Gernulf Olzheimer kommentiert (CLXXXVII): Landwirtschaftsskandale

8 03 2013
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Das Radio, der dümmste Freund des Menschen – immerhin quarrt es nur den Schrott raus, den die Werbemittelindustrie für beknackt genug hält, den Beknackten die Hirnrinde zu perforieren – es nölt stündlich neuen Unrat aus der Landwirtschaft in den Äther. Hier wiehert die Lasagne, dort rollt das Freilandei genau aus dem Käfig ins Papppack, und zu guter Letzt ist der Mais, den wir uns notfalls via Zwischenwirt an die Schleimhaut pfriemeln, vom Schimmel verpilzt, nur nicht der, den wir und in den Tank träufeln. Man muss ja Prioritäten setzen, notfalls mit der Jubeltute am Empfänger, die da verkündet: Lebensmittelskandal, nur heute neu.

Das Land, wo jeder, der dreimal sitzen bleibt, auf einem Ministersessel festgelötet wird, es gebiert neue Buhmänner, und einer von ihnen scheint der Gesetzeshüter zu sein. Denn folgend der absurden Logik mancher Proteinproduzenten sind es die Ordnungshüter, auf deren Kappe der laxe Umgang mit Recht und Verordnung geht – nicht der Täter, der unterbezahlte Wachmann ist schuld, wo die drittklassige Plempe ins Volk sickert. Nicht der Bauer, nicht die Agrarschlöcher sind die Schufte, das Vergehen geschieht an der Kühltheke, wo die mit Milchresten verunreinigte Gummikotze je nach Packungsaufdruck als Mozzarella oder Filetsteak in den Volkskörper gedrückt wird. Die Landwirtschaft ist unschuldig wie Turbolilien auf dem Glaswollefeld, basta. Und die Erde ist eine Scheibe.

Wohlfeil wird das Gesabber der moralinsauren Marketingmarionetten: der Verbraucher ist der böse, bäh – gäbe das Schwein, das geizige, nur mehr aus für Rucola und Rüben, alles wäre töfte und nichtsniemandnirgendsnie grübe heimlich tote Chemikalien in die Äcker ein zur klandestinen Förderung des Wachstums, woraufhin die Überreste der Zuchtsau nachts im Kühlschrank apartes Leuchten in drei Trendfarben kultivierten. Wer aber kauft diese frugivore Fremdleistung aus freien Stücken? Wurde der Konsument vorab über die molekulargenetischen Festspiele in der Frikadelle in Kenntnis gesetzt? Und wenn dem so wäre, warum, wo es ja nur an den Wünschen des Käufers liegt, verstößt die Riege renitenter Realitätsverweigerer beharrlich gegen jede Form von Gesetz, wenn sie ihren Separatorenschmadder absichtlich als für den Verzehr durch höhere Primaten geeignetes Zeug in Verkehr bringt, inbrünstig betend, dass auch dieses Mal die Kontrolleure zu blöd für die Kontrolle sind? Bestellt der Esser aufgepumpten Vogelmüll und Gummigemüse per Postpaket? Hätte er denn, entsprechende Barschaft vorausgesetzt, überhaupt eine Chance, dem umverpackten Gammel zu entgehen? Nein und nein. Und nein.

Erstens wird der Konsument nicht gefragt, er kann sich auch nicht wehren – was ihm die Industrie zum Fraß vorwirft, ist vorab genormtes Formgekröse, Pflanzabfall und die Ergebnisse der Wiederverwertungstechnologie. Kein Kunde käme je auf die Idee, flehentlich nach Sondermüll zu weimern, weil ein Ei auf lange Sicht einen Cent billiger zu haben wäre. Schon gar nicht vermag der Endbenutzer von Milch und Mehl das Verfahren der Materialstreckung einzusehen und zu beurteilen, ob die ganze Grütze nicht doch gesundheitsschädlich sein könnte – die Entscheidung schließlich lässt sich der Nahrungsmittelmulti nicht aus der Hand nehmen, er schiebt nur de Verantwortung zu gerne auf das arme Schwein ab.

Weil es zweitens sich nicht wehren kann, wenn Preisdiktat und die süffisant „Lohn“ genannten Brosamen der Feudalisten die Nachfrage vorgeben, zu der die kapitalistischen Zuchtbetriebe ein passendes Angebot liefern, bestehend aus Menschenliebe und naturidentischen Aromastoffen. So verschwiemeln sich Anspruch und Wirklichkeit, eins in des anderen Gegenteil verkehrt. Der Esser ist meist Aufnahmeorgan für die Hinterlassenschaft der Banken, die zu billigerer Produktion raten, zu dubiosen Surrogatprozessen, billigem Gepansche und elendem Etikettenschwindel, der seine lauthals verbreitete Rechtfertigung ungefragt auskotzt: wer Eier zum billigsten Discounterpreis fordert, nimmt die Pauperisierung ganzer Landstriche billigend in Kauf und hat hinfort zu schweigen.

Drittens jedoch kommen die Besserverdiener, die sich tatsächlich Bioeier leisten können, Fleisch vom Bioschwein, ökologisches Getreide und ganzheitlich gemahlenes Getreide aus Vollkeim mit Einzelkornzertifikat – dumm nur, dass diese Kunden genau die Zielgruppe sind, die genug auf dem Markt lässt, eigens rechtssicher gewachsenes Fleisch kaut und doch von kognitiv naturbelassenen Hökern über Ohr gehauen wird, wo sie sich doch korrekt verhalten. Nicht am Ende stinkt der Dreck, sondern bereits am Eintritt in die Verwertung, und er riecht nach Lüge und Beschiss, je mehr, desto emsiger die Abfallindustrie uns den Kram aufs Brot schmiert.

Es gab frühere Jahrhunderte, in denen man Milchfälscher und Sägemehlbäcker mit größter Sorgfalt aufs Rad geflochten, gevierteilt, geköpft und in der Sickergrube entsorgt hat. Nicht alles in dieser Zeit war schlecht.