Ochsentour

17 04 2013

„Gerne, wir machen dann mittags einen Fototermin und am Nachmittag ist der Kandidat in der Fabrik. Vor der Fabrik, wollte ich sagen. Vor der Fabrik. Nein, reingehen ist nicht möglich. Richtig, wegen der Zeit. Sie haben es erraten.

So ein Wahlkampfprogramm ist hart. Sie machen das zum ersten Mal, nehme ich an? Ach, keine Sorge. Steinbrück auch. Wobei, Sie können ja in vier Jahren noch mal einen Wahlkampf machen. Wenn Sie diesen halbwegs verkraften sollten.

Das Immobilien-Forum ist okay, das nehmen wir am Vormittag. Dann gleich den Pressetermin, dass wir trotzdem für die Mietenbremse sind, aber trotzdem eine Mietensteigerung von zehn Prozent nicht schlimm finden, aber trotzdem – wo war ich? Ach ja, Immobilienmakler. Da müssen Sie darauf achten, dass Sie immer genug Spendenquittungen dabei haben. Falls mal einer versehentlich mit der Partei sympathisieren sollte, gleich unter die Nase reiben. So ein Wahlkampf bezahlt sich nicht von selbst.

Haben Sie keine Zahnärzte auf Lager? Wie, sind alle bei Rösler? Lassen die sich Steuersparmodelle in Vietnam beibringen? Na gut, Schwestern. Wie alt? Schwesternschülerinnen? Okay, das geht so gerade noch. Die machen das hoffentlich alle noch aus Idealismus, da müssen wir ihm nichts über Mindestlohn ins Manuskript schreiben. Immerhin kann er da sein Standardrepertoire über Bildung und Soziales absondern. Und Rentenkürzungen. Schließlich müssen auch Schwächere ihren Beitrag leisten, um das Solidarsystem zu entlasten. Wie sollten wir sonst unsere private Altersvorsorge finanzieren?

Dann nehmen wir noch das Banker-Meeting mit rein. Ob das eine systemrelevante Bank ist? Ich verstehe Ihre Frage nicht – das ist eine Bank, also ist sie systemrelevant, oder? Bei einer Schule könnte man ja wenigstens noch fragen, ist das eine Privatschule zur Förderung geistig benachteiligter Leistungsträgerkinder oder eine Normalpenne für Arbeiter, aber bei einem Kreditinstitut? Wir leben schließlich in einer marktkonformen Demokratie, da sind alle gleich viel wert. Vorausgesetzt, sie verdienen genug.

Klar, wir brauchen Möglichkeiten, an denen sich der Kandidat profilieren kann. Immer vorausgesetzt, wir haben auch die richtige Presse an Bord. Wir zeigen ihm das Land, und er stellt sich dann überall hin und sagt, Kinder, so cool, wie die FDP das findet, ist es nicht, aber wir sorgen dafür, dass es bald so wird. Glauben Sie nicht? Lassen Sie den Steinbrück mal machen. Lassen Sie den Kanzler werden, dann sieht das hier bald so aus, wie sich das die FDP vorgestellt hat.

Pflegeheim lassen wir mal besser. Stellen Sie sich vor, der Kandidat muss da alte Haut anfassen. Ist doch ekelhaft. Nein, den Termin lassen wir raus. Das ist nichts. Arbeiter-Samariter-Bund? Nein, ich sage doch, das geht nicht. Das mag ja auch sein, dass das landschaftlich schön gelegen ist, und das Foto mit dem Springbrunnen ist auch ganz hübsch, aber dann brauchen wir doch den Steinbrück nicht auch noch, oder? Nein, ich kann Ihnen da nicht – Ortsverband? Wieso, was haben die denn auf der Eröffnungsfeier zu suchen? Der Bürgermeister? Der Mann ist doch schon in der SPD, wozu muss der denn auch noch… Bürgerbeteiligung? das wird ja immer schlimmer, gehen Sie mir weg damit! Das macht Steinbrück garantiert nicht, der stellt sich doch garantiert nicht in den – Rohbau? Und der Bauunternehmer ist Parteimitglied seit 1965? Mann, sagen Sie das doch gleich! Natürlich kommt der Kandidat. Na sicher, der ist überall da, wo das Bruttoinlandsprodukt gesteigert wird.

Das mit der Kita ist ja sicher nett gemeint, aber sehen Sie mal, was braucht ein Kandidat so gar nicht? Richtig, Flecke auf dem Schlips. Einmal durchlaufen? Da kennen Sie Steinbrück aber schlecht, der ist immer im Mittelpunkt des Geschehens. Der will alles anfassen, der ist sich für nichts zu schade. Der geht immer direkt in den Brennpunkt, verstehen Sie? Dahin, wo es wehtut. Der geht auf Tuchfühlung, verstehen Sie? Der kennt da nichts, das ist ein echter Sozialdemokrat. Und genau deshalb betritt er auch keine Kita. Ende der Diskussion.

Oder irgendwas mit Tieren. Aber nicht, dass Sie eine Rinderfarm einplanen, und dann sind da lauter Pferde. Muss ja nicht gerade jetzt sein, auf der Ochsentour.

Aber doch bitte keine Computernerds! Diese langhaarigen Typen, die immer nur Pizza essen und Datenbanken hacken, das ist doch kein Umgang! Sicherheitssoftware? Der Vorstandsvorsitzende ist Multimillionär und Professor für Informatik? Honorarprofessor sogar? Honorar ist immer gut, da wollen wir mal nicht so sein. Das war ein bisschen leichtfertig dahingesagt, dass die SPD der Anwalt der Existenzgründer sein will, aber man kann ja auch im Niedriglohnsektor Firmen gründen.

Frauenclub kriegen wir auch noch hin, dann haben wir auf der Rückfahrt auch kurz Zeit für die Arbeitgeber, und wenn wir diese Bürgerinitiative für Steuergerechtigkeit auf den nächsten Wahlkampf vertrösten, dann machen wir auch einen kleinen Schlenker da im Osten, und dann winkt der Kandidat vielleicht einmal im Vorüberfahren dem Arbeitslosentreff zu. Naja, Aussteigen – wie stellen Sie sich das vor? Bei voller Fahrt kann man doch nicht so einfach… Nein, das ist nicht Ihr Ernst? Sagen Sie, dass das nicht Ihr Ernst ist! Eine Willy-Brandt-Statue einweihen? Für wen arbeiten Sie eigentlich? Für den Kandidaten? oder die Partei?“