Pig Brother

11 06 2013

„Chantal, Jacqueline, Kevin, noch mal Kevin, und hier Pupsschnurzel93. Ich weiß jetzt nicht genau, ob das der Vorname oder der Nachname ist, vielleicht ist das ja in diesem Internet etwas anders, aber das sollen die Amis rausfinden. Für die machen wir das hier ja alles, verstehen Sie?

Machen Sie das mal acht Stunden lang täglich. Ich meine, ich kann mir ja wenigstens noch aussuchen, was ich lese, als Halbtagskraft können Sie das nicht, aber acht Stunden lang irgendwelchen Müll von Facebook durchblättern, das geht einem doch voll auf die Nüsse. Hier, gucken Sie mal: eine Freundschaftsanfragen. Eine Freundschaftsanfrage, verstehen Sie? Da muss man ich doch auch nicht mehr wundern, wenn sich die Terroristen im Netz verdingsen, vernetzen, das kommt doch von diesem ganzen Internet, das gab es doch vorher gar nicht.

Nein, natürlich gerät das nicht in die falschen Hände. Der Friedrich und der Uhl wollen da schon ran, aber die kriegen das nicht. Datenschutz, verstehen Sie? Nichts zu machen. Deshalb sind Ihre Daten bei uns in Sicherheit. Also bei den Amis.

Wir sind hier ja nur die ausführende Behörde. Leiharbeiter, verstehen Sie? Bietet sich schließlich an, wo wir doch den größten Niedriglohnsektor haben. Für qualifizierte Maßnahmen wären die wahrscheinlich nach Indien gegangen, aber für den Mist hier reicht die deutsche Kolonie völlig aus. Im Sinne der Bündnispartnerschaft, verstehen Sie? Da muss man manchmal schon ein paar Zugeständnisse machen. Das ist auch absolut streng reglementiert, verstehen Sie? Wir dürfen beispielsweise keine Mails von diesem einen Anbieter da lesen. Aber ich verrate Ihnen was: ich habe den Verdacht, dass die ganzen Terroristen inzwischen bei denen ein Konto eröffnet haben. Oder dass die gar keine Mails mehr über Amerika schicken. Gut, das klingt jetzt sehr nach Verschwörungstheorie, aber ist denen nicht alles zuzutrauen?

Das sieht nach einer Facebook-Party aus. Ist bestimmt auch eine. Kleine Ortschaft in Oberfranken, da kommen bestimmt so um die mindestens zwei Dutzend Jugendliche zusammen und tun da nicht behördlich genehmigte Sachen. Das ist eine nicht angemeldete Veranstaltung, ein sogenanntes Event, die können unter Umständen für die Sicherheit der Nation gefährlich werden. Also für den Amis ihre Nation. Haben Sie ja bei diesem Marathonlauf gesehen, der war auch nicht von den deutschen Sicherheitsbeamten genehmigt.

Also offiziell gibt es mich gar nicht. Wir sind ja eine Behörde, deren Existenz bisher hartnäckig geleugnet wurde, weil wir absolut lebensnotwendig waren für die nationale Sicherheit. Inzwischen sind unsere Gesetzesbrüche überlebensnotwendig. Nicht für die nationale Sicherheit, das ist der Unterschied. Aber in mancher Hinsicht überlebensnotwendig. Oder sind Hersteller von Überwachungssoftware für Sie keine Arbeitnehmer, die man vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze bewahren sollte?

Gucken Sie mal, ist das nicht unverantwortlich? Der schickt einfach so vertrauliche Geschäftspost an seinen Prokuristen. Zwar verschlüsselt, aber eben nicht gut genug verschlüsselt. Die ganzen Quartalszahlen. Verheerend – ich würde ja die Gehälter für die Praktikanten streichen, die sollen doch froh sein, wenn sie etwas zu tun kriegen. Und die Bürokosten sind mir auch verdächtig hoch. Die müssen da wohl goldene Heftzwecken haben. Gut, nicht mein Bier. Aber stellen Sie sich nur mal vor, das würde jemand in die Finger kriegen, den das gar nichts angeht! Das wäre doch eine Katastrophe, verstehen Sie? Das könnte jetzt jeder einfach so wieder verschlüsseln und nach China schicken. Oder noch schlimmer, wenn wir das gar nicht entschlüsselt kriegen, müssen wir dann nicht vom Schlimmsten ausgehen? Ich meine, wenn jemand nichts zu verbergen hat, muss er dann überhaupt verschlüsseln? Das sind doch die wahren Probleme, verstehen Sie?

Und à propos Arbeitsplätze, wir könnten ja noch expandieren. Zwanzig Milliarden, verstehen Sie? Nein, kein Börsenkurs. Arbeitsplätze. Wir müssen schließlich die gesamte Kommunikation der Welt auswerten, im Drei-Schichten-Betrieb. Und dann brauchen wir ja auch eine doppelte Besetzung, weil wir die abhören müssen, die die Kommunikation abhören. Das mit dem Wachstum haben wir so gut wie gelöst, verstehen Sie?

Aber sehen Sie das auch mal positiv. Ich hatte hier neulich eine Kollegin, die hat aus Versehen ihre ganzen Hochzeitsbilder gelöscht. Einmal auf den falschen Knopf gedrückt, alles weg. Unangenehm! Tja, und dann haben wir die Amis informiert. Wieso angerufen, ich habe einfach eine Mail geschrieben, die wird doch automatisch gelesen. Naja, und drei Tage später kriegten wir dann eine Nachricht, schöne Grüße von Obama, und das hier seien die Bilder, und sie hätten alle Personen identifiziert, und sie sollte sich ihren Bekanntenkreis mal besser aussuchen in Zukunft. Ich meine, das ist doch perfekter Service?

Sie müssen auch mal die soziale Komponente sehen. Sie schreiben da die ganze Zeit Ihr Facebook voll und Sie twittern und Sie liken und sharen und hastenichgesehn, und keiner interessiert sich für Sie, verstehen Sie? Ist das nicht eine wunderbare Botschaft, wenn unsere amerikanischen Freunde uns zeigen: Leute, Ihr seid uninteressant, aber hey! so uninteressant auch wieder nicht? Ich finde, das ist doch das soziale an den sozialen Medien, dass man sich da fühlt wie im richtigen Leben, oder?

Bedaure, das kann ich nicht lesen. Das ist Arabisch.“