Links liberal

6 05 2013

„Doch, das haben Sie schon richtig verstanden. Die FDP ist jetzt liberal. Also nicht so liberal wie sonst immer liberal, aber jetzt sind wir liberal. Richtig so liberal. Und sozial eingestellt.

Wir sind jetzt total demokratisch. Und liberal. Haben Sie das mitgekriegt auf unserem Parteitag? Eben. Und jetzt sind wir auch mitfühlend. Die FDP ist sozial. Total neu, nicht wahr? Ja, wir haben uns auch noch nicht so richtig daran gewöhnt. Aber das wird schon. Irgendwas fällt einem ja immer ein.

Na, jetzt überlegen Sie doch mal. Wirklich, das ist doch nicht so schwer, oder? Oder? Was ist denn jetzt der Unterschied zwischen Mindestlöhnen und einer Lohnuntergrenze? Na? Na!? Ja, wissen Sie das nicht? Wieso fragen Sie das mich, woher soll ich – die konnten Ihnen das auch nicht erklären? Ja, das ist eben so: ein Mindestlohn, das ist ein… ein Mindestlohn ist das, ist das eben, weil das ja klar ist, dass das – wie? Und eine Lohnuntergrenze ist eben kein Mindestlohn. Weil das ja sonst auch Mindestlohn heißen würde und nicht Lohnuntergrenze. Ist doch logisch. Ja meine Güte, jetzt machen Sie doch wegen dieser vier Euro nicht so einen Aufstand. Die sind uns doch sowieso egal.

Eben, wir haben das vor der Bundestagswahl klar und deutlich gesagt. Steuern senken. Einfach Steuern senken, dann wir alles besser. Wir sind ja deshalb jetzt auch gegen Steuersenkungen, weil so gut soll es dem Volk auch wieder nicht gehen, sehen Sie – man lernt aus seinen Fehlern, und das ist ja nie verkehrt.

Weil wir uns auf eine völlig neue Strategie geeinigt haben. Bisher haben wir viel versprochen, und das haben wir dann nicht gehalten. Ach was, kommen Sie mir jetzt nicht mit Moral, das hat doch nichts mit Moral zu tun. Seit wann hat die FDP etwas mit – wir haben nur gemerkt, dass der größte Teil der deutschen Gesellschaft eben noch nicht bereit ist für diese Art von Politik. Bis dahin muss man die Minderbemittelten eben so behandeln, wie sie es wollen. Man muss ihnen einfach gar nichts mehr versprechen. Oder nur noch solche Sachen, bei denen klar ist, dass sie nicht zu halten sind. Also bei denen uns klar ist, dass sie –

Man darf doch den Leuten auch nicht auf einmal zu viel Freiheit zumuten. Die kommen sonst auf komische Ideen. Freiheit, das ist ein hohes Gut. Wie Demokratie beispielsweise. Das darf man nicht jedem in die Hand geben.

Ich meine, wir sind doch schon eine geradezu mildtätige Vereinigung. Gucken Sie sich mal an, was der Niebel für die Nation getan hat. Mehr als drei Dutzend Parteigenossen, keine Chance mehr auf dem zweiten Arbeitsmarkt, nicht mal Vorstrafen hatten die, sonst hätte man sie als Ehrenvorsitzende – also gescheiterte Existenzen. Da muss man doch etwas tun können, oder? Das ist mitfühlender Liberalismus, verstehen Sie, wir kümmern uns um die Mitmenschen, von denen wir genau wissen, ein volkswirtschaftlicher Nutzen ist von denen nicht mehr zu erwarten. Denen muss man doch eine Heimstatt geben. Sonst werden die eines Tages noch kriminell.

Wir sind beispielsweise für die schönen Dinge im Leben. Wir wollen, dass Sie wieder überall rauchen dürfen. Gut, nicht als Arbeitsloser. Oder hier, Spritpreisbremse. Ganz großartige Idee von unserem Vorsitzenden. Ganz großartige Idee. Wurde zwar nichts, weil die Industrie keine Lust hatte, und dann haben wir das auch nicht weiter verfolgt, weil wir können ja als Politik auch nur das machen, wo die Wirtschaft Rahmenbedingungen setzt, aber das war in diesem Fall auch gar nicht so schlimm, weil das wurde ja sowieso dann nichts. Aber die Idee war gut.

Das mit dem Liberalen, das machen wir wie mit der sozialen Einstellung. Wenn es niemanden stört, dann setzen wir das irgendwie durch. Vor allem parteiintern. Da sind wir total unentschlossen, unerschrocken, wollte ich sagen, unerschrocken, das wird ganz schnell unsere politische Leitlinie, wenn uns gerade mal nichts Besseres einfällt.

Nein, wir müssen uns ja auch ab und an mal mit der Wirklichkeit auseinandersetzen. Steuerbetrug als Straftatbestand abschaffen, das wäre zu schön. Kriegt man in dieser Gesellschaft einfach nicht verargumentiert. Da müssen wir wohl eher einen Vorstoß für mehr bürgerliche Freiheit wagen: mehr unkontrollierte Schusswaffen in diesem Land. Das ist mitfühlender Liberalismus, verstehen Sie? Nein, nicht jeder Arbeitslose soll sich eine Knarre leisten können. Aber die Waffenhersteller sind doch auch Menschen.

Natürlich ist das sozial eingestellt, damit überholen wir die Grünen links! Also fast links. Wir sind ja fast links liberal. Nein, nicht linksliberal – fast links. Und fast liberal. Wir blinken links, und dann biegen wir rechts ab. Weil die Versicherung zahlt ja, wenn es trotzdem kracht.

Also wählen Sie uns diesmal. Sie müssen! Doch, absolut. Noch so einen Wahlkampf, dann brennt uns Brüderle durch.“