen das zu schätzen.

Das Elterngeld hier ist wetterfest. Können Sie sich also auch in den Vorgarten stellen, zwischen die Zwerge. Für die war’s ja auch ursprünglich mal vorgesehen, haha, aber seitdem steht das bei uns hier zwischen den letzten Gesundheitsreformen herum. Gut, hier ist Platz, aber man muss den ganzen Kram ja auch mal abstauben. Wie meinen? Ja, mehr als Abstauben war beim Elterngeld nie vorgesehen. Da haben Sie Recht.

Das Foyer wird so bleiben, das steht ja im Mietvertrag. Aus baulichen Gründen sehen Sie beim Betreten des Kanzleramts als erstes die Eurokrise. Das erweckt den Eindruck, also es soll den Eindruck erwecken, dass hier etwas ist, das den Eindruck erweckt. Sie müssten da schon eine Abstandszahlung, die genaue Höhe weiß ich nicht, aber dafür werden Sie die übernehmen, wenn Sie, und das war ja in Ihrem Interesse, oder?

Sehr gute Lage hier. Ruhig. An und zu kommt mal ein Industrievertreter. Bertelsmann ordert seine Gesetzentwürfe meist schon telefonisch. Gutes Hauspersonal, vier Euro die Stunde. Auch nachts. Mehr können Sie nun wirklich nicht erwarten.

Einziehen? Gut, da wir haben ein Problem. Nein, nicht mit dem Preis. Da werden wir uns schon einig. Nur, äääh… Sie wissen, dass die Kanzlerin das Vorkaufsrecht hat?“





Der Stellvertreter

24 03 2013

Wozu braucht es einen Papst?
Ist der wirklich nötig?
Ob Du reich bist, ob Du darbst,
ist er für Dich tätig?

Ist denn dieser alte Mann
mehr als stur und gichtig?
Überhaupt, der Vatikan –
ist der lebenswichtig?

Nein, es braucht den Papst. Fürwahr,
man kann uns nicht rauben,
er wird jetzt und immerdar
für uns daran glauben.





In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CXXXIV)

23 03 2013

Herr Shirō kam nach Okasaki
zurück mit viel Weißwurst und Raki,
mit Schwarzbrot und Klößen
in sämtlichen Größen
und sagte: „Europa, das mag i!“

Herr Conteh, der in Gambissara
im Spiegel sich ansah, da klar war,
dass Wachstum stets endlich,
der machte nun kenntlich
den Kopf, dem man ansah: da war Haar

Hideo, der schloss sich in Tsu
im Keller stets ein, und dazu
klemmt ab er die Klingel.
Jetzt findet den Schlingel
kein Postbote mehr. Jetzt ist Ruh.

Kevork spielt Schach in Ararat
nach Lehrbuch, ganz streng Blatt für Blatt.
Sein Gegner spielt ohne,
statt dass er ihn schone,
setzt er ihn in zehn Zügen matt.

Yuzuru, der packte in Kure
den Wagen nach heiligem Schwure
mit Mist voll und voller.
Schon ächzte der Roller,
er sprach: „Das ist die letzte Fuhre!“

Frau Piaz in Fragneto Monforte
beliefert die Nachbarn mit Torte.
Die Künste des Backens
und Tortenverpackens,
die kennt man nun gut in dem Orte.

Herr Kentsū, der wartet in Ube
des Diebes dort. Eben der Bube,
der stahl ihm die Vase,
liegt nun auf der Nase.
Er grub nicht umsonst eine Grube.