Hausmittelchen

30 06 2013

Paulinchen aß zwei Birnen, doch
was ihr dann aus dem Magen kroch,
das fühlte sich nicht gut an.
Erst stand sie kopf, dann lag sie flach,
und um so schlimmer hickst sie nach,
laut kollernd wie ein Truthahn.
Da kommt Mama. Die kennt ihr Kind,
wie gute Mütter nun mal sind.
Sie weiß mit einzwei Blicken,
was sauer ist, sobald man schluckt,
und stundenlang aufs Neue muckt,
heilt man mit Zuckerstücken.
    Ein bisschen Hokuspokus, und
    dann fühlt man sich schon halb gesund.
    Das hilft für alle Tage.
    Es ist vermutlich schöner Schein,
    man redet es sich selber ein.
    Ob’s wirkt? das ist die Frage.

Frau Runtsch, die ihre Hände pflegt,
sie gern in Samt und Seife legt,
kann dies nicht recht genießen.
Sie sieht, dass ihr trotz Reinlichkeit
(für sie ist es stets Peinlichkeit)
schon wieder Warzen sprießen.
Erst nimmt sie Knoblauch, weil sie meint,
dass es als schnelle Lindrung scheint,
doch bleibt dies kaum verborgen.
Dann aber fragt sie eine schlicht,
die ihr das Ding des Nachts bespricht.
Und fort ist es am Morgen.
    Ein bisschen Hokuspokus, und
    dann fühlt man sich schon halb gesund.
    Das hilft für alle Tage.
    Es ist vermutlich schöner Schein,
    man redet es sich selber ein.
    Ob’s wirkt? das ist die Frage.

Ach, August. Alter Handwerksmann.
Hat gut gelernt. Zeigt, was er kann.
War niemals fahnenflüchtig.
War vierzig Jahre im Betrieb,
bis ihm nichts mehr zum Leben blieb.
Rendite ist ja wichtig.
Wird noch verhöhnt als dekadent.
Ahnt, wenn man unter Brücken pennt,
wird man sich nicht lang quälen.
Die letzte Hoffnung? ist passé.
Vielleicht, noch einmal SPD,
noch einmal die zu wählen.
    Ein bisschen Hokuspokus, und
    dann fühlt man sich schon halb gesund.
    Das hilft für alle Tage.
    Es ist vermutlich schöner Schein,
    man redet es sich selber ein.
    Ob’s wirkt? das ist die Frage.





In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CXLVIII)

29 06 2013

Es kaufte sich Hennie in Oost,
da man jüngst viel Hausrat verlost
zehn Tombolascheine.
Gewinn: hundert Weine
aus Frankreich. Bordeaux. Na, denn prost.

Herr Schöttler, der baute in Triesenberg
im Garten aus Ton einen Riesenzwerg.
Er tut’s mit Gewalt schon,
doch bröckelt es bald schon.
Heut sieht man nichts mehr von dem miesen Werk.

Zum Sohn sprach Herr Rijke in Emst:
„Auch wenn Du Dich dagegen stemmst,
da ich es bezahle,
so sind zwei Pedale
im Wagen, da Du zu spät bremst.“

Sékouba, der in Conakry
vom Dach herab Nussschalen spie,
der traf aus Versehen
’nen Ringer beim Gehen.
Wie gut, dass er alles verzieh.

Herr ’t Hart hat es schwer in De Koog,
da er unentwegt schrecklich log.
Was er fabulierte,
ihn vor Gericht führte.
Die Strafe war demgemäß hoch.

Wenn Ugo sich in Parolise
den Haushalt besah sah er Miese.
Dann, statt seine Steuern
einfach zu verteuern,
erhob er auf sie ’ne Akzise.

Es schmückte Martha fleißig in Een
die Fensterbank mit Azaleen.
Damit die Blumenwonne
sich gleichmäßig sonne,
muss sie Topf für Topf ständig drehn.





Jetzt schlägt’s…

28 06 2013

Freitagstexter

… Dreizehn! Da steht es im Erkerchen auf dem Podest, gülden glänzend, das teure Töpfchen – Zeit für einen neuen Freitagstexter. Diese neue Runde verdanke ich dem Wortmischer bzw. der architektur- und fluidtechnischen Aufarbeitung des Röhrenwesens. Der Kanal war voll.

Und da er, der Preisverleiher nämlich, eine für Kenner wie Neumitspieler leicht fassliche Erklärung verfasst hat, worum es bei diesem Wettstreit geht (und was einem beim Mitmachen blüht), verlinke ich sein Freitagstexterregelwerk einfach. Mit der Ergänzung, dass bei mir Hildegard an der Entscheidungsfindung beteiligt sein könnte. Ohne Gewähr.

Und nun das Bild. Wie schon zuvor bediene ich mich aus der Sammlung von James Vaughan (CC BY-NC-SA 2.0), der dieses modische Accessoire für Herren mit viel Geschmack und noch mehr Freizeit für die Nachwelt festgehalten hat. Klick macht groß. Jetzt geht’s los!

Eyetv





Gemischtwahnladen

27 06 2013

„Das ist doch wohl die Höhe, jetzt lassen Sie mich doch auch mal, nein, ich werde Ihnen nicht auf den Leim, das haben Sie schon vor vier Jahren, und das ist jetzt rein zu stark, was Sie hier, ich meine, das ist doch kein Wahlprogramm, das ist doch Stuss, jawohl Stuss, und Sie brauchen mir jetzt gar nicht mit irgendwelchen komischen Parolen zu kommen, wir haben Kraft für hier, Dings, na! Deutschland, das können Sie sich doch in eine Körperöffnung nach Wahl reinschieben!“

„Zunächst müssen Sie sehen, dass wir die Regierung stellen, da haben wir nicht mehr so viel Zeit für ideologische…“ „Sie sind wohl mit dem Klammerbeutel gepudert!? Wiederwahl als Vollprogramm? Sonst haben Sie keine Probleme? Wie soll denn Deutschland dabei aus der Krise, jawohl aus der Krise, das können Sie doch nicht leugnen, dass das mit der Euro-Rettung nur gekaufte Zeit, und Sie werden sich noch wundern, dass das alles…“ „Immerhin werden wir keine neuen Schulden machen, wenn wir die Wahlversprechen, also ich meine, was wir jetzt, ich wollte sagen…“

„Und vor allem, das müssen Sie doch langsam mal, dass die Partei, dass das Präsidium, dass die alles, was jetzt in diesem Programm steht, dass die alles, wirklich, und zwar bis aufs Messer, das ist noch nicht normal, ich meine, wenn Seehofer so einen, ich sage das nicht gerne, aber Sie müssen das mal, und ich finde das jetzt gar nicht witzig, oder meinetwegen die FDP, die fallen ja sowieso in jede Richtung um, aber wenn ich das bei der CDU sehe, ich meine, das ist doch das Hinterletzte, und jetzt wollen Sie damit die Wahl gewinnen, ich bitte Sie, das können Sie sich doch, jawohl in die Haare! das meine ich auch so! Sie machen sich wohl gar nicht klar, dass der Wähler das mit der Kontinuität und dem Immer-weiter-so nur dann wirklich unterstützt, wenn er nicht ständig, doch, das ist das Gegenteil, lassen Sie mich…“ „Aber wir hatten…“ „Fallen Sie mir nicht ständig ins Wort, dafür hatten Sie vier Jahre, in denen ja höchstens, aber bis auf die Bundeswehrreform, und was ist heue davon übrig? na also, das sind doch alles nur, doch, Ausflüchte, ich nenne das Ausflüchte, das ist doch Blödsinn, was Sie da, unterbrechen Sie mich jetzt nicht! ich kann das nicht mehr hören, die Opposition will immer nur die Schulden erhöhen, was macht denn diese Regierung bis jetzt, und wenn Sie mit diesem Wahlprogramm die Regierung…“ „Das ist kein Wahlprogramm, das ist doch das – “

„Na großartig, kein Wahlprogramm!? ist jetzt bald Fusion mit den Piraten? Sie nennen diesen Gemischtwahnladen also Regierungsprogramm? Das ist doch die Höhe, ich meine, dass wir nach der Wahl beschissen werden, das ist doch schon an der Tagesordnung, aber dass Sie die ganze Regierung auf Lügen, obwohl, das letzte Mal haben Sie den Koalitionsvertrag auch auf, und das war nicht nur Westerwelle, weil das hatte die Industrie, natürlich hatte die Industrie das so bestellt, jetzt machen Sie sich doch nicht lächerlich, ich weiß doch, was damals die, und das waren noch nicht mal nur die Hoteliers, oder meinen Sie, die paar Millionen hätten Westerwelle ausgereicht, um sich ein Haus auf, dann hat’s die CSU eben auch gewollt, das macht die Sache jedenfalls nicht besser, oder denken Sie, die würden ernsthaft – “

„Ich verstehe ja Ihre…“ „Gar nichts kapieren Sie, gar nichts! Das ist es doch, überall machen die in Transparenz, und dann kommt diese Pennerbude und kündigt an, dass im Internet, das glauben Sie doch selbst nicht, Internet? das werden die schon zu verhindern wissen, dass da irgendeiner, und notfalls schicken die den Axel E. Fischer, oder Kauder hat wieder Pickel von der Demokratie, aber Sie wollen mir doch jetzt nicht erzählen, dass die CDU sich basisdemokratisch…“ „Wir haben dies Programm ganz offen mit den beiden…“ „Quatschen Sie hier keinen Blödsinn, Mann! Der Gröhe und der Dobrindt haben abwechselnd Hölzchen gezogen, wer wie oft Müll erzählen darf, und dann haben die beiden das Programm im Sinne der Partei, ach was, jetzt doch nicht? das nennen Sie Demokratie? Ja, das nennen Sie Demokratie, weil Demokratie für die CDU genau das, unterbrechen Sie mich jetzt nicht, ich habe mir das lang genug, natürlich habe ich das nicht vergessen, was heißt hier, ich bin doch normal, ist man etwa nicht normal, wenn man nicht heterosexuell und männlich und als Angestellter und mit zwei Kindern und, jedenfalls rammt die Eckpfeiler jedes Mal das Bundesverfassungsgericht ein, oder wollen Sie behaupten, bisher sei das alles einfach so…“ „Immerhin haben wir das Arbeitslosengeld um fünf Euro…“ „Sie haben um diese verfluchten fünf Euro gezankt, als ginge es, nein wirklich, das war wie auf dem Viehmarkt, und die blöde Leyenschwester immer mittendrin, was hat die sich eigentlich mit ihrer beknackten Mütterrente, denkt die denn, dass sie mit ihren Blagen noch nicht genug Kohle, und da liegt doch der Hase im, unterbrechen Sie mich gefälligst nicht, das ist doch kein Programm für Familien, das soll doch höchstens den Eltern, die eh schon genug Kohle haben, noch mehr Kohle in den, was heißt denn hier sozial ausgewogen, das ist doch alles Schrott, Sie verpulvern doch das Geld an die, die es sowieso nicht brauchen, wer wählt denn diese Scheiße, jawohl Scheiße, wer wird denn bei dieser Kriegserklärung an die Bildung und den…“ „Aber wir…“ „… Sozialstaat und an den Rechtsstaat und an die…“ „… wir haben doch…“ „… Demokratie, ich frage Sie ernsthaft, wer wählt den Scheiß denn noch? sagen Sie mir das, wer will den Scheiß denn noch wählen? Wer wählt das denn noch? Was wählt man denn da? Was ist denn überhaupt Ihr Wahlprogramm? Was soll ich denn da wählen?“ „… Merkel. Angela Merkel.“ „Ach so.“





Hinter der Fichte

26 06 2013

„… habe Uhl sich dafür ausgesprochen, auch die positiven Aspekte der amerikanischen Abhöraktion zu betrachten. Es sei wieder möglich, schriftlich miteinander zu kommunizieren, beispielsweise durch das Austauschen von Zetteln und…“

„… die Wahl zwischen Sicherheit und Unbeschwertheit. Die Kanzlerin habe betont, man könne vertrauliche Nachrichten nicht nur durch dieses Internet austauschen, sondern sich auch ganz alleine im Wald treffen und…“

„… dass auch wichtige Prozesse wie Busfahren, Einkaufen oder das Betreten öffentlicher Straßen und Plätze nicht mehr ohne Identifizierung…“

„… sich der Koalitionsausschuss aus Sicherheitsgründen hinter der Fichte…“

„… müsse der Verfassungsschutz auch schriftliche Nachrichten überwachen, um zeitnah festzustellen, ob es sich um verschlüsselte…“

„… rege der Bundesnachrichtendienst an, jeden Bürger Tagebuch schreiben zu lassen. Das standardisierte De-Tagebuch sei zwar kostenpflichtig, könne aber auch über das Internet direkt an die Ermittlungsbehörden…“

„… sich die Kanzlerin sehr befriedigt gezeigt habe, da die von der Opposition immer wieder beanspruchte Transparenz nun zuerst auf Seite der Bürger…“

„… verfolge die SPD vor allem den integrativen Ansatz, hier lebenden Türken Deutsch beizubringen, um bei der routinemäßigen akustischen Wohnraumüberwachung nicht eigens einen Übersetzungsdienst zu…“

„… nutze der Verfassungsschutz wie im Fall Wagenknecht ausschließlich die Auswertung öffentlich zugänglicher Quellen, um herauszufinden, ob eine Gefährdung der Öffentlichkeit auch als öffentlich bekannt vorausgesetzt werden…“

„… zunächst eine Identifizierung mit Hilfe des Personalausweises vorgesehen, den der Bundesbürger in der Nähe von Videokameras deutlich sichtbar…“

„… bedeute eine Sicherheitsüberprüfung des Fernsehprogramms, dass mangels Live-Übertragungen nun auch keine Pannen mehr…“

„… es als Zeichen des Misstrauens gewertet werden müsse, wenn Bundesbürger in ihrer Abwesenheit ihre Wohnungen abschließen würden, so dass Kriminalbeamten erst mit Hilfe eines Schlüsseldienstes…“

„… werde auch in Zukunft kein Artikel in frei verkäuflichen Zeitschriften zensiert. Druckerzeugnisse, die einer systemstabilisierenden Korrektur bedürften, würden in Zukunft einfach nicht mehr frei…“

„… auch die Kaufbelege sämtlicher Bürger zu speichern. So würde zwar kein Terrorakt verhindert, man könne jedoch den Internethandel erheblich eindämmen und für mehr Binnenkonjunktur…“

„… in der Werbekampagne zum Ausdruck kommen solle, dass der aufrechte Staatsbürger zur Schonung seiner regierenden Sicherheitsbeamten sämtliche Tagebucheintragungen in ordentlicher Druckschrift…“

„… könne der Prozess der Identifizierung erheblich vereinfacht werden, wenn die maschinenlesbaren Sterne an der Kleidung…“

„… müsse der Datenschutz in Deutschland weiter vorangetrieben werden, notfalls auch durch bewaffnete Eingreiftruppen aus dem…“

„… habe die Regierung offenbar nicht bedacht, dass im Internet besorgter Sprengstoff und Zündkapseln nicht im innerstädtischen Einzelhandel gekauft und durch steuerlich absetzbare Quittungen…“

„… stelle keinen Eingriff in das Briefgeheimnis nach Artikel 10 des Grundgesetzes dar. Verschlüsselte Briefsendungen würden jedoch nicht mehr von den Zustellern…“

„… sei es den Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes nicht zuzumuten, komplexe verbale Gebilde wie die Zwischenüberschriften der Frankfurter Allgemeinen Zeitung semantisch zu…“

„… habe IM Friedrich angeregt, auch die Bekanntschaftsanzeigen in den Sonntagsausgaben der Tageszeitungen zu speichern, da sich möglicherweise hinter der Kontaktanbahnung die Gründung terroristischer Vereinigungen…“

„… sei die Studierende nicht verhaftet worden, weil sie ihr Tagebuch mit einem Schloss gesichert habe, sondern weil sie gar keine Eintragungen…“

„… fordere Wendt ein Bundesgesetz, das die Identifizierung von Polizisten im Dienst sowie außerhalb verbiete. Dies, so der Gewerkschaftsvorsitzende, sei schon deshalb unerlässlich, da Polizisten noch nie Straftaten…“

„… komme erschwerend hinzu, dass die Kontaktanzeigen durch Chiffre geschützt seien, was die V-Leute vor eine unüberwindliche…“

„… dass Gebärdensprache zu den unerwünschten Kommunikationscodes gehören solle. Wer sich so offensichtlich gegen das deutsche Staatswohl stelle, müsse ernste Konsequenzen…“

„… müsse nach IM Friedrich zur Sicherung der Sicherheit bei Bekanntschaftsanbahnungen immer ein Sicherheitsaufseher geschickt werden, der im Fall einer Gefährdung sofort eine…“

„… sei der inzwischen aus der Untersuchungshaft entlassene Gentrifizierungskritiker ins Fadenkreuz der Ermittler geraten, als er sich im Wald verabredet hatte, um…“





Sterneküche

25 06 2013

„Womit habe ich das verdient?“ Schwer schnaufend und krebsrot lief er durch die Küche. Seine hoch aufgezwirbelten Schnurrbartspitzen bebten bedenklich. Bruno knirschte vor Wut mit den Zähnen. „Und wenn ich in meinem vorigen Leben Milchpanscher gewesen sein sollte, womit habe ich diesen Bruder verdient!?“

Dabei hatte es Hansi nur gut gemeint – wieder einmal. „Ich dachte, wir könnten ein bisschen kostenlose Werbung gut vertragen.“ Bruno tobte. Er, von Freund, Feind und Verehrern Fürst Bückler gerufen, kochte seit Jahrzehnten im legendären Landgasthof seiner Väter Schwarzsauer und Aal in Gelee, während sein Zwillingsbruder servierte. Wenn der, Hansi nämlich, nicht mit seinen selten durchdachten Einfällen die Existenz des Lokals aufs Spiel setzte. Ich räusperte mich. „Da wäre nur ein kleines Problem“, wandte ich ein. „In der Sendung Korinths Kaschemmen werden nun mal ausschließlich Restaurants gezeigt, die bei den Gästen unangenehm auffallen. Und das ist nun wirklich keine Werbung für Euch.“ Der, um den es ging, stolzierte auch schon ungeniert durch die Küche und dirigierte einen Kameramann von Herd zu Herd. „Hier noch ein bisschen“, kommandierte Jens Korinth. „Außerdem bräuchten wir ein paar Konservendosen. Linsensuppe oder so was.“ Petermann verzog das Gesicht, als hätte er in eine faule Zitrone gebissen. „Sie wissen wohl nicht, wo Sie sich hier befinden?“ Der Entremetier war gereizt, allein das ließ der Stör-Koch nicht gelten. „Wir brauchen ein paar Ekelbilder. Sauen Sie die Küche mal ein oder kippen Sie den Mülleimer um, das kann ich doch so hier nicht filmen.“

„Das Produktionsteam hat mir zwei Dutzend Gäste versprochen“, jammerte Hansi. „Zahlende Gäste – ich konnte doch unmöglich ablehnen!“ Bruno raufte sich die Haare. „Wir sind doch die ganze Woche ausgebucht“, fauchte er. „Wo soll ich denn die Gäste hinsetzen? in die Garderobe?“ „Im hinteren Salon ist ja eingedeckt“, stellte ich fest. „Dann müsste einer von uns im Service aushelfen, und wir hätten auch jemanden für vorne.“ „Pardöngchen“, drängelte sich Korinth dazwischen, den Kameraträger stets im Schlepp. „In zwei Stunden kommen zwei Dutzend Testesser und erwarten ein Dreigangmenü. Was bekommen sie zu essen? Ich muss in fünf Minuten Bescheid wissen.“ Bruno guckte konfus. „Was soll das denn jetzt?“ „Sie werden den Leuten Ihren üblichen Murks vorsetzen, und dann werden wir filmen, wie enttäuscht sie sind.“ Ängstlich sah ich mich um. Jeden Moment musste Bruno zum Fleischerbeil greifen und sich auf den größenwahnsinnigen TV-Macher stürzen. „Machen Sie irgendwas“, onkelte der. „So kompliziert ist das doch nicht, ein Menü mit drei Gängen aufzutragen, oder? Nicht mal für diesen Laden hier.“ Bruno hielt sich am Tisch fest, Hansi tastete nach seinem Kragen, die beiden Kellnerinnen starrten betreten zu Boden. Da hatte ich einen Einfall. „Du kommst mit“, verkündete ich und zog Hansi aus der Tür. „Wir nehmen den Wagen, dann sollten wir es locker schaffen – Ihr präpariert inzwischen zweimal zwei Dutzend Gedecke.“ Bruno kapierte nicht. „Lass mich machen, wir fahren kurz zu Erwin Knausrigmann.“

Knausrigmann als unangenehmen Zeitgenossen zu bezeichnen wäre eine nicht zu rechtfertigende Untertreibung. Er kochte mit Dingen, die andere nicht einmal anfassen würden, bezahlt seine Angestellten schlecht, aber selten pünktlich, und hatte öfter die Gewerbeaufsicht am Hals als einen ausverkauften Laden. „Seit gut einem Jahr hat er am Autobahnzubringer eine Art Essensausgabe, die auch außer Haus liefert. Wir brauchen eigentlich nur ein paar Schnitzel oder Fischstäbchen oder was der Knabe sonst gerade aus der Tonne geholt hat. Avanti!“ Hansi gab Gas.

„Kleiner Salat mit Filetstreifen, Fisch mit Kartoffeln und Eis mit Sahne.“ Korinth war wohl zufrieden, es hörte sich jetzt schon unappetitlich an. Ich winkte Petermann heraus. „Wo bleibt Ihr denn?“ „Alles im Kofferraum“, beruhigte ich den Koch. „Wir richten jetzt an. Ihr bringt die erste Hälfte des Geschirrs hier an den Gang, der zum Salon führt, und wir präparieren das Zeug für die Kamera. Dann trage ich es bis zur Tür…“ „… und ich serviere die richtigen Speisen von hinten über die zweite Tür in den Salon…“, übernahm Hansi. „… und ich entsorge den Kram unten in der Stellage vor dem Kühlraum“, schloss ich. Petermann strahlte. „Hervorragend! So machen wir das!“

„Salat mit Filetstreifen – da bin ich ja mal gespannt, was sich dahinter verbirgt.“ Korinth und Kamera schlängelten sich in den Gang, während Hansi seelenruhig in der Küche die Teller zählte. „Wir nehmen immer die einheitliche Mischung“, verkündete ich scheinheilig, während ich eines der Prallkissen mit Fertigsalat auf die Tellerchen häufte. Knausrigmann hatte uns Mengenrabatt gegeben, ich musste nicht einmal sparsam sein. Umso genauer verteilte ich die Streifen aus der kleingewürfelten Geflügelbrust. „Streifen – Plural, also mindestens zwei.“ Korinth ächzte leise. Er würde es vor laufender Kamera verkosten müssen. Mein Mitleid hielt sich in Grenzen. „Dann werde ich mal.“ Mit drei Tellern marschierte ich den Gang abwärts, bog kurz vor der Salontür scharf ab in den Korridor, wo die Treppe zum Kühlraum sich anschloss und hörte noch, wie Hansi oben die Tür aufschwang. „Rauke und Blüten“, trug er vor, „dazu marinierte Streifen vom Wagyū-Rind.“

Petermann zirkelte die Butterkartoffeln in die Schälchen. „Den Wolfsbarsch sofort servieren“, schrie Bruno, obwohl ich kaum eine Armlänge entfernt vor ihm stand. „Und den Kerbelschaum gleichmäßig verteilen.“ Die Tür schwang auf. „Wo bleibst Du?“ Hansi war außer Atem. „Ich habe das Schlemmerfilet ausgepackt, die Pommes passen auch noch auf den Teller drauf.“

Die vorletzte Portion war gerade im Keller verstaut, da schlich sich plötzlich Jens Korinth in den Gang hinein. „Dies also ist Bücklers Landgasthof, angeblich eine der besten Gaststätten der Region.“ Sein hämischer Unterton war nicht zu überhören. „Vermutlich halten die Gäste es schon für Sterneküche, wenn der Hund nicht seinen Teller wiedererkennt.“ Jeden Moment musste Hansi von vorne aus der Küche kommen und den Fisch auftragen – der Fernsehkasper stand gefährlich nah am Korridor. Was, wenn er den richtigen Kellner bemerken würde? Schon schwang die Tür auf. Da rempelte ich den Wagen mit den Weingläsern an. Ein gewaltiges Klirren ertönte, Petermann stürzte aus der Küche heraus. „Was habe ich Ihnen gesagt“, brüllte er geistesgegenwärtig, „Sie sollen nicht so einen Lärm machen! Man versteht hier ja sein eigenes Wort nicht! Wollen Sie etwa, dass sich die Gäste über diesen Krach beschweren? Ruhe jetzt! Ich sage Ihnen das zum letzten Mal!“

Zitternd vor Anspannung tupfte sich Hansi den Schweiß ab. „Das war knapp“, stammelte er. „Wenn wir jetzt das Krokantparfait auch noch hinkriegen, mache ich drei Kreuze.“ „Drei Sterne“, korrigierte ich. „Also, keine Angst. Wir tricksen ihn aus.“

Breitbeinig lief Jens Korinth durch den Salon, da die Gäste bei Kaffee und Schnäpsen schon angeregt plauderten. „Ich habe Ihnen nun diese Karten zur Bewertung mitgebracht, auf denen Sie Punktzahlen vergeben können – geben Sie jeweils Punkte für die einzelnen Gänge sowie für den Service und das Ambiente.“ „Er kommt sich doch ziemlich selbstsicher vor“, zischte Hansi durch die Zähne.“ Ich grinste. „Warten wir’s ab. Jetzt will er ein paar O-Töne von den Gästen haben.“ Tatsächlich näherte er sich einem der Tische und fragte eine ältere Dame, wie es ihr gefallen habe. „Großartig“, schwärmte sie. „Ganz großartig – der Fisch war genau auf den Punkt gegart, und die Kräuter! Einfach vorzüglich!“ Sein Kiefer klappte herunter. „Mich hat ja die Vorspeise am meisten beeindruckt“, ließ sich ein dicker Mann mit Glatze hören. „Genau die richtige Mischung, dazu dies exquisite Filet, wissen Sie: es gibt Dinge, die man sich nicht selbst zubereiten kann.“ „Schnitt“, flehte Korinth, „Kamera aus! Das ist ja unerträglich!“ Unterdessen gaben die Gäste durchweg die volle Punktzahl. „Ich habe sogar Sterne draufgemalt“, trumpfte die Dame auf. „Das ist hier ja Sterneküche!“

Hektisch verstaute das Team die Ausrüstung im Kleintransporter. „Er hätte sich wenigstens von uns verabschieden können“, kicherte Bruno. „Offensichtlich hat es ihn doch zu tief getroffen, dass die Hälfte der Gäste gleich eine Reservierung für den nächsten Monat hinterlassen hat.“ „Und was wird jetzt aus seiner Sendung?“ Hansi sah mich fragend an. „Keine Sorge“, teilte ich ihm mit. „Er kriegt sein kulinarisches Notstandsgebiet, und daran wird er sich tatsächlich die Zähne ausbeißen. Ich habe ihn zu Knausrigmann geschickt.“





Suchmaschine

24 06 2013

„Nein, das ist völlig ausgeschlossen, der Herr Ministerialdirektor kann gar keine Steuern hinterzogen haben. Er hat nämlich gar keine bezahlt. Wir wissen auch nur, dass er zum fraglichen Zeitpunkt einmal mit seinem Rechtsanwalt telefoniert hat, einmal mit dem Therapeuten in der Entzugsklinik und dann noch mit seinem Finanzberater. Daraus lassen sich für uns keine Schlüsse ziehen. Die Oberfinanzdirektion sollte hier tunlichst kein Verfahren einleiten, ja? Sonst könnten wir uns beispielsweise einmal sehr intensiv damit auseinandersetzen, dass Sie eine nicht so ganz einfache Scheidung von ihrer Frau am Hals haben. Das wollen wir doch beide nicht, oder?

In einem guten Haushalt kommt nichts weg, habe ich recht? Na also. Deshalb ist das hier auch gut angelegtes Geld. Damit können wir jede Menge Personal sparen bei der Polizei, dann haben wir mehr Mittel zur Verfügung für Videoüberwachung und im Verfassungsschutz und – Aufklärungsrate? was interessiert mich denn die Aufklärung von Verbrechen? Wir sammeln hier. Wir sind eine Suchmaschine, verstehen Sie? Eben. Deshalb sind wir auch nicht verantwortlich für das, was mit den Ergebnissen passiert. Und weil wir nicht selbst suchen, sind wir für die Suche ebenso wenig verantwortlich. Wir finden nur. Die Suche passiert sozusagen von alleine.

Der praktische Nebeneffekt ist ja, dass Sie mit dem Rundum-Sorglos-Paket quasi Vollbetreuung bekommen. Das ist für Senioren sehr zu empfehlen, aber Sie kriegen das schon ganz preiswert bei Ihrem Telefonanbieter. Ihr Festnetztelefon ist immer scharf geschaltet, Ihre Webcam, und dann sind wir sofort bei Ihnen, wenn Sie etwas brauchen. Die Geräuscherkennungssoftware und die elektronische Ortung machen das natürlich auch leichter. Hallo? Ja, können wir machen. Wann hatten Sie ihn das letzten Mal in der Hand? Dann gehe ich mal eben zurück auf gestern Mittag – so gegen halb eins habe ich hier ein passendes Geräusch, kann das sein? Sie kamen von der Eingangstür und sind dann ins Schlafzimmer, nein, erst in die Küche, richtig, und da haben wir dann diesen charakteristischen Laut. Ihr Autoschlüssel liegt in der Besteckschublade. Bitte sehr, nichts zu danken. – Sind Sie nicht auch der Meinung, dass wir uns kaum besser um die Bürgerinnen und Bürger kümmern könnten? Eben. Dies Gerede vom Abbau des Sozialstaats will ich hier nicht mehr hören.

Oder hier, Fernsehen. Man muss die Leute bei Laune halten. Kennen Sie noch Bitte melde dich? Wir haben das mal weiterentwickelt. Mit einer interaktiven Komponente. Sie können jetzt also anrufen, und dann sagen Sie uns, dass Sie gerne mal wieder den und den sehen möchten, und dann schauen wir mal, was sich da machen lässt. Davon hatten Sie gehört? Gut, das war eine peinliche Panne. Woher sollten wir denn auch wissen, dass der im Zeugenschutzprogramm ist. Ja, ich weiß. Das ist natürlich immer etwas kompliziert mit dem BKA, aber auf der anderen Seite frage ich Sie, was sollen wir denn machen? Wenn wir da Akten nicht bewusst schreddern, dann ist es falsch, wenn wir sie aus Absicht gar nicht erst zur Kenntnis nehmen, ist es auch wieder nicht richtig – und wenn wir ankündigen, dass wir alles anlasslos speichern, dann gehen die Leute auch auf die Barrikaden. Da frage ich Sie mal, wie sollen wir denn die Bevölkerung aushorchen, wenn die ständig daran herummeckert?

Hallo? Ja, Ihr Paket ist schon im Anrollen. Sie haben Größe 38 bestellt, das war zwar lieferbar, aber ich würde an Ihrer Stelle lieber 40 anziehen. Sie haben letzte Woche beim Kartoffelsalat ganz schön zugelangt, und in 38 sehen Sie aus wie eine Presswurst. Zumal in Apricot. Nein, Weiß war nicht lieferbar. Aber trösten Sie sich, Ihre Nachbarin näht sich Keile in Größe 54 rein. Und seien Sie ein bisschen nett zum Paketboten, ja? Der hat heute seinen letzten Tag. Er weiß es nur noch nicht.

Natürlich muss der Privatsphäre ausreichend Rechnung getragen werden. Ich meine, wir sind schließlich ein Rechtsstaat – so grundsätzlich, bis auf die Ausnahmen. Wenn Sie natürlich jetzt, ich sage mal, Möglichkeiten ergreifen, die diesen Staat irgendwie zu Handlungen nötigen könnten, also Sie sind arbeitslos, oder sie wollen eine E-Mail verschicken oder sonst wie terroristisch tätig werden, dann müssen wir uns ja auch verteidigen. Da muss man schon mal sehen, dass wir vorsorglich alle Gefahren, die wir abschätzen können, und da müssen wir auch abschätzen können, bis wohin wird das noch abschätzen können und ab wo schon nicht mehr, die Gefahren müssen wir dann im Vorfeld bereits bekämpfen, bevor wir sie erkennen können. Deshalb sammeln wir ja auch erstmal alles, weil wir ja nicht vorher schon wissen, was wir nachher eventuell werden wissen können wollen. Also wenn uns das jetzt noch egal ist, ob Sie beispielweise Mitglied in einer Partei oder einer gewissen Weltanschauungsgemeinschaft, gut, Sie sagen dazu Religion, mag sein, das wird man wohl noch sagen dürfen, im Moment wenigstens, aber gleichzeitig haben Sie ein Kraftfahrzeug und sind arbeitslos und haben sich mehrere Tage lang nicht aus der Wohnung bewegt – grippaler Infekt? Ja, das wäre eine Erklärung, aber wenn Sie mal genau nachdenken, dann werden Sie feststellen, dass das nicht die einzig Mögliche sein muss.

Hallo? Kanzleramt? den Verstand verloren? Bedaure, das können auch wir nicht. So viele Jahre zurück – da haben wir ja noch gar nicht gesucht!“





#Neuland

23 06 2013

Schluss mit der inneren Unsicherheit, wir betreten Neuland. Wir wissen noch nicht, wer uns da was androht, aber wir werden sie bekämpfen. Zur Not machen das die Amis, die dürfen das bestimmt. Sagt die Kanzlerin, und die muss es ja wissen. Das ganze Grundgesetz ein Drohnenabwurfgelände. Was man als Friedensnobelpreisträger eben so liefert. Weitere Anzeichen, dass die Erderwärmung Hirnzellen abschmelzen lässt, wie immer in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • kralumrandung: Na, Sie wohnen ja luxuriös.
  • ausmalbilder steinzeit: Aber nicht wieder über den Kralrand malen!
  • germanen tattoo: Mit Sicherheit attraktiver als das Runengerümpel auf dem Ganzkörpersitzmuskel heutiger Nationalsozialisten.
  • scheinwerferduschen, nacherfasst: Finger weg, sonst Stromschlag.
  • penisverlänger medikamente: Unser ehemaliger Gesundheitsminister hat dem Diekmann da ja tolle Sachen aus den USA mitgebracht.
  • haltbarkeit von bratrollmöpsen im kühlschrank: In meinem sind die Gläser meist nach einem Tag leer.
  • wie lange volkszählungsfragebögen aufbewahren: Genauso wie die kurzen.
  • tierkennzeichnungspflicht im fachhandel: Sie verwechseln schon mal Hamster mit Giraffen, stimmt’s?
  • gottvertrauen eigenes tun: Vertrauen Sie sich selbst, sonst tut es keiner.
  • kupfernetz gegen schnecken: Die Telekom beweist täglich das Gegenteil.
  • wind frisur ventilator: Und dann mit dem Staubsauger rasieren.
  • senioren mit gummimantel: Wenn man ständig von der Regierung angeschissen wird, muss man sich halt darauf einstellen.
  • ischias schwingschleifer: Die therapeutischen Möglichkeiten scheinen mir noch nicht ganz ausgereift.
  • bildverschlüsselung abendmahl: Die Transsubstantiation ist halt ein Geheimnis.
  • waschmaschinenüberzug wo zu bekommen wien: Im Waschmaschinenüberzugfachhandel.
  • germanisches café: Bald nur noch ohne WLAN.
  • stalker persönlichkeitsprofi: Meist ein Profineurotiker.
  • hautpilz+bei+schwein: Haben Sie Ihren Sternsingern nicht genug Süßes gegeben?
  • wachtelbrüstchen fdp politikerin: Wahrscheinlich Homburger. Der Rest dirndlt bei Brüderle.
  • schweißtisch selber bauen: Bei dem Wetter setzen Sie sich einfach an den Tisch, der Rest kommt von alleine.
  • gummihose + ernte: Bei Karpfen und Reis nicht außergewöhnlich.
  • gicht ausschlag zeh: Wenn Sie den Ausschlag noch messen können, ist es keine Gicht.
  • die welt wie sie wirklich ist: Ein beschränktes, reaktionäres Proletenblättchen für subalterne Angestellte, denen am Stammtisch ein Doktortitel wächst.
  • gummunal: Des is voll die Härde.
  • deutsch möbel design-geschichte 1950 cocktailsessel: Ungefähr der ästhetische Sachstand in Kristina Schröders Musterhaushalt.
  • wie kann man alte waschbetongartenmauer verschönern: Ziehen Sie einfach woanders hin.
  • origami eidechse anleitung: Sie falten Salamander zusammen?
  • dreck rauswaschen: Beim Reinwaschen?
  • fussballer frintsch: Grenzfälle des DFB.
  • ein seemann einst: Und heute schon Fischfutter.
  • zeichensetzungsfehler+dissertation: Schavan hat immerhin alles fehlerfrei abgepinnt.
  • limbo bücherregal weiß: Das Ding von Rotlichtbetty kriegen Sie sogar unter dem Parkett durchgeschoben.




In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CXLVII)

22 06 2013

Es pflasterte Shahbaz in Spinwam
den Hof, was auch eben so hinkam.
Es langte, alleine
am Rand fehlen Steine,
was er schließlich seufzend auch hinnahm.

Ortensio, der probte in Grone
beim Laienspiel König und Krone.
Was ihn jedoch störte,
wie’s dazu gehörte,
dass man so den ganzen Tag throne.

Da Imran jüngst in Mirpur Khas
im Dunkeln im Schlafzimmer saß,
denkt man, er tät pennen,
anstatt zu erkennen,
dass er auf dem E-Reader las.

Bautista, der fegt in Aiquile
sein Laub stets hinab in die Siele.
Darum führt sein Fegen
bei stärkerem Regen
zum Anschwellen der Wasserspiele.

Baitullah probierte in Swabi
Gemüse. Nicht in Abu Dhabi,
in Rom oder Boston
konnt er davon kosten.
(Es handelte sich um Kohlrabi.)

Es warf Happy in Cisaat
aufs Blumenbeet ein Säckchen Saat.
Es lag braun und faltig.
Doch dann wuchs gewaltig
ein Maisfeld. Nun fehlt guter Rat.

Nadeem näht sich in Muridike
’nen Smoking. Er wird darin schnieke
zum Abschlussball gehen.
Er hat schließlich Nähen
gelernt, und zwar ganz von der Pike.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCI): Das Bio-Etikett

21 06 2013

Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer


Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Da steht er, der Verbraucher, wie immer bar jeder Reflexion sowie meist neben sich und selten über den Dingen, aber schon mal taktisch günstig am Supermarktregal. Tiefkühlwasserleiche hätte er gerne, doch welche? Die delfinfrei gefangenen Quastenflosser im filetierten Stadium? Oder doch den von der Evolution praktischerweise als Kubus geformten Knochenfisch samt Zierpanade? Der Papper auf dem Plastpack informiert kurz, dass ein aus Fischfängern bestehendes Gremium sich dazu herabgelassen hat, die Belange der Fischfänger im Kontext allgemeiner Umweltaspekte sowie der aktuellen Ausrottung noch vorhandener Arten so zu gewichten, dass der Verbraucher ganz sicher sein kann, etwas Reelles für sein Gewissen zu kriegen. Jede Plakette nämlich. Oder existiert in den Weiten dieser mit Behämmerten nicht gerade sparsam ausgestatteten Galaxie jemand, der mehr verlangt hätte als dieses popelige Bio-Etikett?

Das Biest drückt zunächst nur aus, dass sich im Laufe vergangener Erdzeitalter eine wirre Zusammenrottung gut bezahlter Heckenpenner auf den zu diesem Behufe unten angebrachten Muskel gehockt haben, um mit großer Lärmentfaltung ansonsten nichts zu tun, was die Entropie erhöhen könnte. Allenfalls ist der im Beisein ihrer Bezugsperson aus Vollkorn geschwiemelten Hand, die die Überreste der Schöpfung durchgrabbelt, noch in einer 0,25-Punkt-Unterschrift in Gelb auf Violett zu entnehmen, dass es sich um eine Tochtergesellschaft der staatlich peruanischen Tempeltänzerfabrik handelt, die uns jene Form von Ablasshandel andient. Kauf mich, greint der Sticker den Honk an, ich bin nicht ganz so bäh wie der Mist neben mir! Kauf mich, dann drehe ich Dir das Fegefeuer um anderthalb Grad runter – das ist gut für die Ökobilanz!

Öko-Siegel, Umwelt-Engel, Recycling-Fleck, jeder Murks muss inzwischen mit dem Nachweis sachzwangreduzierter Nachhaltigkeit aufgebrezelt werden, und ja, es funktioniert: man kann bei jedem Ding irgendeine supidupi Umweltschutzmasche einstricken. Elektromäher? Jawoll, da braucht’s keinen knatternden Dieselrasierer im Garten. Benzinmaschine? Brillant, der spart ja fast im Alleingang ein Kernkraftwerk ein! Notfalls erfindet die Marketingabteilung irgendeinen Killefit, um die Grütze zu vergolden. Diese Tranfunzel hat beim versehentlichen Herunterfallen die Ökobilanz eines lecken Ölfasses im Naturschutzgebiet? Hurra, es ist eine Energiesparlampe! Man kann dem Auto an der Bahnschranke den Motor abwürgen – gut, konnte man vorher auch schon, kann man eigentlich mit jeder Karre, aber mit dem Superspritstoplogo an der Karosseriebacke geht das Teil doch viel besser weg. Da stört es dann auch keinen großen Geist, dass die Bio-Hähnchen im Gegensatz zu konventionell eingeknasteten Zuchtkadavern aus dem Bio-Hähnchen-Gulag kommen, mehr nicht.

Denn meist ist der Bio-Aufkleber eben nur dies: ein Aufkleber, der jenseits der Produktion in den Schmadder gepfropft wird, Made in Ökoland, hübsch und auffällig und daher hübsch auffällig, wie das penetrante Krokodil, mit dem Parias demonstrieren, dass sie sich nur Kinderarbeit aus Bangladesch leisten können. Vermutlich ist es jenes Insiderwissen, das die Angehörigen dieser sozialen Randgruppe als Monstranz der Komplettverkalkung vor sich hertragen. Wahlweise leistet man sich den breiteren Wagen für den tiefergelegten IQ, der gemäß Herstellerangabe auf 100 Kilometer einen Fingerhut Sprit spart, vorausgesetzt, man fährt mindestens die Hälfte der Strecke bergab mit Rückenwind, oder man tankt gleich den guten Biokraftstoff für den doppelten Nachhaltigkeitsheiligenschein, denn die Bimbos, die dank E10 verrecken, pusten ja auch kein Kohlendioxid mehr in die Atmosphäre. So ist doch allen geholfen.

Erkennbar wird der Grad der Verdeppung, wo aus dem esoterischen Biotop nebenan meist derselbe Bubber aufquillt – nicht eben wenige huldigen dem Betrug in Gestalt frommen Geseiers, um sich danach über die nächsten als Bioeier verkloppten Batteriebollen besser echauffieren zu können. Da kommt doch die Ideologie gerade recht, und wie ließe sich die besser verscherbeln als ad hoc zusammengerührtes Religionssurrogat. Längst steuern Konzerne mit anthroposophischem Leitbild die Vermarktung der Pampe, Homöopathiker und Informationswasserköpfe, die über Hebammen und Teilzeittierheiler ihre Realitätsverweigerung in klingende Münze umsetzen: Quantenscheuermittel, Hautpflege aus energetisiertem Luftsauerstoff und in Trance verschüttelte Tütensuppen. Die vom Konsumenten gewünschte Erleuchtung kommt als sanfte Blendgranate, hinterlässt mittelschwere Schmauchspuren an der Schädelinnenseite, zeitigt aber keine erkenntnistheoretischen Langzeitfolgen. Bald werden sie herausfinden, dass das Bio-Obst in Wirklichkeit aus einer Garage in Bad Gottleuba-Berggießhübel stammt, wo es Apfel für Apfel und Birne für Birne auf den Fußboden geworfen wird, um Schmuckdellen in der Schale zu erzeugen, bevor eine geringfügig Beschäftigte der Aufkleber 100% Öko ankleistert. Sie werden es mit gutem Gewissen tun, denn es ist unbehandelter Naturholzfußboden. Mit Bio-Etikett.