Das Ding funktionierte einfach nicht. Oder Anne hatte noch nicht herausgefunden, wie es funktioniert. Oder warum es nicht funktionierte. Und das sollte ich jetzt herausfinden. Jedenfalls hatte das bisher immer funktioniert. Wenn auch nicht bei einem Bauch-weg-Gerät.
„Man muss hier unten den Hebel rausziehen“, mutmaßte sie. Dabei war noch nicht einmal sicher, ob das Ding, das in der Konstruktionszeichnung nach einem Handgriff aussah, vielleicht aber auch nach einem Standfuß, tatsächlich existierte. Und dann war mir auch nicht klar, wozu es diente. Oder, um mit dem Naheliegenden zu beginnen, was Anne mit einem Bauch-weg-Gerät anfangen wollte. „Ich muss auf meine Figur achten“, erläuterte sie. „An sich würde ich dieses Ding gar nicht gekauft haben, aber sie hatten im Shopping-Kanal ja auch eine Rabattaktion.“ Das half den Hebel, der übrigens zum Entsperren einer anderen Hebels dienen sollte, nicht unbedingt zu lockern, aber wenigstens wusste ich jetzt, wem ich diesen Apparat zu verdanken hatte.
Training im Liegestütz und am Boden, ließ sie mich wissen, sei immer noch am effektivsten. Ich pfriemelte derweil an dem Hebel herum, der offensichtlich einen weiteren Sperrdrehhebel – laut Bedienungsanweisung ein Knopf, aber es war dort kein Knopf dran, geschweige denn ein Sperrhebel – und ein Rücklauf-, Rückstoß- oder sonstiges Rückdingsi betätigen sollte, bevor man ihn umlegen und einrasten, im Zweifel möglicherweise aber auch nur hindrehen und herdrehen konnte; so genau hatte sich der Hersteller nicht mit seinem Gerät beschäftigt, als dass er erschöpfende Auskunft würde geben können. Anne blickte interessiert auf den Mechanismus. Ich blickte auf Anne. „Wieso“, fragte ich unvermittelt, „hast Du nicht längst einmal Liegestütze gemacht?“ „Weil das mit dem Gerät nämlich besser geht.“ Der Logik konnte ich mich nicht entziehen. Durchaus weibliche Logik, da man zur korrekten Durchführung dieser Turnübung das Gerät neben sich stellen musste, wenn man es nicht ein Zimmer weiter postierte oder es gleich ganz im Schrank ließ, aber eben: Logik.
Die unten angebrachte Federung rastete nicht ein, genauer gesagt rastete sie nicht einmal aus. Aber das schien Anne nicht zu hindern. „Man kann ja auch Seilspringen mit dem Teil“, erklärte sie. „Oder man setzt sich drauf, obwohl: nein, das sieht auf der Verpackung doch anders aus.“ Die Packung, ein bunt bedrucktes Ensemble mit schlimmen Bildern und fürchterlichen Aufschriften in drei Sorten Englisch, davon eine fast erkennbar, zeigte allerlei Gestalten, die auf, unter, neben und vor dem Objekt saßen, hockten und lagerten, euphorisch lachend und in seltsam verkrümmten Posen. Vermutlich hatte die internationale Mafia der Ergotherapeuten und Bandscheibenchirurgen bei der Entwicklung ihre Finger im Spiel gehabt, anders waren die Verknotungen nicht erklärbar. Höchstens durch eine schlechte Bildbearbeitung, aber wer sollte das schon machen. „Ich bin sicher, dass man sich da oben drauflehnen muss. Oder man zieht dran. Oder man lehnt sich drauf.“ Ich war eher mit dem Unterteil beschäftigt und konnte bis zu dem Augenblick wenigstens mit einiger Sicherheit sagen, drehen ließ es sich nicht. Weder freiwillig noch durch Einsatz massiver Gewalt. Oder es war einfach aus einem Stück und festgeschweißt, so viel gab die Konstruktionszeichnung auch wieder nicht her.
„Ich möchte mal wissen, wozu Du Dir dieses überflüssige Ding anschaffst.“ Anne sah mich pikiert an. „Bei jeder Gelegenheit isst Du Eis und Schokolade, trinkst Kakao mit Sahne, Rotwein in Krankenhausmengen und ernährst Dich von mit Käse überbackenem Käse.“ „Ich brauche das eben“, fuhr sie mich an, eine Spur zu heftig, wie mir schien; da waren wunde Punkte getroffen. „In mir steckt eine berühmte Strafverteidigerin, ich muss sie nur ein bisschen besser in Szene setzen.“ Das stimmte, dass in ihr allerdings neben einer zugegebenermaßen recht guten Strafverteidigerin, einer Richterin und einer Staatsanwältin auch gut anderthalb Schöffen steckten, behielt ich lieber für mich. Sie hätte mich sonst vor das Jüngste Gericht zitiert, und ich wurde noch nicht einmal mit der Arretierung der oberen Haltegriffe fertig. Bestimmt lag es an der Stellschraube. Falls es eine Stellschraube gab.
Anne war kurzfristig verschwunden. Dieses verdammte Ding rührte sich immer noch nicht. Kein Teil ließ sich drehen, und wenn man es im Komplettzustand ganz herumdrehte, sah es auch nicht mehr aus wie die Demontageanleitung. Da ertastete ich eine lockere Stelle an der Unterseite – sollte das am Ende der Feststellknopf sein, den man hereindrücken musste, um den Hebel zu lösen, mit dessen Hilfe sich der obere Haltegriff bewegen ließ? Ich drückte. Es knackte einmal kurz und metallisch, mehr war der Maschine jedoch nicht zu entlocken. Aus dem Nebenzimmer war ein Keuchen zu hören. Ich sah nach und fand Anne mit den Füßen am Sessel festgeklemmt, wie sie Sit-ups vollführte. Gut, dass sie nie eine Rabattaktion verpasst.
„Du kannst ihn gerne haben“, entschied Anne. „Ich komme mit dem Ding nicht zurecht, außerdem passt Schwarz auch schlecht in mein Schlafzimmer. Ich wäre Dir also wirklich sehr zur Dankbarkeit verpflichtet. Machen wir einen Deal: Du nimmt ihn gleich mit, und ich habe von gestern noch zwei Eierlikörtörtchen.“
Satzspiegel