Trennkost

28 05 2013

„Und dabei habe ich sie wirklich geliebt.“ Robbie Fundusi, der bekannteste drittklassige Gitarrist der aktuellen Popmusik, litt intensiv in die Kamera. „Noch mal“, schnarrte Siebels. „Und noch etwas leidender. Die Leute kommen doch sonst auf den Gedanken, dass Sie die Alte gar nicht schnell genug loswerden könnten.“

Die graue Eminenz der deutschen TV-Produktion lehnte sich behaglich zurück. „Wir haben gerade eben noch den Zuschlag bekommen“, informierte er mich, „die anderen Kanäle hätten uns um ein Haar die Rechte vor der Nase weggeschnappt. Aber jetzt sind wir am Drücker. Und es wird das Format des Jahres.“ Robbie Fundusi, manche kannten ihn aus vollkommen unbekannten Bands, nicht verkauften Soloalben und einem vorzeitig abgesetzten Werbespot für WC-Lufterfrischer mit Fichtennadelduft, er trennte sich nach knappt zwei Jahren ehelicher Gemeinschaft von der Sängerin und Schauspielerin, deren Namen ich am Morgen noch nicht gekannt hatte und den ich bis zum nächsten Tag sicher würde vergessen haben. „Die kleine Blonde da?“ Siebels schüttelte den Kopf. „Das ist die Regieassistentin. Die da drüben. Tini Tornado. Merken Sie sich den Namen gar nicht erst, sie ist – ach, egal.“

Der Einspieler zeigte Bilder aus besseren Tagen. Ein furchtbar verliebtes Liebespaar richtete die gemeinsame Wohnung mit geschmacklosen Möbeln ein, während der Weichzeichner verdeutlichte, dass sie momentan auf die ordnende Funktion ihres Großhirns würden verzichten müssen. „Sie ist so romantisch“, säuselte der Barde, „sie stellt alles mit diesen rosapinkroten Sachen voll.“ Eingesuperte Herzchen verpickelten die Bildschirmoberfläche. „Wer hat sich denn diesen Schrott ausgedacht“, höhnte ich. „Ich“, antwortete Siebels ungerührt. Ich zuckte zusammen. „Das Fernsehpublikum will eine Wunschvorstellung, es will große Gefühle, und es will irgendwelche Knalltüten, auf die es diesen emotionalen Schmadder projizieren kann. Wir haben sie damals für teures Geld gekauft und ihnen eine Traumhochzeit ausgerichtet. Sie mussten nur noch ins offene Messer laufen.“ Er schlürfte an seinem Automatenkaffee.

Tini Tornado war unterdessen sehr bemüht, sich um einige kitschige Porzellanfigürchen zu zanken. „Die kommen aus Paris“, heulte sie, „das war der schönste Urlaub meines Lebens!“ Ich blickte Siebels verständnislos an. „Wenn ich es bis hierher richtig verstanden habe, hat sie die Scheidung eingereicht und möchte nicht mehr an diese Ehe erinnert werden. Warum also sollte sie ein Souvenir aus einem Urlaub mitbringen, wenn sie sich gar nicht mehr daran erinnern will?“ Er winkte ab. „Natürlich kann sie sich nicht mehr erinnern, sie war damals ja viel zu betrunken. Und falls es Sie interessiert, die Dinger da hat sie sich in einer Online-Auktion gekauft. Vorige Woche. Wir mussten dies Haus ja einigermaßen herrichten, bevor wir es wieder ausräumen.“ Tini pfefferte die anscheinend kostbaren Schäfer und Tänzerinnen in einen Pappkarton. So viel wert waren sie wohl doch nicht.

Ich warf einen Blick auf Siebels’ Klemmbrett. „Sie haben vor, den kompletten Rosenkrieg dieser beiden Popsternchen zu einer Samstagabendshow zu machen?“ Er schüttelte den Kopf. „Falsch, das würde nur einen unzureichenden Eindruck bei den Zuschauern hinterlassen. Man kann nicht in die Tiefe gehen. Man kann nicht psychologisieren. Das erfordert mehr Aufmerksamkeit.“ Ich wollte schon aufatmen, als er fortfuhr. „Wir machen daher eine achtteilige Serie.“

Auch Robbie Fundusi, mit bürgerlichem Namen Hans-Robert Fönskes, bekam noch eine Soloszene. „Dabei habe ich sie wirklich geliebt“, beteuerte er und blickte sich hilflos um. „Also wirklich jetzt, echt voll total und so.“ „Schnitt“, schrie es von hinten. Da platzte es aus dem Möchtegernstar heraus. „Ich kann so nicht arbeiten! Hier muss zufällig meine Gitarre im Bild stehen und ein angeschlossener Verstärker!“ Siebels winkte genervt ab. „Er muss natürlich noch sein neues Album promoten, aber zweimal reicht. Lassen wir ihn machen, den Kram können wir hinterher immer noch rausschneiden.“

Interessanterweise besprach er sich gerade mit Tini, wer die nächste Szene im Wohnzimmer des halb möblierten Bungalows drehen sollte. „So gut scheinen die beiden sich aber doch noch nicht auseinandergelebt zu haben“, spottete ich. „Das lassen Sie mal nicht die Scheidungsanwälte der beiden sehen.“ „Wozu?“ Siebels blieb kalt. „Sie haben nie zusammengelebt, die ganze Ehe war ein halbwegs gelungener PR-Gag, und mehr war wohl auch nicht zu erwarten gewesen.“ Ich musste einen kleinen Augenblick zu lange gezögert haben. „Sie glauben wirklich, wir machen das, weil sich zwei Produkte der Popindustrie zufällig verlieben? Das nenne ich mal naiv.“ „Aber warum dann eine Scheidungsshow?“ „Weil das in jeder Beziehung der Kernzielgruppe irgendwann mal ansteht“, gab Siebels zurück. „Wir laden den Hochzeitskrempel mit Emotionen auf, und jetzt tun wir dasselbe mit der Trennung. Das Publikum soll doch wenigstens einmal das Gefühl haben, so menschlich zu sein wie ihre prominenten Vorbilder.“ „Ach Sie“, rief Tini dazwischen, „Sie wollten uns doch eine Schrankwand und die Einbauküche ins Haus liefern, die wir uns ausgesucht hatten. Wir müssen mich doch noch darüber streiten, wer die behalten darf.“