Tod und Erklärung

23 04 2013

„Bloß keine Lachshäppchen. Das kommt nicht an. Ist nicht unser Profil. SPD ist Currywurst. Ja, ich auch nicht. Aber deshalb werden wir das Zeug trotzdem anbieten müssen. Es hilft ja nichts. Wir werden nur einmal 150.

Irgendwas muss man ja machen, nicht wahr, und diesmal wollen wir es im kleinen Kreis feiern. Im kleinsten Kreis. Im allerkleinsten. Nur die Wähler. Dann brauchen wir auch nicht so viel Stühle. Und Fähnchen. Und Kugelschreiber. Ich meine, wenn wir uns nicht auf der Jubiläumsfeier als Kümmerer-Partei ausgeben, wann denn dann?

Eigentlich wollten wir ja gar keine Festreden, aber dann meckert die Presse wieder. Dann halten die anderen Festreden, dass wir keine Festreden hatten, und kommen in die Abendnachrichten. Das geht auch nicht. Aber wen sollen wir da einladen? Lafontaine? oder Schröder? Sie haben gut reden. Beide, dann brauchen wir den Saal gar nicht erst aufzuschließen.

Haben die dieses widerliche Lila eigentlich auch für den Teppich ins Corporate Design geschrieben? Wenn das schon bei den Wandverkleidungen so aussieht wie gewollt und nicht gekonnt, dann muss man doch erst recht kotzen, wenn man auf den – Vorhänge? Meinetwegen, die paar Vorhänge wird man doch in einem geschlossenen Raum verkraften.

Aber die Reden. Erst Steinmeier, dann eventuell Rahmenprogramm, dann Gabriel, dann Pause, und dann der Seeheimer Kreis, und dann sehr lange Pause, und dann eventuell für die verbliebenen Gäste noch Sarrazin. Nach Einbruch der Dunkelheit dürften die meisten doch sowieso derart besoffen sein, dass man ihnen jedes Arschloch als SPD vorsetzen kann.

Vor allem die Chronologie macht uns ja leichte Schwierigkeiten. Wir hatten uns da so eine Art Multimedia-Show ausgedacht. Ja gut, Diavortrag halt. Aber mit Kommentaren halt und etwas Musik. Arbeiterchor aus Herne. Und Blasorchester. Und dann wollten wir die ganze Geschichte der Partei zeigen. Vom Eisenacher bis zum Godesberger Programm, dann Wiedervereinigung, und dann haben wir ein Problem. Nein, eben nicht. Wenn uns nach 1998 die Dias ausgegangen wären, hätten wir eben einfach weitergemacht. Wie das so bei der SPD ist, wenn bei uns etwas schief geht, machen wir einfach weiter, als hätten wir es nicht gemerkt. Naja, meistens merken wir auch nichts. Aber das ist ja nicht das Problem. Wir hatten noch Dias. Wir hatten sogar noch jede Menge Dias seit 1998. Aber wollen Sie das sehen?

Als Giveaways dachten wir an kleine Tütchen, Plastikfolie, Sie verstehen? ADAV? Hallo!? ist doch nicht so weit bis ADAC, oder? 50 Milliliter Benzin in Schlauchverpackung? Ein Schritt mehr zur energetischen Entlastung des Mittelstandes – das ist bald eine bessere Wertanlage als Gold! Das ist innovativ! Das ist echt bürgernah, verstehen Sie? Naja, wenigstens ist es ein typisches SPD-Geschenk. Die Unterschicht fühlt sich ausgegrenzt, die Mittelschicht fühlt sich verhöhnt, weil sie sich davon bald kein Auto mehr leisten kann, und die Oberschicht wirft das den Pennern in den Hut, weil denen eh der Spritpreis am Arsch vorbeigeht. Und die Grünen, die fragen sich auch, womit sie das verdient haben.

Dann noch der Saal, wir brauchen ja auch ein paar Spruchbänder. Atlasseide, gerne mit goldener Schrift. Antiqua, dazu rote Nelken, und in Großbuchstaben – Ruhe sanft? Sie sind wohl mit der Muffe gebufft!? Spruchbänder, verdammt noch mal, nicht Trauerschleifen! Was glauben Sie denn, was hier gespielt wird? Tod und Verklärung? Eher: Erklärung. Wenn man weiß, woran es lag, kommt man mit der Realität hinterher besser zurecht.

Wen haben Sie eigentlich für die Festschrift vorgesehen? Schily? Ach du lieber mein Vater, das kann ja heiter werden. Der schaltet ja am liebsten nicht nur die SPD, sondern gleich das ganze Grundgesetz ab. Ja, Sie haben recht. Das ist wie 1933: hier scheiden sich die Idealisten von den Pragmatikern. Aber lassen Sie uns nicht ständig von der Agenda 2010 reden, wir müssen ja auch das Personal bezahlen. Garderobe, Saalschutz, Klofrau – hören Sie mal, dieses Gegender können Sie sich an den Hut löten, für die Frauenquote ist jetzt die Merkel zuständig, klar? – Parkwächter, Kellner, Küchenhilfen, irgendwer muss den Mist halt erledigen. Haben Sie eine Kalkulation vorliegen? Egal, das wird dann das Wir ganz solidarisch entscheiden, wir haben eine Zeitarbeitsfirma am Start, aber seien Sie vorsichtig. Die haben ein paar Wirtschaftsmigranten dabei, also achten sie gefälligst darauf, dass Sie keine 8,50 die Stunde zahlen. Geburtstag hin oder her, wir sollten auch mal an die Arbeitgeber denken. Vor allem in Hinblick auf die nächste Bundestagswahl.

Rechnen Sie doch mal zusammen: Klappstühle, Programmhefte, Blasmusik, Wurst, Champagner – Schaumwein, wollte ich sagen, Schaumwein, und dann die Blumen, und ein paar Luftschlangen, vielleicht haben wir noch ein paar Ballons vom letzten Wahlkampf, Heißluft ist ja immer genug da, und dann mit Mehrwertsteuer – was!? Gut, dann lassen wir Steinbrück dreimal auftreten als Redner, da haben wir insgesamt fast 70.000 Euro gespart, davon können wir den Rest schon bezahlen.

Ja, ich weiß, dass das alles Mist ist. Das wird keine Party, das wird ein Begräbnis dritter Klasse. Aber was sollen wir denn machen? Oder haben Sie die Nummer von Helmut Schmidt?“