Und der Zukunft zugewandt

27 05 2013

„Ich würde ja nicht sagen, dass es ernst ist, aber haben Sie sich mal Steinbrück angeguckt?“ „Schon länger nicht mehr. Warum übrigens?“ „Er sagt gar nichts mehr.“ „Na also. Es geschehen noch Zeichen und Wunder.“

„Der Mann trinkt schon öffentlich Eierlikör.“ „Ist doch nicht mein Problem, wenn er keinen Pinot abkriegt.“ „Eierlikör!“ „Jetzt machen Sie mal nicht so ’ne Welle, das kriegen wir in den Griff.“ „Das ist das Ende, der blamiert uns bis auf die Knochen. Können Sie sich etwas Spießigeres vorstellen als Eierlikör?“ „Saumagen.“ „Das ist doch Unsinn.“ „Natürlich ist das Unsinn, aber Eierlikör ist auch Unsinn. Haben wir Steinbrück in den Schlagzeilen, ja oder nein?“ „Ja, aber…“ „Also ja. Der Mann zeigt uns, wo die SPD ist, ist die politische Zukunft. Das zählt.“ „Die politische Zukunft besteht also aus Eierlikör?“ „Werden wohl Bio-Eier sein oder so. Genau habe ich mich auch nicht damit befasst.“

„Sie reden hier immer so von Zukunft, warum hat die Partei dann diese ganzen Schnarchnasen von vorgestern in sein Kompetenzteam gehievt?“ „Denken Sie doch mal logisch. Wofür steht der Kanzlerkandidat?“ „Für den Sozialabbau, für Verbrennen von Steuergeldern in Rekordzeit, für…“ „Für die Zukunft.“ „Sage ich doch.“ „Wieso?“ „Damit hat er uns ziemlich solide die Zukunft versaut.“ „Ersparen Sie mir Ihre Miesepeterei, der Kanzlerkandidat steht für die Zukunft.“ „Und woran sehen wir das?“ „Weil er das sagt.“ „Und warum soll ich das glauben?“ „Weil er nun mal für die Zukunft steht. Also müssen wir doch ein gutes Kontrastprogramm liefern. Verstehen Sie?“ „Nein.“ „An Leuten wie Ihnen scheitert unser Land.“

„Man hätte gerade vor der Kulisse mit dem 150. Gründungstag ein ganz anderes Programm fahren sollen.“ „Und welches, Sie Oberstratege?“ „Wir hätten zeigen können, dass wir gerade aus den politischen Fehlern der letzten Jahre unsere Lehren gezogen haben. Dass wir uns diesmal wirklich für mehr gesellschaftliche Teilhabe einsetzen – für Mindestlöhne, für starke Regulierungsmaßnahmen auf dem Finanzmarkt, für eine menschenwürdige Sozialpolitik, die diesen Namen auch…“ „Sie haben wohl vom falschen Baum geraucht? sozial!? Sonst geht’s aber, was?“ „Das wäre doch wirklich mal eine Botschaft gewesen, mit der die Leute sich identifizieren können.“ „Hören Sie mal zu, Sie Profi: wir identifizieren nicht, wir infizieren. Sie haben wohl noch nie einen Wahlkampf gemanagt, was?“ „Jedenfalls wäre das mal ein starkes Signal gewesen, um von der Progressivität der SPD zu überzeugen.“ „Und im Himmel ist Jahrmarkt.“ „Nein, echt!“ „Sie Träumer, Sie haben doch nicht einmal das Grundkonzept kapiert – natürlich zeigen wir die SPD, wie sie ist. Sonst bauen wir doch nie einen Kontrast zu Steinbrück auf.“

„Die Deutschen sehen die Sozialdemokratie ja auch nicht mehr als Arbeitnehmerpartei.“ „Was für ein Glück. Endlich haben wir den ganzen antiquierten Dreck von der Backe.“ „Ja aber…“ „150 Jahre haben wir daran gearbeitet, und heute erleben wir es endlich. Seien Sie mal ein bisschen feierlicher. Das ist ein erhebender Augenblick für die SPD.“ „Haben Sie das überhaupt verstanden!? Das sind unsere historischen Wurzeln!“ „Wir haben es fast geschafft. Jetzt sind wir in der Mitte der Gesellschaft angekommen – ohne diese ganzen unteren Segmente.“ „Ohne was?“ „Dieses, wie sagt man doch gleich…“ „Proletariat?“ „Nein, so ähnlich.“ „Prekariat?“ „Ich hab’s gleich. Es liegt mir auf der Zunge.“ „Niedriglöhner?“ „Nein, so Leute halt, die nicht irgendwo im Aufsichtsrat sitzen.“ „Das ist nicht Ihr Ernst! Wir haben in Deutschland Millionen von Facharbeitern, von Angestellten und…“ „Machen wir für die etwa unsere Politik?“

„Auf das Soziale will die Partei anscheinend komplett verzichten?“ „Ist ja auch besser. Man ist dann programmatisch immer so eingeengt. Zu wenig Beinfreiheit.“ „Und dass die Partei es mit der Demokratie nicht mehr ernst nimmt, hat sie auch schon zur Genüge gezeigt.“ „Nämlich?“ „Fangen wir mit der Abschaffung des Asylrechts an, für das die Sozialdemokraten fleißig ihre eigene Meinung über Bord getreten haben.“ „Man muss sich auch mal von überkommenen Vorstellungen lösen.“ „Was bleibt denn dann noch von der SPD übrig?“ „Die Partei.“ „Gibt’s schon. Aber das Original ist irgendwie besser.“

„Ich habe es Ihnen doch schon mal erklärt: wir sind auf einem sehr guten Weg. Es geht aufwärts.“ „Und weshalb redet dieser Kanzlerkandidat öffentlich so einen Stuss?“ „Dialektik.“ „Bitte was?“ „Dialektik. Wie das mit dem Kandidaten und der Partei, nur eben jetzt mit der Partei und dem Kandidaten.“ „Das verstehe ich nicht.“ „Der Kanzlerkandidat muss auch mal divergierende Meinungen über die Presse kommunizieren dürfen, möglicherweise auch Unsinn.“ „Das ist also diese Beinfreiheit, von der Steinbrück so gerne redet?“ „Quatsch. Die betrifft das, was er selbst will, und da hat die Partei sowieso nichts zu bestimmen.“ „Also muss er sich möglichst widersprüchlich und wirr äußern und in scharfem Gegensatz stehen zu seiner eigenen Partei?“ „Genau, denn dann sieht man auch, dass es uns vor diesem Hintergrund um die ganze Partei geht. Das Wir und so.“ „Aber Moment mal, jetzt ist doch diese Partei gerade so schlecht besetzt, weil dadurch der Kanzlerkandidat um so besser…“ „Das sind Feinheiten, damit können wir uns nicht auch noch auseinandersetzen.“ „Ich fasse zusammen: der ganze Laden ist derart von gestern, die SPD kann die Wahl nur verlieren.“ „Falsch. Vollkommen falsch, wir sind der Zukunft zugewandt.“ „In Ruinen ja, aber von Auferstehung kann doch wohl keine Rede sein, und der Rest – naja…“ „Absolut der Zukunft zugewandt. Die SPD ist die einzige Partei, die sich jetzt schon intensiv auf den Wahlsieg vorbereitet.“ „Nur mal als Gegenfrage, was rauchen denn Sie? das tun doch alle.“ „Aber nicht für 2017!“


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